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Der Querdenker

In seinem repräsentativen Bürogebäude am Kaiserkai spricht der erfolgreiche Kaufmann Horst Rahe über absurde Verkehrsführungen in der HafenCity, wie er die Übernahme Mecklenburg-Vorpommerns durch Bremen verhinderte und über neue Projekte auf Basis exakter Kostenplanungen
Horst Rahe

Horst Rahe – hier in seinem Büro mit Blick auf den Hafen – ist ein präziser Planer (1)

„Ich wundere mich, wie mit den Menschen in der HafenCity umgegangen wird, was die Verkehrsführung angeht“, sagt Horst Rahe und deutet in Richtung Klappbrücke am Sandtorhafen. Wir sitzen in seinem Büro im vierten Stock des Johannes-Dalmann-Hauses mit einem traumhaften Blick auf Hafen und Elbphilharmonie. Im Erdgeschoss betreibt Rahe einen gastronomischen Ableger seines Hotels Louis C. Jacob. Das Carls läuft momentan gut, aber ob das so bleibt? Da die Brücke erneuert wird, können Fußgänger ein Jahr lang den Sandtorhafen nicht überqueren. Der Kaiserkai wird zur Sackgasse.

A-ROSA

Die A-ROSA Flussschiff GmbH gehörte zur Deutschen Seereederei (2)

a-ja Resort

Das erste a-ja Resort eröffnete Ostern 2013 in Warnemünde. Im Prinzip handelt es sich dabei um eine Art „AIDA fürs Land“, wie Horst Rahe es nennt (3)

Eine provisorische Brücke ist der Stadt mit 200.000 Euro zu teuer. „Am Ende des Kaiserkais gibt es viele Kleingewerbetreibende, die davon abhängig sind, dass Menschen hierher kommen. Es gibt keine Parkplätze, ergo können sie nicht mit dem Auto kommen, und viele fahren mit der U-Bahn und müssen dann über die Brücke.“ Rahe fürchtet eine Pleitewelle.

Der Vollblutunternehmer ist ein Spezialist für Zukunftsprognosen. Wobei er, der Betriebswirtschaftslehre, aber auch Soziologie studiert hat, mit Soziologen zusammenarbeitet: „Man muss sich mit den gesellschaftlichen Trends beschäftigen und darüber nachdenken, was die Menschen wollen, was fehlt.“ Gegenüber vom Konzerthaus fehlte ein Restaurant.

Aber die Geschichte von Rahe und der HafenCity beginnt schon, als noch gar nicht feststand, dass die Elbphilharmonie gebaut wird. Seine Deutsche Immobilien AG hatte sich 2006 das Grundstück anhandgeben lassen. „Wir haben immer an die HafenCity geglaubt, und Grundstücke am Wasser sind etwas Schönes.“ Rahe untertreibt, aber solch bodenständiges Understatement charakterisiert den Unternehmer. Die Immobilie ist ein Filetstück, und, wen wundert’s, zum Richtfest im März 2008 waren alle Büros vermietet.

Ein Teil seiner Holding Deutsche Seereederei mit Tochtergesellschaften aus der Immobilien- und Tourismusbranche ist an den Kaiserkai gezogen. Niemand ahnte damals, dass die Elbphilharmonie 2014 noch nicht eröffnet sein würde. Dafür brummt Carls Kultursalon. Ein Mal im Monat treten dort junge Musiker auf, darunter auch Absolventen der Hochschule für Musik und Theater in Rostock, die Rahe mit einer Stiftung unterstützt.

