« Zurück zur Übersicht

Soul Miusic

Miu kommt aus Hamburg, probt in der HafenCity – und klingt, als wäre sie aus Memphis

Miu

Ebenso sensibel wie kraftvoll: Sängerin Miu, in Szene gesetzt im historischen Speicherblock V

Bad decisions make good stories. Und zu denen würde natürlich auch diese Geschichte gerne zählen. Aber die 27-Jährige aus Eidelstedt, von der sie erzählen will, sieht nicht aus, als hätte sie die falsche Entscheidung getroffen, als sie ihren Job in einer Werbeagentur kündigte, um sich mit blasser Haut und blonden Haaren ihrer Musik zu verschreiben.

„Livin’ It Up the way I like“ beginnt ihre zweite Mini-CD, ein Song, aus dem auch die Zeile mit den bad decisions stammt. Miu erinnert dabei ein wenig an Amy Winehouse. Solche Unabhängigkeitserklärungen kann sie sich leisten, weil sich ihre angerauhte Stimme bittersüß nach gelebtem Leben anhört – und so gar nicht akademisch nach jenem Popkurs an Hamburgs Musikhochschule, der ihr den letzten Kick gegeben hat in Richtung Songs schreiben und auf die Bühne bringen.

Mius Heimspielbühne findet sich gleich überm Probenraum ihrer Band in der HafenCity. Das 25hours Hotel stellt ihn zur Verfügung: „Ihr zahlt bei uns keine Miete, sondern macht stattdessen Musik.“ Nichts lieber als das, meint Miu, da ist es dann auch okay, wenn die Bühne zu einem Restaurant gehört, und bei der HEIMATmusik am Freitag lokale Bands nach der Hüfte vom Holsteiner Salzwiesenlamm in erster Linie für musikalischen Hintergrund sorgen. Aber wenn’s ganz heftig groovt, wird hier auch die Hüfte vom Eppendorfer Nerd geschwungen, und „es gibt ’ne Menge Leute, die uns richtig zuhören“, betont Miu. „Wir spielen auch gerne in anderen 25hours Hotels, in Wien zum Beispiel oder in Frankfurt.“ Am Main war ein Ehepaar vom archaisch klingenden, mit Pop, Funk und Jazz gewürzten Retro-Soul der Band so begeistert, dass es mehr als die halbe Summe beigesteuert hat beim Crowdfunding für Mius „Zweitwerk“.

„Complicated Issues“ bringt mit nur fünf Songs auf den Punkt, was diese Band drauf hat. Knochentrocken das E-Bass-Ploppen, aber auch die Bläsersätze, die knapp gehalten sind wie die gesamten Arrangements, auch wenn wie bei der Ballade „Mirror“ mal Streicher ins Spiel kommen. Songs schreiben und die Texte dafür, das ist Miu nicht weniger wichtig, als sie dann zu singen – mit ihrer „Wir lieben uns alle sehr“-Band, die sie 2012 nach einem Abstecher nach New York ins Leben rief.

Am Schauplatz wichtiger Bewährungsproben für ihre Heldinnen des Soulgesangs hatte sie es einfach mal versucht und sich um einen Kurzauftritt bei den berühmten „Singer Songwriter Sessions“ im „Bitter End“ beworben. Nicht irgendein Club im Herzen von Greenwich Village, sondern Legende pur: Stevie Wonder, Donny Hathaway, Marvin Gaye, Curtis Mayfield, Bill Withers – alle waren sie da in jungen Jahren. „Und ich durfte dort 20 Minuten spielen. Es hat jede Menge Spaß gemacht, obwohl ich mich selbst am Klavier begleiten musste, und das ist eigentlich nicht so mein Ding.“

Ein Klavier, ein Klavier. Stand ganz am Anfang. Die siebenjährige Miu wollte unbedingt eines haben, um Songs von Alicia Keys oder Christina Aguilera auszuprobieren. Bald kam die Neugier auf Sängerinnen, die niemand kannte im Kreis ihrer Freundinnen: Jazzlegenden wie Ella Fitzgerald und Dinah Washington. Mit 17 dann kleine Jobs bei Coverbands, aber schließlich auch größere Herausforderungen: „Mich hat ganz überraschend jemand vom Ensemble Resonanz angerufen. Die Sängerin war ausgefallen, und ich saß verdutzt vor 84 Seiten Partitur mit häufig wechselnden, oft krummen Taktarten.“

„Complicated Issues“ – aber doch nur auf musikalischer Ebene? „Nein. Auch im Leben. Ich kann nun mal nicht einfach. Als ob ich’s so haben wollte, gerate ich immer wieder in komplizierte Situationen. Höre im Treppenhaus ein jämmerliches Miauen. Rufe den Hausmeister an, bringe das herrenlose Kätzchen ins Tierheim. Abends klingelt der Typ von gegenüber bei mir: Ob ich seine Mieze gesehen hätte …“

Meistens melden sich die Leute aber, weil sie Miu vermissen oder eines ihrer Videos gesehen haben, in denen sie verführerisch mit einer gewissen Ähnlichkeit zu Marilyn Monroe spielt. Miu weiß wohl, dass sie unwiderstehlich wirkt, wenn sie einen ganz kleinen Flunsch zieht. Aber dass ihre Entscheidung für die Karriere als Sängerin keine bad decision war, hat eine grundsolide Basis: „Musik ist ganz klar mein Ding. Ich will es wissen. Dass es gut läuft, hat sicher auch mit Zuverlässigkeit zu tun.“ Can reliability make a good story? Wenn die Zuverlässige so lebenslustig musikverrückt ist wie Miu, kommt garantiert keine Langeweile auf. Brave Mädels lassen sich nicht „be weird“ auf den linken Arm tätowieren und „be gorgeous“ auf den rechten. Sei schräg und großartig!

 

Konzerttermine

19. Dezember 2014 25hours Hotel/HafenCity
31. Dezember 2014 Renaissance Hotel/broscheks Restaurant
22. März 2015 CARLS Kultursalon/HafenCity

www.miu-music.de

Text: Klaus von Seckendorff, Foto: Astrid Hüller, Jonas Wölk, Haare & Make-up: Teresa König und Wimpernrausch
Quartier 28, Dezember 2014–Februar 2015 , Rubrik:    
« Zurück zur Übersicht