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Zimtstange

Nach langen Verzögerungen wurden die Arbeiten auf der letzten Teilfläche des nördlichen Überseequartiers wieder aufgenommen
Cinnamon

So stellen sich die Architekten den Wohnturm Cinnamon am Magdeburger Hafen vor. Links im Schatten der Bäume das Alte Hafenamt (1)

„Hier entsteht das Herzstück der HafenCity“, hatte Bürgermeister Ole von Beust gesagt, als er 2007 zur Grundsteinlegung des Überseequartiers kam. Ein beeindruckendes Zahlenwerk unterstrich das: Über 50.000 Quadratmeter für den Einzelhandel, etwa 150 Geschäfte, würden hier bereit gestellt, einige Hundert Wohnungen, Büros für 6.000 Menschen, Hamburgs größte Tiefgarage und eine neue U-Bahn. Die Investoren wollten 800 Millionen Euro in die Hand nehmen, damals in Deutschland ein einzigartiges Volumen. Auch sonst wurde in großen Dimensionen gedacht. Rem Koolhaas sollte ein extravagantes Science Center entwerfen, der Italiener Massimiliano Fuksas ein Kreuzfahrtterminal mit Luxushotel. Das Vorhaben war so hoch aufgehängt, dass sogar zur Eröffnung des InfoPavillons der Finanzsenator persönlich erschien.

Das Tempo verlangsamte sich dann, aber der Bauabschnitt bis zur Überseeallee ist inzwischen fertig – mit Ausnahme ausgerechnet jenes Teils, der als „Gravitationszentrum“ des Quartiers geplant war, ein gastronomischer Knotenpunkt am Alten Hafenamt. Neben dem historischen Bau würde eine „Markthalle“ errichtet, die zwischen dem Hafenamt und dessen neuer Umgebung vermitteln sollte. Andernfalls fürchtete man, dass der denkmalgeschützte Rest des alten Strom- und Hafenbau-Komplexes im Schatten der bedeutend höheren Neubauten verschwinden würde. „Dieses Gebäudeensemble“, hieß es in den Unterlagen zum Architektenwettbewerb, „nimmt aufgrund seiner herausragenden Bedeutung für die Öffentlichkeit und aufgrund seines gewünschten eigenständigen Ausdrucks einen besonderen Stellenwert in der Gesamtentwicklung des Überseequartiers ein.“ Dieser zukünftigen Bedeutung wurde nach einhelliger Auffassung des Preisgerichts der Entwurf von Bolles + Wilson am besten gerecht.

Das Büro Bolles + Wilson hat in Hamburg vor allem durch den städtebaulichen Masterplan Falkenried von sich reden gemacht. Auch auf der IBA waren sie aktiv; mit dem Ärztehaus und der Inselakademie haben sie gleich zwei Gebäude des Ensembles Am Inselpark entworfen. 2008 ist ihr InfoPavillon Überseequartier eröffnet worden; der Bau von dessen „großem Bruder“, dem Cinnamon-Turm neben dem Hafenamt, verzögerte sich aber um Jahre, bevor er vor kurzem wieder aufgenommen wurde.

Das Bauvorhaben ist eine Herausforderung. Zum einen ging mit dem Bau des Überseequartiers ein Maßstabssprung einher. Schon das Entree zum Überseeboulevard zeigt mit dem 14-stöckigen Haus Arabica an, dass Kleinteiligkeit hier keine Priorität besitzt. Die Baukörper sind bedeutend größer dimensioniert als im westlichen Teil der HafenCity. Besonders sichtbar wird das am Hafenamt, das mit seinen historischen 4,5 Metern über Normal-Null um eine volle Geschosshöhe unterhalb des neuen flutsicheren HafenCity-Niveaus liegt.

Hafenamt

Dieses Bild des Überseequartiers blieb über Jahre unverändert: links der InfoPavillon, daneben das Hafenamt und dahinter die Baugrube mit dem roten Kran (2)

Bolles + Wilson haben einige radikale Hypothesen formuliert. Das geforderte Raumprogramm für Wohnungen und Gastronomie wurde in einem 56 Meter hohen Turm mit sechs Maisonette-Wohnungen umgesetzt – unmittelbar neben dem Hafenamt. Gleichzeitig haben sie die geplante Markthalle im Hafenamt selbst untergebracht.

Gerade dieser letzte Punkt hatte für Kontroversen gesorgt. Denn um die Markthalle in das Hafenamt zu integrieren, wollten Bolles + Wilson es vollständig aushöhlen und von innen durch eine Betonverschalung konstruktiv stützen. Der Denkmalschutz bezweifelte, „ob das der richtige Umgang mit dem Denkmal“ sei; die komplette Entkernung sei inakzeptabel.

Der Turm wurde hingegen positiv bewertet. Die Preisrichter – neben Oberbaudirektor Jörn Walter auch Kees Christiaanse, Erick van Egeraat und Hadi Teherani – hielten ihn für „ein städtebaulich markantes Zeichen, dem es gelingt, den Maßstabssprung zwischen historischem Gebäude und der zukünftigen Raumkante zu gestalten.“ Aber anschließend lag das Vorhaben lange auf Eis. Dem Vernehmen nach sollen offene Planungsfragen und die gefährdete Statik des Hafenamts zu der Verzögerung geführt haben.

In der Zwischenzeit gab es ein paar Modifikationen. Das Erdgeschoss des Turms wird für Gewerbe freigehalten; darüber sind nun zehn statt sechs Eigentumswohnungen geplant, mit Größen von 130 bis 300 Quadratmetern, einschließlich einem Penthouse über drei Ebenen mit privatem Dachgarten. Bedeutender ist die Überarbeitung des Hafenamt-Konzepts: Dort wird keine Markthalle mehr entstehen, sondern ein benachbartes Hotel wird seine Kapazitäten ausbauen. Und während der Cinnamon-Turm auf flutsicherem Gelände steht, soll das Hafenamt durch die Modellierung des Geländes so freigestellt werden, dass die Fassadenproportionen trotz des Niveauunterschiedes sichtbar bleiben.

Die Arbeiten am Alten Hafenamt werden voraussichtlich im kommenden Jahr beginnen. Der Cinnamon-Turm soll bis Mai 2014 im Rohbau stehen, das Hafenamt im Frühjahr 2015 fertig sein.

Text: Nikolai Antoniadis, Visualisierung: Überseequartier Beteiligungs GmbH (1), Foto: Thomas Hampel (2) 
Quartier 24, Dezember 2013–Februar 2014 , Rubrik:    
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