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Ein Ort des Lichts

Die Illumination der Speicherstadt liefert ein weltweit erfolgreich vermarktetes Bild von Hamburgs touristischen Qualitäten.


Vorstände des Vereins Licht-Kunst-Speicherstadt e. V.: Dr. Roland Lappin (links) und Michael Batz (rechts)

Seit knapp zehn Jahren werden die Gebäude der Speicherstadt abends beleuchtet. Verantwortlich ist der Verein Licht-Kunst-Speicherstadt e. V. Ein Interview mit den Vereinsvorständen Dr. Roland Lappin (Hamburger Hafen und Logistik AG) und Michael Batz (Lichtkünstler).

Welche Bedeutung hat das Licht für die 120jährige Speicherstadt?
Michael Batz: Die Speicherstadt war immer schon ein Ort des Lichts. Schon ab 1887 gab es Wandleuchten sowie eine Beleuchtung der Brücken und Straßen. Das war eine elektrische Versorgung über das Kesselhaus. Auf diese moderne Versorgung war man sehr stolz. Natürlich war das ein Arbeitslicht, doch somit gab es hier schon immer Illumination.
Dr. Roland Lappin: Heute ist die Speicherstadt weit über die Stadtgrenzen hinaus das Referenzobjekt im Umgang mit Licht an Gebäuden.

Dr. Roland Lappin ist Vorstandsvorsitzender des Vereins Licht-Kunst-Speicherstadt e. V. Im Hauptberuf ist er Mitglied des Vorstands der HHLA. Dort ist er unter anderem zuständig für die Bereiche Finanzen, Controlling und Immobilien. Michael Batz ist Szenograph und Lichtkünstler. Er veranstaltet Theater an ungewöhnlichen Orten, z. B. wie den Hamburger Jedermann oder die Speicherstadt Story (31. Oktober und 1. November 2008, siehe Seite 7). Er ist künstlerischer Initiator des Beleuchtungskonzepts in der Speicherstadt und weltweit als Lichtberater tätig.

Welche Rolle spielt die HHLA im Verein Licht-Kunst-Speicherstadt e. V.?
R. Lappin: Die Gebäude stehen im Eigentum der HHLA und wir sind der Entwickler der Flächen. Die Speicherstadt ist die Keimzelle unseres Unternehmens, somit fühlen wir uns diesem Quartier verpflichtet. Die Gebäude befinden sich ihrem dritten wirtschaftlichen Zyklus und erleben gerade eine Renaissance, wie sie bei kaum einem Neubauprojekt möglich wäre. Zur Umnutzung gehört natürlich auch die Frage, wie gehen wir mit Licht um. Eine Lagernutzung erfordert anderes Licht als eine Speicherstadt, die integraler Bestandteil eines wachsenden Stadtteils ist.

Was will der Verein Licht-Kunst-Speicherstadt e. V. zukünftig erreichen?
M. Batz: Es geht um Bestandspflege aber auch Erweiterung. Wir möchten, dass die Speicherstadt in ihrer Gänze in das Lichtkonzept einbezogen wird und von allen Seiten als urbanes Lichtkunstwerk erkennbar ist. Man kann natürlich auch darüber nachdenken, eines Tages das Kontorhausviertel und die HafenCity auf einer Achse der Zeiten beleuchtungstechnisch zusammenzufassen.

Verstehen Sie sich lichttechnisch mit Ihren Nachbarn?
M. Batz: Das Licht des einen ist das Licht des anderen. Wenn die HafenCity leuchtet ohne Ende, dann könnten wir so zurückhaltend sein, wie wir wollen. Es wirkt auf uns ein. Von daher sagen wir, achtet auf gute Nachbarschaft. Der Verein vertritt ein Qualitätsbewusstsein. Ein Beispiel ist das Parkhaus in der Speicherstadt. Der erste Zustand der Beleuchtung war zu grell, also mildern wir es im Rahmen dessen, was verkehrstechnisch erlaubt ist. Wir sprechen aber auch mit den Bewohnern des Harbor-Cubes. Die haben ein Glasfoyer mit blauen Leuchtstoffröhren, die weit nach draußen strahlen, was auch auf die Speicherstadt wirkt. In den Gesprächen zeigten sie Verständnis und wollen das ändern.
R. Lappin: Alles was an Lichtemission aus der Innenstadt kommt, ist unkritisch, da der Zollkanal dazwischen liegt. Gleiches gilt für die Reihen zwischen den Speichern. Was südlich verläuft, ist eine Frage der Koexistenz. Dass es in der HafenCity einen anderen Umgang mit Licht geben wird, ist aber klar.

