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Wasser hat keine Balken

Segeln ist eine Schule des Lebens, findet der passionierte Segler Harald Baum, der auch mit über 70 noch Regatten fährt – und gewinnt. Der Unternehmer, der aus dem kleinen Versicherungsmakler Pantaenius eine internationale Versicherungsgruppe gemacht hat, erfüllte sich in der HafenCity einen Traum
Harald Baum

Harald Baum in seinem Büro im Pantaenius Haus (1)

Gerade ist er von einer Segel-Regatta zurückgekehrt, Harald Baum, 73 Jahre alt und Inhaber von Pantaenius, dem mittlerweile weltweit erfolgreichsten Spezialisten für Yachtversicherungen. Beim European Swan Cup vor der Südküste Englands ist er nur Zweiter geworden. „Das ist ein Rennen von Swans, in Finnland gebauten, schönen großen Yachten.“ Die Swan der Familie Baum – auch die beiden Söhne und die Tochter sind mitgesegelt – trägt den programmatischen Namen „Elan“.

Elan – den strahlt er aus. In der HafenCity hat er sich einen Lebenstraum erfüllt und sein eigenes Bürogebäude gebaut. Beruflich beheimatet ist Baum schon lange in der Gegend. Als junger Schiffsmakler hat er als Tallymann, der die Ladung während des Umschlags auf Vollständigkeit, Schäden und ähnliches kontrollierte, bei Schuppen 29 am Baakenhafen gearbeitet. Als er 1963 nach der Weiterbildung zum Versicherungskaufmann bei der Hamburg-Süd und Auslandsaufenthalten bei Versicherungen in London und Bern, mit 23 Jahren bei Pantaenius anfängt, hat das damalige Drei-Mann-Unternehmen einen Raum im Chile-Haus gemietet. Für Baums Expansionskurs war das zunächst ideal. „Mit dem Ausbau mussten wir immer mehr Raum haben. Erst hatten wir einen oder zwei, drei oder vier. Und am Ende hatten wir den ganzen Flur.“ 1970 kauft Baum Pantaenius, später zieht das Unternehmen in den Cremon ins Katharinenviertel, wo es allerdings keinerlei Möglichkeiten für ein räumliches Wachstum gibt. Pläne für ein eigenes Bürogebäude scheitern – bis Baum von der HafenCity hört.

Pantaenius Haus

Der Unternehmenssitz oberhalb der Magellan-Terrassen wurde von dem Briten David Chipperfield entworfen (2)

Durch Vermittlung von Bekannten lernt er den Londoner Star-Architekten David Chipperfield kennen, was die Sache perfekt macht. Chipperfield entwirft das Pantaenius Haus an den Magellan-Terrassen. Schlicht, aber genial: Die Proportionen passen sich harmonisch an. Auf der Seite zum Kaiserkai ist das gelbe Klinkergebäude nicht höher als die Wohnbebauung, zum Großen Grasbrook mit seinen Geschäftshäusern ist es zwei Stockwerke höher.

Im Büro von Harald Baum in der dritten Etage genießen wir den Blick über den Traditionsschiffhafen, den sich Baum erkämpfen musste. Zunächst sollte das Haus einen „Schuhkarton-Grundriss“ erhalten, doch für den Unternehmer war klar, er würde hier nur bauen, wenn das Gebäude um die Ecke reichen würde, „sonst hätten wir gegen eine Mauer geguckt“. Unterstützung erhält er von Chipperfield. Dessen Devise „Der Grundriss muss L-förmig sein am Ende des Hafens“ kann Oberbaudirektor Jörn Walter überzeugen. Chipperfield und Walter kennen sich, bemerkt Baum und lächelt sein spitzbübisches Lächeln.

Pantaenius ist das erste mittelständische Unternehmen, das in der HafenCity investiert. Im Mai 2005 wird der Firmensitz eingeweiht, noch einen Monat vor den Magellan-Terrassen. Die ersten Jahre gestalten sich schwierig. Im Quartier Dalmannkai ist das Pantaenius Haus das erste fertige Bauwerk, „weit und breit nur Wüste – das war irre“, erinnert sich Baum. Und erzählt nicht ohne Stolz, wie er beim Bau des Traditionsschiffhafens mitgeplant hat. Ursprünglich sei die Kaianlage mit runden Kaimauern entworfen worden: „Nun fragt man sich, wie will man an runden Dingern ein Schiff hinlegen? Da ist ja gar keine Kaifläche. Letztlich konnte ich das noch umdrehen.“

Er habe selbst einen Architekten zu Rate gezogen. Am Ende sei auch die „sehr attraktive spanische Architektin aus Barcelona“ – Benedetta Tagliabue – die für den Entwurf des Hafens zuständig war, mit dem Ergebnis zufrieden gewesen. Und Baum erhielt den zugesagten Liegeplatz für seine „Courtage“, eine kleine Barkasse, mit der er von Blankenese zur Arbeit schippert: „Drei bis viermal die Woche fahre ich mit dem Boot, weil es mir wahnsinnig viel Spaß macht. Und weil es schneller geht. Ich fahre immer am Stau vorbei.“

„Man lernt den Respekt vor der Natur:
Die Ohrfeige von Petrus kann an der nächsten Ecke kommen“

Seine Liebe zum Wasser ist ihm fast in die Wiege gelegt: Ab Sommer 1943 – Harald Baum ist drei Jahre alt – lebt die Familie, Vater, Mutter und älterer Bruder, auf einem Schiff auf der Elbe, dreimal sind sie ausgebombt worden. Der Vater hat aus dem ausgebrannten Rumpf einer Segelyacht mit der Hilfe von Freunden ein funktionsfähiges Schiff gebaut. In den Krieg muss er aus gesundheitlichen Gründen nicht. Als Schwarzmarkthändler bringt er die Familie durch, schmuggelt Zündsteine und Zigaretten und erhält dafür von den Bauern an der Unterelbe Kartoffeln und Speckschwarten. Das Schiff trägt den passenden Namen: „Alibi“.

