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Vom Zuber zum Zauber

Dirk Meyhöfer sorgt sich um eine Ikone der postmodernen Stadtentwicklung: die freistehende Badewanne ist in Gefahr
Dirk Meyhöfer

Dirk Meyhöfer

Dass ausgerechnet ein Limburger Erzbischof einen Werteverfall im Hamburger Luxuswohnungsbau auslösen könnte – das wäre wohl niemandem im Traum eingefallen.

Wissen Sie, wer der heimliche Star der Hamburger Stadtentwicklung ist, ihr ganz geheimer Leistungsträger? Richtig: die freistehende Badewanne! Darin steckt nämlich die beste aller möglichen Philosophien, jene, die dem Genius Loci huldigt, die den besonderen Ort und seine Atmosphäre würdigt. Die freie und amphibische Hansestadt weiß um ihren Genius Loci: Wasser ist unser Leben! Und in Hamburg haben die Buchstaben SPA, landläufig verklärt zu „Sanus per aquam“, gesund durch Wasser, einen besonderen Klang. Das gesunde Kassenklingeln im Hafen ist durch das Wasser der Tide noch so eben und eben gewährleistet. Und: Ein kleiner See in der Stadt ist immer noch besser als ein Chiemsee auf dem Lande – das weiß doch jeder Hamburger Kaufmannslehrling. Hamburgs Wasser ist das beste der Welt, es ermöglicht Segeln, Hafen-Schippern, Rudern, Kanu fahren, Hafengeburtstag, Alsterwasser und natürlich das Wasserlassen in exklusivem Ambiente – was wollen wir mehr? Das alles ist Hamburg. So ist es nicht verwunderlich, wenn auch der kleinste Elbblick aus dem WC-Fenster in der HafenCity den Quadratmeterpreis der Immobilie solide steigert. Sanus per aquam – Liquidität zählt, und das Zitat muss in einer Handelsstadt nicht weiter übersetzt werden: „Pecunia non olet“!

Gemeinsam mit dem französischen Stardesigner Philippe Starck setzt Hamburg noch eins auf die Nasszelle drauf: Die freistehende PS-Badewanne! Sie ist unglaublich großzügig und ein Katalysator hamburgisch-libertären Lebensgefühls schlechthin! Kürzlich erst hat eine baugeschichtliche Arbeit der HCU zu den Anfängen der HafenCity herausgefunden, dass die PS-Badewanne in den Chroniken von Hammonia erstmals auf einem Bauschild am Kaiserkai auftauchte. Seitdem hat sie sich nahezu flächendeckend ausgebreitet: In den Elbvororten, an der Außenalster, im Alstertal. Immer da, wo in Hamburg Eigentumswohnungen entstehen, die vom Bezug zum Wasser profitieren.

In diese profitable Idylle hinein schlagen nun die großen Wellen der klerikalen Tragikomödie von Limburg. Im tiefsten Binnenland wird eine freistehende Bade-wanne für einen alleinstehenden katholischen Oberhirten aufgestellt, was zu allgemeiner Neid-Empörung führt. Alle lutherischen Hamburger Investoren und Makler haben bereits vorsorglich angekündigt, ihre Badewannenaufstellungspolitik radikal zu überdenken. Die katholische Fraktion muss natürlich auf ein interpretierbares Wasserzeichen aus Rom warten. Die freistehende Badewanne aber hat ihr hanseatisch-symbolisches Oberwasser ersteinmal verloren – vielleicht ist ja bald wieder alles O. K. in Bad und WC!

 

Quartier 24, Dezember 2013–Februar 2014 , Rubrik:    
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