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Heimlich, still und Zeise

Es ist beschlossen, Scholz & Friends ziehen nach Ottensen. Aber was hier kaum bekannt ist, hat dort bereits massive Proteste ausgelöst

HTC

Scholz & Friends werden ihre Büros im Hanseatic Trade Center verlassen. Wer 2017 dort einziehen wird, ist noch nicht entschieden. (1)

Was hier im Quartier noch gar nicht richtig durchgesickert ist, hat ein paar Kilometer elbabwärts schon für einen neuen Höhepunkt in der Gentrifizierungsdiskussion gesorgt: Hat der Bezirk ein prominentes Grundstück erst mit Preisnachlass für den geförderten Wohnungsbau vergeben und dann untätig zugesehen, wie es für die Niederlassung einer internationalen Holding verplant wird? Das stadteigene Grundstück neben den Zeisehallen, auf dem der Neubau für Scholz & Friends und weitere Töchter des britischen Werbe- und Medienkonzerns WPP entstehen soll, hat eine traurige Geschichte. Jahrelang hat man vergeblich versucht, es zu vermarkten. Für ein Multiplex-Kino, für die Theaterakademie, für die Kreativwirtschaft. Auch der Inhaber der Zeisehallen, die Hamburger Firma Procom Invest, hat sich lange damit befasst, für die Zentrale von Greenpeace, die dann an den Magdeburger Hafen zog, für Beiersdorf. Alles umsonst. Seit Jahren wird die Fläche ausschließlich als Parkplatz für das Zeisekino benutzt.

Wohnungen wurden hier lange nicht geplant. Das änderte sich, als 2010 im Zuge der „Wohnungsbauoffensive“ in der ganzen Stadt händeringend nach Potenzialen für Wohnraum gesucht wurde. Wohnungswirtschaft, Genossenschaften, Bauträger und Projektentwickler sollten anzeigen, auf welchen städtischen Flächen sie Wohnungen bauen könnten. Ideen, die mehr als zehn Wohnungen in Aussicht stellten, würden beim Grundstücksverkauf bevorzugt. Procom entwickelte einen Vorschlag für den Parkplatz, es gab einen Architektenwettbewerb mit einem Gewinner, dem Ottensener Büro LRW Loosen, Rüschoff + Winkler: ein großer Wohnblock mit grünem Innenhof, Ateliers, im Erdgeschoss eine Drogerie, ein Bäcker, ein Café, ein Biomarkt. Und 86 Mietwohnungen, etwa die Hälfte davon gefördert. Als das Vorhaben im Januar 2014 öffentlich wurde, stieß es auf große Zustimmung.

Dann wurde aber nicht wie angekündigt mit dem Bau begonnen. Stattdessen wurde bekannt, dass Procom dort mit Quantum Immobilien ein Bürohaus bauen wollte, für 850 Mitarbeiter von verschiedenen WPP-Töchtern aus Hamburg. Nachdem man zwei Jahre lang davon ausgegangen war, hier würde bezahlbarer Wohnraum entstehen, löste die Nachricht heftige Kritik aus. Innerhalb von nur zwei Wochen unterzeichneten über 1.000 Personen eine Online-Petition. „Statt Wohnungen“, hieß es dort, „soll nun ein riesiger Bürokomplex für eine der größten Werbeagenturen der Welt entstehen.“

Die Bezirkspolitik zeigt sich aber überwiegend erfreut. Dass der Wohnungsbau nicht stattfindet, wird zwar bedauert, aber die Ansiedlung eines so renommierten Konzerns wiegt diesen Verlust für die meisten Parteien auf. Wohnungen werde man eben an anderer Stelle realisieren. Keine Spur von der Dringlichkeit, die den Ideengeber-Wettbewerb veranlasst hatte, sogar Flächen wie den Zeise-Parkplatz zu aktivieren, auf dem Wohnen planrechtlich nicht vorgesehen ist und der auch weiterhin Parkplätze für das Zeisekino bereithalten muss. Flächen für Wohnungen gebe es ja in der „Mitte Altona“ genügend.

Die „Überparteiliche Bürgerinitiative Pro Wohnen Ottensen“, die von Prominenten wie Fatih Akin, Johannes Oerding und Nina Petri unterstützt wird, hat nun auf ihrer Webseite einen offenen Brief an WPP-Chef Martin Sorrell veröffentlicht. Darin wird ihm mitgeteilt, „eigens für international agierende Unternehmen wie die WPP Group hat die Stadt Hamburg mit erheblichem Aufwand unter anderem die begehrtesten Flächen in der HafenCity erschlossen. Sie beschäftigen die kreativsten Köpfe der Stadt. Nutzen Sie diese Kreativität dazu, die HafenCity lebenswert zu machen“. Die HafenCity würde sich sicherlich freuen. Die Sache ist aber entschieden: Im vergangenen September hat der Bezirk dem Verkauf des Grundstücks zugestimmt; Anfang 2015 soll der Bau begonnen werden, 2017 der Umzug von Scholz & Friends stattfinden.

ZeiseStudios

Der Entwurf der neuen WPP-Zentrale von Störmer Murphy and Partners

Text: Nikolai Antoniadis, Foto: Jonas Wölk (1), Visualisierung: moka-studio ⁄ Quantum Projektentwicklung GmbH ⁄ www.zeise2.com (2)
Quartier 28, Dezember 2014–Februar 2015 , Rubrik:    
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