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Des Speichers neue Kleider

Die Speicherstadt wird zum Laufsteg der Modebranche. Von jungen Designern über etablierte Herrenmode bis zum kernigen Outdoor-Ausstatter ist alles vertreten.

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Wer mit einem Talent gesegnet ist, empfindet es gelegentlich auch als Fluch. Doch die Marke Blessed & Cursed ist für Gründerin Nicola Eibich vor allem eine Lebenseinstellung. Die Denim-Expertin machte sich nach 17 Jahren in der Modebranche selbstständig und gründete ihre exklusive Jeansmarke. Atelier und Showroom bezog die 36-jährige Wahlhamburgerin genau über der Markthalle in Block N. „Mir geht es um hochwertige Jeans, in denen man schlank und sexy aussieht. Die Hose soll auch nach längerem Tragen noch perfekt sitzen“, sagt Eibich. Die Stoffe für die Premium-Hosen kommen von einem der ältesten japanischen Jeans-Produzenten. Die Herstellung des Baumwoll-Stretch-Denims mit einem kleinen Elasthan-Anteil dauert rund 90 Tage. Die Verkaufspreise liegen zwischen 200 und 300 Euro. Die Schnitte reichen vom sexy skinny leg (Forbidden Fruit) bis zur modischen Marlene (Sleeping Beauty). Die Namen sind auf der vorderen Seitennaht aufgestickt. Knöpfe und Gesäßtaschen ziert das Markenzeichen, ein verspieltes kreuzartiges Symbol.

Nicola Eibich hat bereits viel deutsche Prominenz von ihrer Mission überzeugt. Schauspieler und Persönlichkeiten wie Natascha, Uwe und Jimi Blue Ochsenknecht, Michael Ballack, Bettina Zimmermann, Mirja und Sky Dumont, Heino Ferch, Andrea Sawatzki, Claudia und Stefan Effenberg, Anja und Gerit Kling lassen sich im Showroom ihre Outfits zusammenstellen und Einzelstücke für den Roten Teppich anfertigen. Ihren Geburtstag gestaltet die Designerin als Showroomparty mit bekannten Gästen wie Nova Meierhenrich, Molly Nuo, Chantal de Freitas, Starfotografin Gabo sowie den Hollywoodstars Thomas Kretschmann und Ralf Moeller. Glanz und Glamour auf dem zweiten Boden in Block N.

Block R wurde speziell nach den Wünschen der Kunden umgebaut.


Die Attraktivität der alten Lagerflächen haben auch weitere Vertreter der Modebranche für sich entdeckt. Mittlerweile sind rund 40 Unternehmen aus dem Mode- und Textilbereich mit Showrooms in der Speicherstadt vertreten. Als Eigentümerin der Gebäude stand die HHLA vor einigen Jahren vor der Herausforderung, Nachmieter zu finden. Bislang bestimmten Tee-, Kaffee-, Gewürz- und Teppichhändler das Bild. Von rund 120.000 Quadratmetern Lagerfläche war die Hälfte mit Teppichen gefüllt. „Von Teppich zu Textilien war es nicht weit“, sagt Rainer Nelde, Leiter der Immobilienabteilung der HHLA. Schon länger war Bernd Michael Schröder mit seiner BMS Sailing Wear GmbH hier ansässig. Nelde beauftragte eine Mitarbeiterin mit der Ansprache weiterer Unternehmen aus der Branche. Denn man wusste, dass die Textileinkäufer gern hierher zu Lieferanten kommen. Jedenfalls lieber als in die sterilen Präsentationszentren am Stadtrand. Die Akquisetour zeigte Erfolg: Marc O’Polo, Timberland und Jack Wolfskin kamen.

Lichtdurchflutete, helle Räume im 6. Boden von Bl0ck Q mit hohen Decken und einem grandiosen Ausblick.

Lichtdurchflutete, helle Räume im 6. Boden von Bl0ck Q mit hohen Decken und einem grandiosen Ausblick. (2)

„Das Charisma des geschichtsträchtigen Bauwerkes in Verbindung mit dem modernen Ambiente der Innenräume hat uns überzeugt“, begründet Manfred Hell, Geschäftsführer und Mitinhaber von Jack Wolfskin, seine Entscheidung. „Wir wollen mit unserer Marke überall dort präsent sein, wo etwas Spannendes entsteht. Mit der Speicherstadt als kulturellem Erbe Hamburgs haben wir ein ideales Umfeld gefunden“, sagt Fouad Gross, Commercial Director von Timberland, über seinen 400 Quadratmeter großen Showroom. Bei so viel Begeisterung setzte der Herdeneffekt ein. Die Einkäufer schwärmten davon, wie schön die Mode-Showrooms in der Speicherstadt seien: Einmalige Architektur, innenstadtnah, direkt am Wasser. Daraufhin folgten weitere Firmen. Das erhöhte wiederum die Attraktivität für die Einkäufer der Kaufhäuser. Mit einer Anfahrt können sie gleich mehrere Lieferanten besuchen.

