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Mauern oder Windmühlen?

Kreativität ist wenn man trotzdem lacht – nein, wenn man schläft, duscht oder das Gehirn Pause macht! Kleine Vorschläge für die große kreative Gesellschaft

Dirk Meyhöfer

Wir wissen es nicht erst seit dem Frühjahr, als die Republik Neuland im Oberhafen ausgerufen wurde: Kreative sind etwas ganz Feines, haben immer gute Ideen und für die Freie und Hansestadt Hamburg megawichtig. Es ist noch nicht lange her, da hat ein Mann aus des USA mit dem bildhaften Namen Richard Florida knallhart erkannt: Kreativität ist die wichtigste wirtschaftliche Ressource. Da konnte sich nicht einmal eine sozialdemokratische Stadtregierung zurückhalten: Ja, das wollen wir! Künstler, Kreative und andere unsichere Kantonisten dafür benutzen, Hamburgs Wirtschaftskraft zu stärken. Das wäre die Kubatur des Kreises, denn wir wissen ja: In Hamburg herrscht seit Menschengedenken ein Lagerkampf, ja ein bisweilen (unblutiges) Gemetzel: Kultur gegen Wirtschaft und am Ende gewinnt die Wirtschaft – pardon – Hamburg. So ist das doch ein riesiges Friedensangebot: mit kreativer Kulturkunst wie auch immer Geld zu verdienen (Ein Schelm der jetzt an die Elbphil denkt). Und der absolute Clou ist Hamburgs Kreativgesellschaft – die mit dem Nachklapp mbH. Das nenne ich doch sehr hamburgisch: Kreativität mit beschränkter Haftung!

Oh Hammonia! Es wird jetzt Zeit für ein aufklärendes Wort zur Kreativitäts-Debatte und auf dieser Seite wird es stehen. Eine „verbeamtete“ Kreativgesellschaft mit beschränkter Haftung ist nämlich gar nicht so doof, wenn man den neuesten Stand der Wissenschaft berücksichtigt. Und irgendwie scheinen die Damen und Herren Entscheidungsträger in Hamburg zu wissen, wie Kreativität entsteht. Also was passiert, wenn sich die Kreativität sozusagen in Blitzesschnelle entlädt? Interessanterweise entsteht sie im Ruhezustand des Gehirns. Konzentrieren wir uns nicht gezielt auf eine Aufgabe, arbeitet das Hirn umso überraschender. Das hat 2001 der Neurowissenschaftler Marcus Raichle aus St. Louis in Forschungsreihen nachgewiesen! Jeder gesunde Mensch wundert sich doch morgens, was für ein wundersames Zeug er zusammengeträumt hat.

Traum und Kreativität als Geschwister? Ich weiß, das ist hier nicht gerade so der Diskussionsstandard, aber ich rate dringend, darüber nachzudenken. Mein persönlicher Tipp: creare heißt ja auch Schöpfen, das erzeugt ein schönes Bild in mir: „Aus der dunklen Tiefe eines Brunnes lebenswichtiges kühles Nass hervorholen“. Wo wir doch so viel Wasser haben in unserer schönen amphibischen Landschaft, ist das doch ein kreativer Neuanfang? Oder: Wenn man das chinesische Sprichwort ernst nimmt „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Windmühlen und die anderen Mauern“, sollte diese Stadt, die bisher selbst in ihrem heiligen Wappen die Türen geschlossen hält, einfach nach Schleswig-Holstein schauen!

Text: Dirk Meyhöfer, Foto: Dirk Meyhöfer privat
Quartier 23, September–November 2013 , Rubrik:    
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