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Schöner Schutz

Am Niederhafen entsteht eine neue Hochwasserschutzlinie nach Plänen
der britischen Architektin Zaha Hadid.

Oben: Blick über das Hochbahn-Viadukt beim Baumwall zum Niederhafen und zur Überseebrücke (zwischen 1958 und 1962) (1) Unten: Dieselbe Ansicht aus dem Jahr 2012, wo an der Überseebrücke inzwischen die CAP SAN DIEGO liegt (2)

Wenn es einen Hamburger Architekturkanon gibt, so etwas ganz Typisches – ja dann hat das mit Wasser zu tun. Irgendwie. Aktuell beispielsweise wurden das restaurierte Wasserwerk in Wilhelmsburg für Restaurant und Ausstellungsflächen (Architekten Stölken Schmidt) oder die Wasserkunst Kaltehofe (Andreas Heller und WES). Die gesamte HafenCity ist eine Antwort auf das Thema Wasser, wie die sorgfältigen Restaurierungen der Kaimauern zeigen, bis hin zu merkwürdigen Ausformungen am Beton zu Füßen der Magellan-Terrassen, die möglichen Eisschollen geschuldet sind. Und nun also werden östlich der Landungsbrücken 625 Meter Hochwasserschutz am Niederhafen neu gebaut, die zum Prominentesten in Hamburg gehören und ein Parcours für Seh-Leute mit Hafenblick aus der ganzen Welt sind.
Die alte Konstruktion wurde nach der Sturmflut 1962 gebaut. Sie ist ein merkwürdig sperriges Ingenieurbauwerk, das die Neustadt von der Elbe regelrecht abriegelt. So lag die Idee des früheren Stadtentwicklungssenators Freytag nahe, innerhalb der Hamburger Architekturolympiade 2006 Entwürfe für einen Neubau von ganz oben aus der architektonischen Hall of Fame abzuholen: Gebeten und erhört wurde Zaha Hadid, die unter anderem Architektin des Schwimmstadions für Olympia 2012 in London ist. Der Schutz vor Hochwasser, und darum geht es hier, wäre normalerweise mit einer möglichst hohen Stahlbetonwand zu optimieren. Nicht so bei Zaha Hadid: Sie und ihr Hamburger Büroleiter und Architekt Jan Hübner entwerfen eine begehbare Skulptur, die zum Wasser hin und überall dort, wo Seitenstraßen aus der Neustadt in die Vorsetzen, den Johannisbollwerk oder den Baumwall münden, als breite Treppen kegelförmig das Hochwasserband mit dem Straßenniveau verbinden.

Für die neue Anlage wird das Hochbahn-Viadukt teilweise verlegt. Weil der Neubau höher und breiter wird als sein Vorgänger, ist ein Vorbau in die Elbe nötig. (3)

Ähnliche Treppen werden auf der Hafenseite angelegt: Einschnüren und aufweiten im Wechsel heißt das Thema – das wirkt wie eine Kette von Amphitheatern und Felsgruppen, auf denen Restaurants, Cafés und Kioske Platz finden. Auch technisch und konstruktiv ändert sich so manches: Die Schutzlinie wird von 7,20 Metern Normalnull auf 8,60 Meter erhöht, und die „Deichkrone“ wird von bisher fünf auf mindestens zehn Meter verbreitert. Für den zur Flaniermeile aufgewerteten Weg wird dunkler Basalt verwendet, die Treppenkegel sind aus hellem Beton. Wo aber in Richtung Elbphilharmonie bisher nur ein schmaler Fußgängersteg vorhanden war, entsteht in Abstimmung mit dem Büro Herzog & de Meuron ein kleiner Platz mit Blick auf ein anderes „Wasserbauwerk“ der größeren Art. 2014 soll hier alles fertig werden, dann könnten 40 Millionen Euro verbaut sein. Beide Eckdaten wird die Elbphilharmonie nicht halten.

Text: Dirk Meyhöfer, Fotos: Thomas Grebe (1), Jonas Wölk (2), Visualisierung: ON3 Studio (3)
Quartier 19, September–November 2012 , Rubrik:    
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