Das Desaster mit der großen Nachbarin sieht der Unternehmer, der Kurator im Freundeskreis Elbphilharmonie + Laeiszhalle ist, entspannt. Es habe Hamburgs Bekanntheitsgrad erheblich gesteigert. Hätten die Planer alles richtig gemacht, wäre schnell klar geworden, dass das Großprojekt nicht finanzierbar sei. Verschmitzt resümiert er: „Ein wenig bösartig kann man sagen, man hat ein bisschen die Augen zugemacht, um das Projekt in Gang zu setzen.“

Im Baugeschäft ist Rahe Profi. Bereits mit 27 sitzt er im Vorstand einer Immobilienfirma, das einzige Angestelltenverhältnis seines Lebens. Der Vertrag mit beidseitiger täglicher Kündigung bedeutet ein Alles-oder-Nichts-Prinzip, das ihm entgegenkommt. Er gründet bald sein erstes eigenes Unternehmen. Der Erfolg ist dem heute 74-Jährigen nicht in die Wiege gelegt: Bei Kriegsende in seiner Geburtsstadt Hannover ist er sechs Jahre alt, erlebt Hunger und Armut. Sein Studium muss er selbst finanzieren, er montiert Blaupunkt-Radios oder reinigt Silos im Hafen.

Resort und Hotel

Zu Rahes Konzern gehören das a-ja Resort und die A-ROSA Resort & Hotel GmbH (4, 5, 6, 7)

Die Erfahrung, wie schwer es ist, mit eigenen Händen Geld zu verdienen, hat ihn geprägt. „Ich gehe nicht verschwenderisch mit Geld um“, sagt Rahe, der auf Listen wie „Die 300 reichsten Deutschen“ auftaucht und das mit einem Kopfschütteln quittiert: „Das ist Unsinn. Reine Raterei.“ Was er verdient, stecke er fast ausschließlich in seine Firmen. Wenn er von seinen Projekten erzählt, leuchten seine Augen, und man merkt dem Mann im blauen Anzug mit den silbernen Seemannsknöpfen sein Alter nicht an. Hotels oder Kreuzfahrten, Gesundheitszentren oder Bürohäuser, viele Geschäfte hat er aufgebaut und dann wieder verkauft. Es geht ihm nicht um Eigentum, ihm ist wichtig, dass er seine Ideen umsetzen kann. Rahe plant präzise. Umso erstaunlicher scheint es, dass er 1993 die Deutsche Seereederei (DSR) übernimmt, Honeckers einstige Vorzeigereederei, damals hochdefizitär. Was ihn gereizt habe an diesem Unternehmen, das als unsanierbar galt? Da erzählt er die Geschichte zweier Zufälle.

Erster Zufall: Horst Matthies, bei der Treuhandanstalt zuständig für die Verkehrsbetriebe, trifft Rahe auf einem Berlin-Flug. Er nimmt ihn im Taxi mit, denn er sucht dessen Rat. Für die DSR hat er nur einen potentiellen Käufer, die Bremer Vulkan Werft. Diese hat schon fast die gesamte Werftindustrie in Mecklenburg-Vorpommern übernommen, eine Vormachtstellung, die Matthies unheimlich ist. Ob Rahe nicht Ideen habe, wie es mit dem Unternehmen weitergehen könne. Dieser schreibt ein Konzept, will daraus aber keine Bewerbung machen.

Louis C. Jacob Hotel

Das Hamburger Traditionshotel Louis C. Jacob (8)

Zweiter Zufall: Bei der Bremer Eiswette – einer traditionellen Kaufmannsveranstaltung – steht Rahe ganz in der Nähe des Vulkan-Vorstandsvorsitzenden Friedrich Hennemann, der ihn aber nicht bemerkt. Er schnappt ein Gespräch auf, in dem es ausgerechnet um die Übernahme der DSR geht: Hennemann sagt, Rahe sei zwar ein guter Mann, aber gegen den Bremer Vulkan habe er keine Chance.

