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Forschungsobjekt

Eines der Leuchtturmprojekte der HafenCity hat endlich seine Türen geöffnet, die HafenCity Universität. Vieles ist noch unfertig, aber der Lehr- und Forschungsbetrieb läuft mit Beginn des Sommersemesters
HafenCity Universität

Unverbauter Elbblick und eine Promenade, an der die Studenten die Sonne genießen können (1)

Seit April pulsiert das Leben im Elbtorquartier. Angehende Architekten und Bauingenieure, Stadtplaner und Vermessungsingenieure wuseln durch das Foyer und über die Treppen ihres neuen Unigebäudes oder genießen den sensationellen Elbblick. Zum Sommersemester 2014 ist die HafenCity Universität (HCU) in den Stadtteil gezogen, dessen Namen sie trägt.

„Universität für Baukunst und Metropolenentwicklung“ lautet der Namenszusatz der Uni, die 2006 aus Fachbereichen der Hochschule für bildende Künste, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften und der TU Harburg gegründet wurde. Die HCU vereint alle Studiengänge, die sich mit der gebauten Umwelt beschäftigen, was einzigartig ist in Europa. So erschien es selbstverständlich, dass auch das Gebäude einzigartig werden musste. Walter Pelka, seit 2010 Präsident der HCU, steht der Entscheidung der Jury, die 2007 den Entwurf des Dresdner Büros Code Unique ausgewählt hat, nicht ganz unkritisch gegenüber: „Dieses Gebäude ist eine wunderschöne Skulptur. Ich glaube aber, man hat ein bisschen zu sehr auf Ästhetik und vielleicht zu wenig auf Funktionalität geachtet.“ Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt, deren Behörde die Bauherrin der Universität ist, stellt fest: „Die ambitionierte Architektur hat erhebliche bautechnische Probleme ausgelöst.“

In der Tat ist der Neubau beeindruckend. Eine monumentale Glashalle verbindet Nord- und Südflügel. Der Besucher staunt über weitgehend frei schwebende Gebäudespitzen, insbesondere über die westliche am Wasser, die 14 Meter vorspringt. Genau diese Ecke aber sollte sich beim Bau als zentrale Schwierigkeit erweisen. Vorgesehen waren schlanke Decken und wenige Stützen. Der diagonale Träger ist direkt in die Decken des Gebäudeteils eingespannt, was bedeutet, alle Stockwerke müssen gebaut sein, damit die Statik funktioniert. Bei einem herkömmlichen Projekt dauert die sogenannte Durchsteifung vier Wochen. Das Material muss aushärten, um eine ausreichende Tragfähigkeit zu entwickeln. Mit diesen vier Wochen hatten die Verantwortlichen kalkuliert, und die Bürgerschaft hatte im Jahr 2009 ein Baubudget in Höhe von 65,8 Millionen Euro bewilligt. Doch die Durchsteifung der Decken sollte sich 15 Monate hinziehen.

Nachfolgende Arbeiten wie der Innenausbau und die technische Gebäudeausrüstung konnten erst viel später beginnen. So waren bei zahlreichen Gewerken die Bindungsfristen abgelaufen. Manche standen zum gewünschten Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung. Neue Angebote mussten eingeholt werden, die Baupreise waren zwischenzeitlich gestiegen, und für die bisherigen Standorte der HCU mussten Mieten für längere Zeiträume bezahlt werden.

Dorothee Stapelfeldt

Dorothee Stapelfeldt, Zweite Bürgermeisterin und Senatorin der Behörde für Wissenschaft und Forschung (2)

„Ein eigenes Gebäude ist bedeutsam für die Identität der Universität, denn das fächerübergreifende Arbeiten ist die Kernidee der HCU“

 Aber im Gegensatz zur Elbphilharmonie traten Wissenschaftsbehörde und Unileitung frühzeitig auf die Kostenbremse. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe strich so ziemlich alles, was nicht unbedingt nötig war. Auf die „wunderschöne Recyclingglasfassade verzichten zu müssen, tat weh,“ bekennt Pelka. Auch Decken- und Wandverkleidungen wurden eingespart, für die Böden wurden Teppich und Kautschuk durch Linoleum ersetzt. Die Wände sind jetzt fast alle betongrau – aus Brandschutzgründen dürfen nicht einmal Bilder aufgehängt werden. In den Decken sind Löcher an Stellen, wo keine hingehören, und Drähte hängen herunter. „Deckenverkleidungen hätten die Masse an unglücklicher Planung seitens der technischen Gebäudeausrüstung verdecken können“, bedauert Pelka. Die Wissenschaftssenatorin versichert: „Wo es Mängel gibt, müssen diese selbstverständlich beseitigt werden.“

