« Zurück zur Übersicht

Höher, tiefer, dichter

Seit dem Umzug der SPIEGEL-Gruppe in die HafenCity im Jahr 2011 stehen Spiegel-Hochhaus und IBM-Gebäude leer. Im Dezember 2014 hat eine Kanzlei mit 240 Mitarbeitern den Mietvertrag für die ehemalige SPIEGEL-Zentrale unterschrieben


Spiegel-Kantine

Die SPIEGEL-Kantine landete nach dem Umzug der SPIEGEL-Gruppe auf die Ericusspitze im Museum für Kunst und Gewerbe. Dort ist die denkmalgeschützte Ikone der Popkultur in Teilen wieder aufgebaut und seit Herbst 2012 der Öffentlichkeit zugänglich (1)

Schutt, Baugruben, Gerüste – derzeit macht die „SPIEGEL-Insel“ im Scheitel von Dovenfleet und Willy-Brandt-Straße einen eher trostlosen Eindruck. Ging man früher von der U-Bahn-Station Messberg in Richtung Speicherstadt, blickte man auf die Kantine, in der Designer Verner Panton sein Farbspiel aus Orange-, Rot- und Lilatönen getrieben hatte. Ende September 2011 war der Umzug der SPIEGEL-Gruppe auf die Ericusspitze abgeschlossen, und die Kantine landete im Museum für Kunst und Gewerbe. Dort ist die denkmalgeschützte Ikone der Popkultur in Teilen wieder aufgebaut und seit Herbst 2012 der Öffentlichkeit zugänglich.

Auch die beiden Hochhäuser stehen unter Denkmalschutz als typische Baukunst der 60er Jahre. Der für seine Hamburger Nachkriegsbauten berühmte Architekt Werner Kallmorgen hatte die Fassade des 1967 fertiggestellten IBM-Turms als – damals moderne – Hollerith-Lochkarte gestaltet. Beim SPIEGEL-Hochhaus von 1968 orientierte sich Kallmorgen an Mies van der Rohe und der Geradlinigkeit des Bauhausstils. Seit 1994 saß die SPIEGEL-Gruppe in beiden Gebäuden.

Schon 2009 hatte die Stadt einen Wettbewerb ausgelobt und nach Ideen gesucht, wie das zentral gelegene Areal neu genutzt werden könne. Die Bauten an der stadtbildprägenden Stelle sollten auf keinen Fall lange Zeit leer stehen. Gewonnen hatte das Düsseldorfer Architekturbüro Rhode Kellermann Wawrowsky. Was folgte, war ein ziemliches Kuddelmuddel: Der Siegerentwurf sah vor, dass vor allem Wohnungen entstehen sollten. Gutachten hatten jedoch zwischenzeitlich ergeben, dass sich das Gelände wegen hoher Lärm- und Abgasemissionen nicht für eine Wohnbebauung eigne.

Ohne feste Mietzusagen wollte der damalige Eigentümer, die IVG Immobilien AG, die Gebäude nicht sanieren. Bei der Diskussion über unterschiedliche Nutzungen tat sich Unternehmer Benjamin Storm hervor mit seinem Konzept für eine „Internet-Insel“, einem Campus für Hamburgs digitale Wirtschaft mit günstigen Bedingungen für Start-ups.

Diese Überlegungen hatten sich erledigt, als im Sommer 2012 HOCHTIEF Solutions das 7.700 Quadratmeter große Areal erwarb. Zunächst waren es aber keine Baumaschinen, die anrückten. Anfang Juni 2013 besetzten Aktivisten des Antigentrifizierungs-Netzwerks „Recht auf Stadt“ nachts die Räume der ehemaligen SPIEGEL-Kantine und veranstalteten eine Protestparty. Ihre Nutzungsvorschläge: Studentenwohnheim oder Flüchtlingsunterkunft.

Spiegel-Insel

Die beiden als Solitäre errichteten Hochhäuser werden durch massive Verdichtung des Geländes zu Akzenten in einer beinahe geschlossenen Blockbebauung (2)

Am 20. Juni 2013 fand wieder eine Party statt, diesmal ganz offiziell. Im Innenhof stellte HOCHTIEF unter dem Motto „Alles auf Anfang“ das Konzept der Hamburg Heights vor – so der neue Name des Quartiers. Neben Büroflächen sollten Gastronomie, Einzelhandel oder Freizeiteinrichtungen Platz finden. Hochtief prüft derzeit die Möglichkeit, Flächen für Wohnungen und eine Hotelnutzung zu schaffen. Sorina Weiland, Pressesprecherin des Bezirksamts Hamburg-Mitte, sagt: „Wenn ausreichender Lärmschutz erbracht wird, wäre Wohnungsbau möglich.“ Die Pressestelle der jetzt zuständigen Hochtief Projektentwicklung weist darauf hin, dass ein Teil des Lärms geschluckt werde, weil das Areal durch drei weitere Hochhäuser verdichtet wird. Im Herbst 2013 begann die Entkernung der Kallmorgen-Hochhäuser, im Juni 2014 wurden die Flachbauten abgerissen. Die Verdichtung des Geländes ist unter Architekten nicht unumstritten. Gehen doch die Sichtachsen verloren, die den Durchblick beispielsweise auf die historische Speicherstadt ermöglichen.

Spiegel-Insel

So soll sie vom Zollkanal aus aussehen, die neue „SPIEGEL-Insel“, die nach ihrer geplanten Fertigstellung im Januar 2016 „Hamburg Heights“ heißen wird (3)

Ein Animationsfilm der Düsseldorfer Agentur Cadman, Spezialist für die Vermarktung von Luxus-Immobilien, verleiht den Innenansichten von SPIEGEL-Hochhaus (Height 1) und IBM-Gebäude (Height 2) einen edlen Lounge-Charakter. Für Height 1 hat die Kanzlei MDS Möhrle/Happ Luther im Dezember 2014 den Mietvertrag unterschrieben. Die Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwälte werden mit 240 Mitarbeitern die komplette Mietfläche belegen. Kurz darauf erwarb eine Tochtergesellschaft der Berenberg Bank das in der Modernisierung befindliche Bürodenkmal. Im Januar 2016 soll es bezogen werden.

Text: Bettina Mertl-Eversmeier; Foto: Thomas Hampel (1); Visualisierungen: HOCHTIEF Projektentwicklung (2, 3)
Quartier 30, Juni–August 2015 , Rubrik:    
« Zurück zur Übersicht