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Von Anfang an sozial

Aus seinen Büros an der Kehrwiederspitze hilft der Verein startsocial seit über zehn Jahren Projekten auf die Beine, die sich in Deutschland gemeinnützig engagieren.

Das Team von startsocial (von links nach rechts): Caroline Dahns (Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit), Dr. Sunniva Engelbrecht (Vorstand), Jonas Hettwer (Leitung Bewerbungs- und Veranstaltungsmanagement), Monika Kayser (Leitung Unterstützer Netzwerk)

Ein Junge liegt auf einem Stück Tapete, während ein anderer mit einem dicken Wachsstift um ihn herum seine Umrisse auf das Papier malt. Danach steht er auf und zeichnet seiner Silhouette links und rechts kleine Flügel. Den Bauch dieses Engelchens malt er blau an. Nach dem Grund gefragt, sagt er, wenn er malt, dann sei er ganz nah bei seiner Mama; dann fühle sich sein Bauch an wie blaue Seide. Er ist sieben Jahre alt, und seine Mutter ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Die anderen Kinder in der Gruppe sind so alt wie er, zwischen vier und acht. Heute machen sie sich einen Schutzengel. Schutz haben sie nötig, Schutz, Trost und Empathie, denn sie verbindet ein tragisches Ereignis: Alle haben einen Elternteil verloren, durch Krankheit, Unfall oder Suizid. Seitdem kommen sie regelmäßig ins Hamburger Zentrum für Kinder und Jugendliche in Trauer, wo sie lernen, mit ihrer Trauer umzugehen, anstatt sich in sie zurückzuziehen.

Das Zentrum ist ein junger Hamburger Verein, der von wenig finanziellen Mitteln, großem persönlichen Einsatz und vor allem dem sozialen Engagement seiner Initiatoren lebt. Davon gibt es mehr, als man gemeinhin denken mag, nicht nur in Hamburg. Die einen machen Trauerarbeit mit Kindern, andere bieten alleinerziehenden Müttern Unterstützung an, einige machen sich Gewaltprävention an Schulen zur Aufgabe oder bewahren gebrauchte Elektrogeräte vor dem Recyclinghof, prüfen sie auf Sicherheit und verschenken sie an bedürftige Menschen. Tatsächlich haben viele Menschen in Deutschland Ideen zu sozialen Fragen, trauen sich aber nicht so recht, sie auch umzusetzen. Um dieses Potenzial zu nutzen, wurde unter dem Motto „Hilfe für Helfer“ im Jahr 2001 startsocial ins Leben gerufen, ein Verein, der heute in den Büros von McKinsey an der Kehrwiederspitze sitzt und gemeinnützigen Initiativen auf die Beine hilft, vor allem in Form professioneller Beratung. Dieser Transfer von Know-how und Expertenwissen wird hauptsächlich durch Unternehmen gewährleistet, die startsocial unterstützen, darunter die internationalen Schwergewichte McKinsey, Allianz, Atos und ProSiebenSat.1 Media AG, aber auch Firmen wie die Gebrüder Heinemann oder Stiftungen wie die Körber-Stiftung. Seit 2001 haben sich knapp 5.500 soziale Projekte bei startsocial um ein Beratungsstipendium beworben, und 2.400 Juroren, Coaches und Experten haben in 120.000 Arbeitsstunden verschiedenen Projekten dabei geholfen, ihre Ideen auszuformulieren, ihre Konzepte zu entwickeln und ihre Vorhaben auf den Weg zu bringen.

In Hamburg wird diese Arbeit flankiert vom Social Café, einer Einrichtung von McKinsey, die nicht nur Stipendiaten von startsocial, sondern generell soziale und ehrenamtlich geführte Projekte anspricht. Diese können sich hier jeden ersten Freitag im Monat miteinander vernetzen, Vorträge hören oder sich von McKinsey-Mitarbeitern zu speziellen Themen wie Fundraising oder Öffentlichkeitsarbeit individuell beraten lassen. Wie die Psychologen, Therapeuten und Pädagogen, die das Hamburger Zentrum für Kinder und Jugendliche in Trauer ins Leben gerufen haben. Zwar sind alle speziell ausgebildet und blicken auf langjährige Erfahrungen in der Trauerarbeit zurück, waren aber zu Beginn ihres Projekts noch etwas hasenfüßig: Wie wird ein Verein gegründet? Wie erstellen wir einen Projektplan? Einen Finanzplan? Einen Geschäftsbericht? Auch wenn das Zentrum dringend auf Sponsoren angewiesen ist, die es langfristig unterstützen, hat es seine Arbeit inzwischen erfolgreich aufgenommen, nicht zuletzt dank der Geburtshilfe von startsocial. Andere gehen gerade an den Start; und jedes Jahr kommen weitere hinzu. Erst kürzlich der Verein „Der Halfen Hilft“ aus Hamburg, der mit seinem Vorhaben in den Kreis der diesjährigen Stipendiaten von startsocial aufgenommen wurde. Er vermittelt Sachspenden wie Möbel, die von Kreuzfahrtschiffen entsorgt werden sollen, oder auch Dienstleistungen aus dem Hafen. Neben der Expertise der Berater ist aber vor allem ein Aspekt von startsocial für die Initiatoren der verschiedenen Projekte von ganz wesentlicher Bedeutung: Die Erkenntnis, dass sie nicht allein sind, dass es viele Menschen in ganz Deutschland gibt, die bereit sind, Zeit und Mühen aufzuwenden, um etwas für die Gesellschaft, für ihre Stadt oder ihre Nachbarschaft zu tun, mit Enthusiasmus und Engagement und ohne Aussicht auf Gewinn. Diese Erfahrung ist nicht gerade alltäglich, aber sie macht Mut: Mut, an den Start zu gehen.

Text: Nikolai Antoniadis, Fotos: Holger Stöhrmann
Quartier 16, Dezember 2011–Februar 2012 , Rubrik:    
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