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Rollwiderstand

Kleinen, kompakten Fahrzeugen gehöre die Zukunft, sagt Florian Walberg. Der bekennende Speicherstadtliebhaber sitzt mit seinem Startup Walberg Urban Electrics GmbH am Alten Wandrahm und verkauft seine Elektroroller unter der Eigenmarke EGRET inzwischen in ganz Europa

In den 1990er Jahren war Florian Walberg Sänger der Boygroup Bed & Breakfast – bei Ebay findet man noch alte Bravo-Poster. Heute ist er erfolgreicher Unternehmer. „Die Musiksachen, das war geil“, sagt er rückblickend. „Das hat mit mir aber heute nichts mehr zu tun.“ Mit seinem Elektro-Kickroller EGRET ONE ist er nach eigenen Angaben europaweit Marktführer und verkauft pro Jahr etwa 5.000 Stück des coolen schwarzen Gefährts mit der türkisfarbenen Feder am Vorderrad, das man zusammenklappen und in jedem Kofferraum verstauen kann, für die „letzte Meile“ in der Stadt, wie er sagt.

Alles begann 2002, als Freunde Walberg einen Elektro-Roller schenkten. „Der war irgendwann kaputt, musste repariert werden, und ich liebe es zu basteln! Kabel, Reifen, Motoren finde ich lässig. Da habe ich Bock drauf.“ So entwickelte sich Walberg zum E-Roller-Experten, kam mit dem Hersteller in Kontakt, machte Verbesserungsvorschläge und war fortan als Dienstleister für diesen tätig.

„Ich bin da reingewachsen.“ Er betreute Service und Reparatur, übernahm die Qualitätssicherung in China und Deutschland, und schließlich managte er die gesamte Produktentwicklung. Nach acht Jahren als Dienstleister war ihm klar, dass er seine eigene Marke prägen wollte, und er gründete 2011 die Walberg Urban Electrics GmbH.

 

„Die Kostenstruktur ist made in China, die Qualität made in Germany“

 

Heute sitzt er mit neun Mitarbeitern auf dem zweiten Boden eines Speichers am Alten Wandrahm. Service und Vertrieb befinden sich hier, produziert wird der EGRET in China. Dort verbringt Walberg etwa drei Monate im Jahr. Er optimiert die Qualität seiner Roller kontinuierlich, alle Erfahrungen aus dem Service fließen in die Produktion ein. „Die Kostenstruktur ist made in China, die Qualität made in Germany.“ Obwohl Walberg immer viel unterwegs war, blieb Hamburg seine Basis. Er liebt die Speicherstadt und die Nähe zum Hafen. „Ich bin ein Nordlicht und gehöre hier hin.“

E-Roller

Gründer und Geschäftsführer Florian Walberg in „seinem Speicher“

Der EGRET ONE fährt 20 Stundenkilometer, die neu entwickelte Variante EGRET ONE-S sogar bis zu 35. Im Jahre 2016 kommt der EGRET TEN mit 10-Inch-Luftreifen. Voraussichtlich Ende 2016 gibt es eine Neuerung, an der Walberg mit viel Herzblut gearbeitet hat: die neue Fahrzeugklasse Personal Light Electric Vehicle, kurz PLEV. Man kann sich den 41-Jährigen mit schwarzer Jeans, Turnschuhen und Basecap schwer zwischen Brüsseler Bürokraten vorstellen. Tatsächlich schreibt Walberg seit 2012 mit Kollegen, etwa von Honda und Toyota, an einem technischen Standard, um für PLEVs bis zu einer Geschwindigkeit von 25 Stundenkilometern die Straßenzulassung in der Europäischen Union zu erreichen. Bisher dürfen sie nämlich nur fahren, wo die Straßenverkehrsordnung nicht gilt, auf Privatgelände, Flughäfen, in Messehallen.

„Meine Vision von urbaner Mobilität“, sagt er, „ist kompakt, sie ist intuitiv, unkompliziert, klein, und sie ist erschwinglich.“ Dass Branchenriesen wie VW und BMW eigene Roller vorstellen, lässt ihn nicht kalt. Aber das Startup aus der Speicherstadt hält dagegen: EGRET bietet Qualität und Design, das Coolness mit Funktionalität verbindet, Kundenservice und „ein sehr, sehr starkes, über lange Zeit gewachsenes Netzwerk.“

Text: Bettina Mertl-Eversmeier, Foto: Astrid Hüller
Quartier 32, Dezember 2015–Februar 2016 , Rubrik:    
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