Nach dem Krieg liegt die „Alibi“ im kleinen Hafen von Teufelsbrück, von wo aus Baum zur Schule in Bahrenfeld radelt. „Die See ist mein Zuhause, mit acht, neun Jahren konnte ich Segeln. Ich weiß, wie ein Schiff geht, ob du kreuzen kannst bei schwerem Wetter oder ob du strandest.“ Noch mit über 70 gewinnt er Regatten. Nicht nur der Vater war ein leidenschaftlicher Segler, beide Großväter haben den Hamburger Segelclub mitgegründet.

Auch die Assekuranz liegt in der Familie. Großvater und Onkel mütterlicherseits sind erfolgreich in der Versicherungsbranche. „Über Kontakte bin ich dann bei Pantaenius eingestiegen.“ Mit einer revolutionären Idee bringt er die Firma, nachdem er sie übernommen hat, endgültig auf Erfolgskurs. Wie so oft, entsteht die gute Idee aus eigenen, bitteren Erfahrungen.

Harald Baum

Ein gut gelaunter Harald Baum am Messestand von Pantaenius auf der Hanseboot im Jahre 1971 (3)

Im Winter 1969/70 geht eine Scheune in Flammen auf: „Da war meine Jolle drin und alle meine Freunde vom Teufelsbrücker Hafen hatten da ihre Schiffe.“ Baum übernimmt die Schadensabwicklung, die sich als schwierig erweisen sollte: „Da habe ich gemerkt, wie schlecht die Versicherungsbedingungen waren. Das war ja ein glasklarer Versicherungsschaden.“ Doch keiner der Geschädigten konnte sich ein gleichwertiges neues Schiff kaufen, denn die Versicherung argumentiert mit Zeit- und Marktwerten. „Die Bedingungen sind damals so gemacht worden, dass man als Versicherer gegen die Kunden kämpfte. Da habe ich gelernt, wie das gemacht werden muss. Von der Schadensseite aus. Und dann habe ich mit zwei Anwaltsfreunden die Pantaenius-Yacht-Kasko-Versicherung entwickelt.“ Mittlerweile versichert Pantaenius an die 80.000 Boote weltweit und betreut mit der Tochterfirma aus dem Bereich Unternehmensversicherungen als Makler an die 3.000 Kunden.

Inzwischen hat Pantaenius Niederlassungen in Europa, den USA und Australien. Der Leitspruch „Pantaenius – da kann kommen, was will“ ist auch Baums Lebensmotto. Ob er wagemutig sei? Nö, antwortet der Firmenchef, der schon mehrmals den Atlantik überquert hat. Aber vorausschauend: „Wenn du erfahren bist, dann, verdammt noch mal, musst du deine Befürchtungen auch ernst nehmen. Wie schütze ich mich am besten? Also ohne ‘ne ordentliche Rettungsinsel loszufahren und ohne die ganze Ausrüstung, das geht nicht.“ Und was sind Versicherungen anderes als institutionalisiertes Vorausschauen?

An Bord ist Baum der Skipper, der das Schiff führt und die Verantwortung trägt. „Du brauchst eine Crew, die funktioniert und harmoniert, wenn du das nicht hinkriegst, keine Chance. Du hast ja immer eine kleine Firma um dich herum. Und nur einer kann sagen, wo’s längs geht. Auch für den Zusammenhalt innerhalb einer Familie gibt es nichts Besseres als gemeinsames Segeln. Und man lernt den Respekt vor der Natur: Die Ohrfeige von Petrus kann an der nächsten Ecke kommen.“

Seine beiden Söhne segeln nicht nur mit ihm, sie arbeiten auch als Geschäftsführer bei Pantaenius. Daniel (Jahrgang 1971) ist seit 1999 Managing Director bei PANTAENIUS Versicherungsmakler GmbH, Martin (Jahrgang 1975) ist seit 2006 Managing Director der PANTAENIUS Yacht Gruppe. Ans Aufhören denkt Baum noch nicht, weder mit der Arbeit und schon gar nicht mit dem Segeln. Sehr viel Glück habe er gehabt in seinem Leben, resümiert der 73-Jährige: „Ich bin so alt geworden ohne große Krankheiten. Ich habe eine tolle Frau und drei gesunde Kinder. Ich durfte eine Firma aufbauen, musste mich nie verbiegen. Wenn ich nicht glücklich wäre, müsste ich Schläge bekommen.“

Text: Bettina Mertl-Eversmeier, Fotos: Jonas Wölk (1), Thomas Hampel (2), Pantaenius (3) 

Quartier 24, Dezember 2013–Februar 2014 , Rubrik:    
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