Heute sind in der Speicherstadt Namen wie Miss Sixty, Mavi Jeans, Replay und Heinrich Katt vertreten. Gut, letzteren kennt man nicht unbedingt. Das Oldenburger Unternehmen hat als Hersteller von Herrenhemden begonnen und vertreibt nun alles, was der stilbewusste Mann so trägt. Auf 350 Quadratmetern in Block S präsentiert das Familienunternehmen seine Marken Venti, Cotton Island und Casa Moda. Wobei sich „Hausmode“ für den flüchtigen Kunden weder sehr männlich, noch sehr stylish anhört. Doch die Marke hat Erfolg. Das liegt nicht zuletzt am obersten Markenbotschafter, dem Fernsehmoderator Jörg Pilawa. „Mit dem Umzug in die Speicherstadt sind wir noch interessanter für den Fachhandel, der bei uns und den vielen anderen Modeanbietern hier im Quartier einkauft“, sagt Klaus Katt. Mit insgesamt 15.000 Quadratmetern Lagerfläche kommen „die Textiler“ heute nicht an die einstige Bedeutung der Teppichhändler heran, aber daran arbeitet die HHLA. Der ehemalige Kaffeespeicher Block R wurde als Modespeicher speziell nach den Wünschen der Kunden und den Anforderungen der Textil- und Modebranche umgebaut. Vor der Tür ist eine Ladezone und die Außenwinde funktioniert wieder. Neben Textil sollen hier auch Unternehmer aus den Bereichen Schuhe, Schmuck sowie Uhren ein neues Zuhause finden.

Ein Beispiel für die Showrooms in der Speicherstadt: Marc O’Polo präsentiert im historischen Ambiente von Block W eine neue Kollektion – die Einkäufer schätzen die originelle und authentische Atmosphäre des Lagerhausviertels. (3)

Ein Beispiel für die Showrooms in der Speicherstadt: Marc O’Polo präsentiert im historischen Ambiente von Block W eine neue Kollektion – die Einkäufer schätzen die originelle und authentische Atmosphäre des Lagerhausviertels. (3)

Auch Gregor Latour hat mit seiner Werbeagentur Räumlichkeiten in der Speicherstadt bezogen. Seine Full-Service Werbeagentur ist auf Mode spezialisiert. Noch stammt kein Kunde aus der direkten Nachbarschaft, „aber das kann ja noch kommen“, meint der Inhaber. Latour Werbung betreut Firmen wie Engelhorn, Konen und Ramelow. „Das, wofür die Speicherstadt steht, passt gut zu uns“, sagt er. Gemeint ist die Geschichte des Viertels: Mut, Dinge neu anzugehen, Durchhaltevermögen und Aufbruchstimmung.

Im Umfeld der kreativen Modewelt fühlt sich auch die Firma Girsberger wohl. In der Schweiz gehört das Familienunternehmen, das inzwischen in der vierten Generation geführt wird, zu den führenden Anbietern von Büroeinrichtungen. Zeitgleich mit Ausstellungsräumen in Amsterdam, Madrid und Wien hat das Unternehmen auch einen Showroom in Block R eröffnet. Dafür wurden eigens zwei Architektenbüros mit dem Entwurf von Räumlichkeiten beauftragt, die nicht nur der Präsentation von Produkten dienen, sondern sich auch für Konferenzen, Diskussionsrunden oder Ausstellungen zum Thema Architektur und Design eignen. Zielsetzung dabei war, die Begegnung zwischen Architekten, Kunden und Fachhändlern möglich zu machen und gleichzeitig den Speichercharakter zu bewahren. Der Naturholzboden und die schlichte Gestaltung von Wänden und Möblierung geben dem Raum fast die Atmosphäre einer Kunstgalerie. Leider sind die exklusiven Drehstühle von Girsberger nur einem kleinen Publikum zugänglich. Die Speicherstadt liegt im Hafenentwicklungsbereich. Hier ist Einzelhandel mit wenigen Ausnahmen nicht vorgesehen. Die Designer und Modeunternehmen dürfen lediglich einmal im Jahr auslaufende Kollektionen an Privatkunden verkaufen. Rainer Nelde von der HHLA bedauert das ein wenig. Er sähe gern kleinere Manufakturen aus den Bereichen Mode, Schmuck und Accessoires mit Publikumsverkehr in den unteren Böden. Die Attraktivität der Speicherstadt würde das weiter erhöhen. Schließlich übernimmt sie eine Scharnierfunktion für die Fußgängerströme von der Hafencity in die Innenstadt und umgekehrt.

Nicola Eibich von Blessed & Cursed eilt zum klingelnden Telefon. Thomas Kretschmann, der deutsche Hollywood-Star, ist in der Leitung. Mit ihm hat sie eine eigene Jeans entworfen, die TK Nightshift. Sie kommt im August 2009 in den Handel und letzte Details müssen abgestimmt werden. „Das Design der TK-Nighshift-Edition stammt von Thomas“, sagt Eibich nach dem Gespräch. An der rechten Wade ziert ein gestickter Koi-Karpfen die Jeans. Er ist dem Koi-Tattoo von Kretschmann an gleicher Stelle nachempfunden. In der japanischen Lebensphilosophie steht der Fisch für Stärke, Erfolg und Glück. Das kann jeder gebrauchen, selbst wenn er gesegnet ist.

Text: Dirk Kunde, Fotos: Christian Barz für Blessed & Cursed (1), Thomas Hampel (2), HHLA/H.Möller (3)
Quartier Special 02 , Rubrik:    
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