Dieser Satz weckt Rahes Sportsgeist: „Am liebsten mache ich Sachen, von denen jeder sagt: Das geht nicht.“ Er und sein Partner, der Reeder Nicolaus W. Schües, gehen nach Rostock. Statt auf klassische Schifffahrt setzen sie auf Kreuzschifffahrt, Immobilien und Tourismus. Rahe will sich keine Hintertür offenhalten und verschmilzt sein erfolgreiches Hamburger Unternehmen mit der DSR. Der damals 54-Jährige zieht sogar in einen Plattenbau: „Ich wollte kennenlernen, wie die Menschen in Ostdeutschland leben.“

1996 wird das erste AIDA-Clubschiff getauft. Rahe hat die Kreuzfahrt entstaubt, macht die Reisen preiswerter und für breite Schichten attraktiv. Die Banken zweifeln: „Deutsche Kreuzfahrturlauber suchen keine Albernheiten auf dem Wasser.“ Doch der Querdenker weiß es besser, und 1997 schreibt die DSR schwarze Zahlen. Wegen mangelnder Liquidität – zwei neue Schiffe werden gebraucht – tut er sich mit der britischen P & O Cruises zusammen, alles läuft hervorragend. Dann strauchelt P & O auf dem Börsenparkett: 2003 wollen die Briten die Nummer zwei in der Kreuzschifffahrt kaufen, Royal Carribean, P & O wäre Weltmarktführer. Aber das größte Kreuzfahrtunternehmen, die amerikanische Carnival, schlägt zurück und versucht, gemeinsam mit Hedgefonds, eine feindliche Übernahme von P & O. Das Ergebnis: Carnival gewinnt den Machtkampf, und Rahe muss seine Aktien verkaufen, mit großem Gewinn und einer gesicherten Perspektive für den Standort Rostock.

„Das ist militärisch organisiert und zentral gesteuert. Ich habe Erfahrungen aus der Kreuzschifffahrt, wo ich jeden Tag auf den Pfennig genau wusste, was ein Gast kostet“

Der Kaufmann tut, was er immer tut, er verwirklicht neue Ideen. Sechs Jahre hat er nachgedacht, bis er mit dem Konzept der a-ja Resorts an die Öffentlichkeit geht. Der Gast zahlt pro Nacht 39 Euro und kann vom Wellness-Angebot zusätzlich das buchen, was er wirklich nutzt. „AIDA fürs Land“, formuliert es Rahe griffig. Eines seiner weiteren Themen ist der Gesundheitstourismus, den er erschwinglich machen will. Drei Trends spielen bei seinen Überlegungen eine Rolle: „Wir werden immer älter, wir werden leider im Durchschnitt immer ärmer, und wir werden immer gesundheitsbewusster.“

Sein neuestes Projekt sind möblierte Wohnungen in Metropolen, sehr fein, auf höchstem Niveau, für 399 Euro pro Apartment plus Nebenkosten. Zur Zielgruppe gehören Krankenschwestern, Hotelmitarbeiter, aber auch Studenten. Ohne effiziente Strukturen rechnet sich das nicht: „Das ist militärisch organisiert und zentral gesteuert. Ich habe Erfahrungen aus der Kreuzschifffahrt, wo ich jeden Tag auf den Pfennig genau wusste, was ein Gast kostet.“

Es überrascht wenig, dass der 74-Jährige nicht daran denkt, sich aus dem Geschäftsleben zurückzuziehen: „Unternehmer sein, ist ein Zustand. Entweder man ist es oder man ist es nicht.“

AIDA-Clubschiffe

Die AIDA-Clubschiffe hat inzwischen ein anderes Kreuzfahrtunternehmen übernommen. Die charakteristische Bemalung mit rotem Mund (wie auch auf den A-ROSA Flussschiffen) und Augen ist aber geblieben (9, 10, 11, 12, 13)

Text: Bettina Mertl-Eversmeier, Fotos: Thomas Hampel (1), A-ROSA Flussschiff GmbH (2, 10, 11), a-ja Resort und Hotel GmbH/Frank Siemers (3, 4, 7), A-ROSA Resort und Hotel GmbH (5, 6, 12), Hotel Louis C. Jacob (8), AIDA Cruises (9, 13)
Quartier 25, März–Mai 2014 , Rubrik:    
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