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Alle Wetter

Alle reden übers Wetter. Nur nicht Michael Batz. Für ihn zählt Wahrnehmung und Wagemut

Michael Batz

Wer wie wir vom Theater in der Speicherstadt jeden Sommer wieder antritt, um im Hamburger Hafenquartier eine Open-Air-Bühne aufzuschlagen, redet nicht über das Wetter. Darüber gibt es auch nichts zu sagen, denn erstens ist es da, und zweitens lässt es sich nicht kontrollieren, beeinflussen oder beschwören, was wir natürlich insgeheim ständig tun, wenn Wolken aufziehen. Unsere tägliche Wette mit dem Wettergott nennen wir Zuversicht, gestützt auf Wagemut, etwas Leichtsinn und die Tatsache, dass wir  bereits 22 Jahre entgegen aller Wahrscheinlichkeitstheorien überlebt haben. Für das wirklich Gute muss man schließlich überall im Leben Risiken eingehen, warum sollte es vor dem Kesselhaus anders sein?

Nun ist es aber so, dass andere über das Wetter reden, aus gegebenem Anlass oder, und das fiel in diesem Jahr auf, aus Faszination für das Katastrophale. Allen voran die Wetterdienste, die aus datengestützten Vorhersagen geradezu apokalyptische Prophezeiungen werden ließen, alles im höchsten Superlativ. Da war von schwersten Unwettern die Rede, von extremem Starkregen, von gewaltigen Sturm- und Gewitterfronten, von Katastrophen-Szenarien mit entsprechendem Vokabular. Die Nachrichten brachten laufend Unwetterwarnungen, bezüglich lang andauernder Regenfälle und heftigster Turbulenzen. Die gab es dann in der Tat, nämlich am Telefon auf vier Leitungen: Man müsse unbedingt die Vorstellungen absagen, es würde ja demnächst die Welt untergehen, weil man es so gesagt bekommt.

Nun kann man glauben, was man gesagt bekommt, vor allem von Medien, die von allen Möglichkeiten schon aus Aufmerksamkeitsgründen immer die schlimmste posaunen. Oder man kann glauben, was man sieht, nämlich mit eigenen Augen. Und da zählt letztlich nicht mediale Beschwörung, sondern der Himmel am konkreten Ort, exakt vor dem Kesselhaus. An den sogenannten Katastrophen-Abenden fiel dort während der Vorstellung nicht ein Tropfen Regen. Ja, sicher, unwahrscheinliches Glück, denn woanders ist ja was passiert, ja, auch ein magischer Moment, wieder mal. Aber irgendwie auch die Belohnung für eine Haltung, sich nicht nur steuern zu lassen, sondern mit eigener Wahrnehmung durch die Welt zu gehen und zu schauen, was tatsächlich passiert.

Auch wir wissen, dass sich das Klima verändert, auch wir merken, dass hier und da Heftigkeiten zugenommen haben. Auch uns ist klar, daß Himmelsphänomene unberechenbar sind, zumal in Zeiten des massenhaften CO2. Aber seriöse Warnungen, für die wir danken, sind das eine. Flächendeckende Rhetorik, die teilweise schon an Panikmache grenzt, ist das Letzte. Zum Glück ist es trotz zahlreicher Wetter-Apps ja nicht ausgeschlossen, sich seiner eigenen Wahrnehmung zu bedienen.

Text: Michael Batz, Foto: Astrid Hüller
Quartier 31, September–November 2015 , Rubrik: ,    
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