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Traumspeicher

Jede Generation hat eigene Träume. Wie bewahrt man vergangene auf, wie bereitet man sich auf zukünftige vor? Die Speicherstadt ist ein Ort, an dem alles möglich zu sein scheint, aber die traumhafte Backsteinwelt ist seit jeher auch das Ergebnis von Planung und Arbeit.

Es ist ein Feuerwerk für die Augen und die Nase. Es leuchten feuerrote Chillis, es duftet nach Curry und am Stand nebenan nach frischer Minze sowie Safran. In der hinteren Ecke des Bodens glitzert goldener Schmuck und gleich daneben locken handgeknüpfte Teppiche in Dutzenden Rottönen. Der Suk, ein orientalischer Markt im ersten Boden des Speichers, ist ein Kurzurlaub für die Sinne und führt den Besucher in die Welt von Tausend und einer Nacht.

So ein Markt wird wohl noch lange Zeit ein Traum in der Speicherstadt bleiben. Erdacht und entwickelt wurde dieser Traumspeicher von Architekturstudenten, die ihn im Rahmen des Hamburger Architektur Sommers bei der HHLA präsentiert haben. Bei den dortigen Verantwortlichen kam die Idee gut an. „Uns hat es noch einmal eine komplett neue Nutzung eines alten Speichers vor Augen geführt“, sagt Thomas Kuhlmann, der bei der HHLA den Unternehmensbereich Immobilien leitet. Von den rund 300.000 zur Verfügung stehenden Quadratmetern Lagerfläche der Speicherstadt sind gegenwärtig rund ein Drittel saniert und werden durch neue Mieter genutzt. In den kommenden sechs Jahren sollen weitere 100.000 Quadratmeter entwickelt werden. „Doch werden wir nicht in den Leerstand hinein entwickeln“, erklärt Kuhlmann. Es muss also immer sowohl einen konkreten Nutzungswunsch als auch eine Wirschaftlichkeit geben, bevor mit den Sanierungsarbeiten begonnen wird. Im Fall von Block R, einem ehemaligen Kaffeespeicher, hat man sich für die Nutzung durch Unternehmen aus dem Bereich Mode entschieden. Die Lagerflächen wurden so saniert, dass die Flächen für Showrooms genutzt werden können und in den Fahrstuhl eine beladene Kleiderstange passt.

Wer könnte sich nicht vorstellen, in der Speicherstadt zu wohnen?

Lichthöfe erschließen die alten Lagerböden wie hier in Block P, der für die Hamburg Port Authority umgebaut wurde. (links) Die Speicherstadt entwickelt sich zum bevorzugten Standort von Showrooms in der Hansestadt. (rechts)

Lichthöfe erschließen die alten Lagerböden wie hier in Block P, der für die Hamburg Port Authority umgebaut wurde. (links) Die Speicherstadt entwickelt sich zum bevorzugten Standort von Showrooms in der Hansestadt. (rechts)


Die alten Klinkerbauten mit ihren Trägern aus Holz oder Stahl – jeder Speicherabschnitt sieht ein wenig anders aus – regen die Fantasie von Besuchern und potenziellen Mietern an. „Jeder hat eine andere Vorstellung von seinem Traumspeicher“, sagt Thomas Kuhlmann. Um einige der Träume eventuell eines Tages Wirklichkeit werden zu lassen, wurde innerhalb der HHLA eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Regelmäßig treffen sich Mitarbeiter aus der Projektentwicklung und den Abteilungen Bau, Immobilien und Vermietung mit Architekten und diskutieren Vorschläge. „Die Ideen werden aus dem Leben hier im Quartier geboren und erreichen uns aus ganz unterschiedlichen Ecken“, beschreibt Arbeitskreisleiter Kuhlmann die Runde. Darunter sind Ideen für gastronomische und auch touristische Nutzungen oder Veranstaltungen. In den unteren Böden könnten etwa Manufakturen einziehen, in denen man bei der Herstellung von Schmuck, Schokolade, Pralinen oder Möbeln zuschaut. Ein weiteres Gedankenspiel ist die Aussicht, in einem Speicher zu schlafen, sei es in einem Hotel oder den eigenen vier Wänden. „Wer könnte sich nicht vorstellen, in der Speicherstadt zu wohnen?“ lautet Kuhlmanns rhetorische Frage. In Ansätzen hat man die verschiedenen Möglichkeiten für Gastronomie und Wohnen bereits an der Kibbelstegbrücke in Block N realisiert. Doch viele Ideen der Arbeitsgruppe werden wohl noch lange im Stadium eines Traums verharren. Die Speicherstadt ist Teil des Hamburger Hafengebiets, und dort ist nicht alles gestattet. Zudem soll auch die bisherige Nutzung als stadtnahe Lagerfläche, beispielsweise für Teppichhändler sowie für Tee- und Gewürzhändler, erhalten bleiben. Dies macht gerade den Charme der Speicherstadt aus. Doch im Traum eines orientalischen Marktes wäre ja genau für diese Anbieter Platz.

Text: Dirk Kunde, Fotos: Heinz-Joachim Hettchen, Thomas Hampel
Quartier Special 02 , Rubrik:    
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