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Kleiner Grasbrook, große Pläne

Hoffen und Bangen: Bei den Vorbereitungen für Olympia kommen sich Hafenwirtschaft und Stadtentwicklung in die Quere

Olympia

Hafenwirtschaft: Bis heute wird der Kleine Grasbrook intensiv für Umschlag und Lagerung genutzt (1)

Alles war wunderbar. Olympia in Hamburg! Nachdem der Deutsche Olympische Sportbund der Hansestadt den Zuschlag gegeben hatte, verbreitete sich eine Euphorie wie man sie seit der Entscheidung für die Elbphilharmonie nicht mehr erlebt hatte. Da sprach Tristram Carfrae vom britischen Ingenieurbüro Arup vielen aus dem Herzen, als er bei einer Informationsveranstaltung im Juni feststellte: „Keiner anderen Stadt in der Welt steht eine so wunderbare zentrale Fläche zur Verfügung, die gleichzeitig die Möglichkeit bietet, sich mit der Stadt zu verbinden.“

Aber, wie so oft gab es einen Haken. Die zentrale Fläche steht nicht wirklich zur Verfügung. Der Kleine Grasbrook, von dem die Rede ist und auf dem das Olympische Dorf, das Stadion, die Schwimmhalle und nach den Spielen dann Olympic City entstehen sollen – der Kleine Grasbrook wird von Hafenbetrieben genutzt. Allein die HHLA beschäftigt dort 1.000 Mitarbeiter. Wo heute die UNIKAI Lagerei- und Speditionsgesellschaft arbeitet, sollen 2024 bis zu 70.000 Menschen im Olympiastadion feiern. Der Umschlag am O’Swaldkai würde für eine Schwimmhalle aufgegeben, und wo das Frucht- und Kühlzentrum Obst aus Übersee lagert, soll das Olympische Dorf entstehen: mit etwa 10.500 Athleten eher eine Kleinstadt. Dabei ist die HHLA, die zu 68 Prozent der Stadt Hamburg gehört, das kleinere Problem. Schwieriger stellt sich die Lage für die privaten Unternehmen dar, auch für die, die nicht umgesiedelt werden müssen, sondern unter der zu erwartenden Verkehrsbelastung leiden werden, zum Beispiel wenn die Großbaustellen jahrelang über den Veddeler Damm beliefert werden oder die Straße Am Windhukkai als Zufahrt zum Medienzentrum in den 50er Schuppen gebraucht wird.

Hamburgs Hafenwirtschaft stimmte deshalb nicht so richtig ein in die Olympiabegeisterung. Schon bevor der DOSB sich für Hamburg ausgesprochen hatte, meldete der Unternehmensverband Hafen Hamburg Bedenken an. Natürlich sei er für Olympia, natürlich könne auch der Hafen dadurch profitieren. Aber: Die Hafenwirtschaft brauche Sicherheiten. Einschränkungen durch die Bauarbeiten seien nicht akzeptabel. Auch Einschränkungen durch Olympia nicht. Etwa wenn die Anfahrt zum Zollamt Windhukkai eingeschränkt würde und dann jeder, der etwas zu verzollen hat, nach Waltershof müsste und dadurch neue Verkehrsprobleme geschaffen würden. Man verlangte daher, dass die Großbaustellen allein auf dem Wasserweg beliefert werden. Vor allem aber sollte eine Nachnutzung des Geländes für den Wohnungsbau ausgeschlossen werden, zumindest im westlichen Teil des Kleinen Grasbrook, weil daraus eine nicht überschaubare Flut an Klagen wegen Emissionen und Lärmbelastung resultieren würde. Und natürlich sollte Olympic City als neues Wohngebiet im Osten des Areals nur dann in Betracht kommen, wenn sich das Internationale Olympische Komitee tatsächlich für die Hansestadt entschiede. Erst danach dürfe auch die Umsiedlung von Betrieben in Angriff genommen werden.