Immerhin: durch die Streichungen konnten etwa 9 Millionen Euro eingespart werden. Stapelfeldt lobt die gute Zusammenarbeit: „Die HCU und die Bauleitung haben sich wirklich angestrengt, die Baukosten zu senken, um im Budget zu bleiben. Dabei haben wir stets darauf geachtet, dass die Funktionalität des Gebäudes nicht beeinträchtigt wird. Bei objektiv notwendigen Maßnahmen muss man dann leider mit Mehrkosten umgehen.“ Um die wesentlichen Mehrkosten abzudecken, hat der Senat der Bürgerschaft eine Drucksache vorgelegt, nach der diese Mittel in Höhe von 15,5 Millionen Euro bewilligen soll. Ob die Bürgerschaft zustimmt, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Endgültige Zahlen kann die Wissenschaftsbehörde erst nennen, wenn sie alle Nachforderungen der Bauunternehmen überprüft hat.

Nach dem Amtsantritt der Senatorin mussten Stapelfeldt und Pelka zunächst die massive strukturelle Unterfinanzierung der HCU beheben, die auf Fehler in der Gründungsphase zurückzuführen war. Gemäß der Hochschulvereinbarung vom September 2012 gleicht die Behörde einen Teil des Defizits durch Haushaltsmittel aus, den anderen Teil muss die Universität einsparen. Eine neue Bau-Uni zu bilden aus Studiengängen dreier unterschiedlicher Hochschultypen, einer Kunsthochschule, einer Fachhochschule und einer technischen Universität, war mit Reibungsverlusten verbunden. Auch die Zahl der Immatrikulationen war zu stark gestiegen.

Walter Pelka

Walter Pelka, Präsident der HafenCity Universität (3)

„Der Einzug ist ein wichtiger Meilenstein für die HafenCity Universität, der jede Menge Energie freisetzt. Das ist jetzt die HCU 2.0“

Letzteres erklärt die verschiedentlich geäußerte Kritik, der Neubau sei zu klein. Tatsächlich hatten die Verantwortlichen zunächst mit 1.500 Studenten kalkuliert. Die aktuelle Zahl von 2.500 bezieht sich auf alle an der Uni immatrikulierten Studenten, von denen aber nur 1.600 Studierende in Regelstudienzeit sind. Die HCU hat sich verpflichtet, die Zahl der Studierenden in Regelstudienzeit auf 1.400 zu reduzieren. Als weiteres „Ventil“ (Pelka) dient das Projekt „studentische Ateliers im Oberhafen“. Auf rund 1.000 Quadratmetern in ehemaligen Güterhallen erhalten die Studenten zusätzliche Arbeitsplätze, die sie selbst gestalten.

Zurzeit muss Pelka dafür sorgen, dass die Baumängel behoben werden. Die Aufnahme des Betriebs an der Elbe ist „ein wichtiger Meilenstein für die HCU“. Schließlich ist ihre Kernkompetenz die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die sich nur schwer umsetzen lässt in einer Uni, die sich auf sechs verschiedene Standorte zwischen Uhlenhorst, der City Nord und der City Süd verteilt. Ein Losverfahren diente dazu, die Arbeitsplätze der Professoren fachübergreifend zu mischen. So befinden sich jetzt beispielsweise die Räume eines Bauingenieurs neben denen eines Architekturhistorikers.

 Den Umzug von sechs Standorten als „logistische Herausforderung“ zu bezeichnen, empfindet Pelka als „die Untertreibung des Jahres“. Das Gebäude sei nur „scheibchenweise“ übergeben worden. Immer wieder verschobene Termine hätten die verlässliche Planung erschwert. Dass der Umzug „überhaupt so gut funktioniert hat, ist ein Wunder“. Ob wirklich metaphysische Kategorien herangezogen werden müssen? Pelka jedenfalls vermittelt den Eindruck eines Pragmatikers und erfahrenen Managers. Man merkt ihm an, welchen Spaß er dabei empfindet, derart komplexe Aufgaben zu lösen.
Text: Bettina Mertl-Eversmeier, Fotos: Thomas Hampel (1, 3), Jonas Wölk (2)
Quartier 26, Juni–August 2014 , Rubrik:    
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