Müssen die Anlieger ihr Licht dimmen?
M. Batz: Wir können niemandem etwas vorschreiben, doch sind wir stolz darauf, dass Gespräche und ein Umdenken stattfinden. Beispielsweise wird der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) in absehbarer Zeit die Quecksilberdampflampen der öffentlichen Beleuchtung austauschen. Zum einen, weil viel Energie in den Himmel geht, aber auch, damit die kalte Lichtfarbe unserem warmen Licht angelichen wird. Genauso reden wir mit dem Zollmuseum und der Hamburg Port Authority (HPA). Vor deren Gebäude und Anleger stehen Mastleuchten mit gelbem Licht. Auch ist beschlossen, dass die gelbe Beleuchtung im Turm von St. Nikolai unserer Lichtfarbe angepasst wird. Es ist eine große Leistung des Vereins, dass sich so ein Bewusstsein für die Beleuchtung entwickelt hat.

Welche Rolle spielt das Beleuchtungskonzept bei der Vermietbarkeit der Speicherflächen?
R. Lappin: Das ist schwer zu qualifizieren. Die gesamte Entwicklung der Speicherstadt zielt darauf, die Bewerbung als Unesco Weltkulturerbe so aussichtsreich wie möglich zu gestalten. Unser Selbstanspruch ist das Respektieren des Denkmalschutzes ohne „wenn und aber“. Illumination ist dabei ein Aspekt. Wie kann man intelligent und behutsam mit Licht arbeiten? Das scheint uns zu gelingen, denn die Speicherstadt erfreut sich einer hohen Attraktivität als Quartier.


Hamburg möchte das Chilehaus mit dem Kontorhausviertel sowie die Speicherstadt bis spätestens 2013 beim Welterbezentrum der Unesco in Paris als herausragendes Denkmal vorschlagen. Wird der Antrag anerkannt, könnten die beiden Innenstadtquartiere ab 2014 zum Weltkulturerbe zählen.


Wie würden Sie die Besonderheit der Speicherstadt beschreiben?

R. Lappin: Wir reden hier über rund 300.00 qm Gebäudefläche. Der Übergang von der Lagerhaltung zur heutigen Nutzung wird sehr behutsam vollzogen. Pro Jahr sind es zwischen 10.000 und 20.000 qm. Natürlich könnten wir mehr machen, doch das würde einen Druck schaffen, der zu Kompromissen führt, die wir nicht wollen. Wir pflegen einen verantwortlichen Umgang mit der alten Bausubstanz. Nicht im Sinne einer musealen Nutzung, sondern um das Quartier mit Leben zu füllen. Wenn wir die Authentizität der Speicherstadt erhalten, ist Einzigartigkeit das Ergebnis.
M. Batz: Wir haben hier das größte zusammenhängende Lichtprojekt Europas. Dieses Bild haben alle im Kopf, wenn sie in anderen Städten über Lichtkonzepte nachdenken. Das erlebe ich auch bei meiner Arbeit am Reichstag in Berlin. Wenn für die Stadt geworben wird, sind es immer die gleichen fünf Bilder. Mit Sicherheit ist auch ein Bild der beleuchteten Speicherstadt mit dabei.

Michael Batz arbeitet an der Beleuchtung des Reichstages in Berlin. Die Illumination startet zum 60. Gründungstag der Bundesrepublik im Mai 2009.


Sie beleuchten die Speicherstadt. Wem nützt die Illumination?

R. Lappin: Hier arbeiten mehr als 4.000 Menschen. Die Medien- und Werbebranche folgt nicht den üblichen Arbeitszyklen von neun bis fünf. Darüber hinaus siedeln wir Gastronomie und Einzelhandel an. Noch ist das Thema Wohnen in der Speicherstadt wegen der Fluchtwegsproblematik ausgeschlossen. In Abhängigkeit mit dem Bautempo in der HafenCity wird sich bis Mitte des kommenden Jahrzehnts ein Warftenring auch um die Speicherstadt schließen. Sie ist dann hochwassersicher. Ab diesem Zeitpunkt können wir über eine erweiterte Nutzung nachdenken und das Quartier für die Menschen auch außerhalb der Bürozeiten interessanter machen.
M. Batz: Denken sie an die Dämmerfahrten der Barkassen und kulturelle Veranstaltungen in der Speicherstadt. Die nächtliche Speicherstadt ist einzigartig. Warum sonst nutz ein Reinhold Beckmann die beleuchtete Speicherstadt im Vorspann und als Studio-Deko für seine Sendung?

Wird die Speicherstadt eines Tages an Attraktivität verlieren?
M. Batz: Die Ästhetik der Speicherstadt ist ein hohes Gut, weil sie sich nicht abnutzt. Man wird sie, das ist meine Behauptung, auch noch in 50 Jahren gut finden. Wenn wir diese Qualität in den Abend bringen, verstehe ich die Faszination der Leute. Nach Aufführungen vom „Jedermann“ stehen sie noch lange auf der Sandbrücke, machen Fotos, reden und sind fasziniert vom Anblick. Wir haben diesen Ort ja nicht erfunden. Wir müssen denen dankbar sein, die ihn Mitte des 19. Jahrhunderts ausgedacht und gestaltet haben. Das wir mit dem Licht heute etwas beisteuern können, ist ein schönes Gefühl.

Interview: Dirk Kunde, Foto: Thomas Hampel

Quartier Special    
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