Wohnungen auf dem Kleinen Grasbrook sind ein hafenwirtschaftlicher Albtraum, der sich in regelmäßigen Abständen manifestiert – und genauso regelmäßig von der Stadt dementiert wird

Diese Forderungen wurden auf die eine oder andere Weise immer wieder vorgetragen: Im Februar, im März, im Juni machte der Unternehmensverband Hafen Hamburg seine Ansprüche sogar ultimativ zur Bedingung für eine Kooperation bei der Olympiabewerbung und verlangte vom Senat bis zum 15. September Garantien. Die Stadt wiederum bekräftigt regelmäßig, die Forderungen der Hafenwirtschaft zu beherzigen, aber irgendetwas scheint zu haken. Das Misstrauen ist groß. Besonders das Thema Wohnen geht im Hafen um wie ein Gespenst. Nachdem Kees Christiaanse (KCAP) und Nikolaus Goetze (gmp Architekten) erste Varianten eines Olympia-Masterplans am 2. Juni vorgestellt hatten, will man bei diesem Anlass von Oberbaudirektor Jörn Walter gehört haben, der Kleine Grasbrook werde auch dann mit Wohnungen bebaut, wenn die Olympia-Bewerbung nicht erfolgreich verlaufe. Ein hafenwirtschaftlicher Albtraum, der sich in regelmäßigen Abständen manifestiert – und genauso regelmäßig von der Stadt dementiert wird. Am 12. Juni erklärte der Senat: „Nein, die derzeit stattfindenden Planungen gehen von einer erfolgreichen deutschen Bewerbung aus.“ Wieder am 30. Juni. Und am 15. Juli. Vergeblich.

Wohnungen auf dem Kleinen Grasbrook sind eine verlockende Aussicht, besonders im Falle einer erfolgreichen Bewerbung. Denn das Endziel sind nicht die Spiele, sondern die enormen Impulse, die sie auf die Stadtentwicklung ausüben können, „um die HafenCity, den Sprung über die Elbe und die Entwicklung des Hamburger Ostens zu verbinden“, wie Jörn Walter ausführte. Es wäre absurd, das olympische Dorf nicht dafür zu nutzen. Deshalb würde eine Nachnutzung natürlich von vornherein in die Planungen einbezogen. So wird beim Bau der später gewünschte, heute übliche Drittel-Mix maßgeblich sein. Es würden also nicht nur kleine Wohnungen für die Athleten gebaut. Es ist bei Olympischen Spielen auch bisher üblich gewesen, mehrere Sportler in einem Apartment unterzubringen. Schwieriger ist der Umstand, dass Einrichtungen, die nach den Spielen notwendig sind, während der Spiele nicht gebraucht werden, zum Beispiel Küchen, da die Sportler in einem zentralen Restaurant essen. Auf der anderen Seite brauchen die Spiele Räume für Sportlerbetreuung und jede Menge Duschen, die später zurückgebaut werden müssen. Ungeachtet dessen bietet das Olympische Dorf ein Potenzial von vielleicht 6.000 Wohnungen.

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Stadtentwicklung: Die aktuellen Pläne zeigen neben Stadion und Schwimmhalle das Olympische Dorf – eine willkommene Basis für einen Sprung über die Elbe (2)

Unterdessen gehen die Planungen weiter. Ende April hatte die HafenCity Hamburg GmbH gemeinsam mit der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt die Erstellung eines Masterplans für den neuen Stadtteil Olympic City und die Planung der wichtigsten Sportstätten in Auftrag gegeben. Seither arbeiten acht internationale Büros an verschiedenen Varianten, von denen einige bereits vorgestellt worden sind. Ziel ist, den zuständigen Ausschüssen der Bürgerschaft und der Öffentlichkeit Ende August, spätestens Anfang September ein endgültiges Konzept für die Olympischen Spiele vorzulegen, das alle 30 bis 34 Sportstätten umfasst. Darin sollen auch die Kosten enthalten sein, die mit Olympia in Verbindung stehen. Ob das auch die Kosten einschließt, die durch die Betriebsverlagerung und die verschiedenen Maßnahmen zur Sicherung der Betriebsabläufe am Hafen entstehen werden, ist bislang ungeklärt. Sie sind natürlich nicht unerheblich. Nicht nur für die Hafenwirtschaft, sondern auch für Hamburgs Bürger und Bürgerinnen, die am 29. November über Olympia in Hamburg entscheiden sollen.

Text: Nikolai Antoniadis, Foto: Thomas Hampel (1), Visualisierung: Gärtner + Christ GbR (2)
Quartier 31, September–November 2015 , Rubrik:    
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