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Erinnerungsstütze

Die Ruine der Nikolaikirche an der Willy-Brandt-Straße steht auf dem Boden eines der ältesten Kirchspiele Hamburgs.

Die Nikolaikirche in den 30er Jahren: Der Hopfenmarkt, schon damals teilweise als Parkplatz genutzt, ist noch nicht von der Willy-Brandt-Straße zerschnitten.(1)

„Er ist in seiner heutigen Anlage nahezu hoffnungslos hässlich. Die Betonung einer Achse durch den Kirchturm, nirgends durch eine Straße aufgenommen und weitergeführt, wird heute nicht mehr verstanden.“ So beschrieb Oberbaudirektor Otto Meyer-Ottens 1949 den Zustand des Hopfenmarkts mit der Kirche St. Nikolai. Es war das vorläufige Ende einer 750-jährigen Geschichte. Schon 1195 war eine kleine Kapelle errichtet und Nikolai empfohlen worden, der als Schutzpatron der Seefahrer und Händler als Inbegriff des hanseatischen Heiligen gelten könnte. Später, im 13. und 14. Jahrhundert, wurde sie als gotische Hallenkirche ausgebaut, bevor sie im 17. Jahrhundert einen Turm erhielt. Nachdem sie während des Brandes von 1842 zerstört wurde, gewann Gottfried Semper zunächst den Wettbewerb für den Wiederaufbau. Die Gemeinde wollte aber eine historisierende Kathedrale und beauftragte den Engländer George Gilbert Scott, nach dessen Entwürfen die Kirche zwischen 1846 und 1874 neu errichtet wurde: eine dreischiffige Basilika mit Querhaus und 147,3 Meter hohem Turm, dem damals höchsten Gebäude der Welt. Obgleich ein architektonischer Sonderling unter Hamburgs Kirchen, war sie für die kommenden 70 Jahre eine eindrucksvolle Landmarke, bevor sie im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.

Obwohl bereits 1952 entschieden wurde, Turm und Chor zu erhalten und die Ruine von St. Nikolai in ein Mahnmal mit Gedenkstätte zu verwandeln, dauerte es noch 35 Jahre, bis dieser Beschluss tatsächlich umgesetzt wurde.(2–4, 5)

Mit dem Bau der Ost-West-Straße und der Entwicklung der Innenstadt zu einem reinen Bürostandort gab es keine Aussicht mehr darauf, sie an ihrem alten Standort wieder aufzubauen. Stattdessen griff Meyer-Ottens einen Vorschlag auf, den Bürgermeister Max Brauer 1946 gemacht hatte, nämlich sie zu einer Gedenkstätte umzuwandeln. Tatsächlich einigten sich Stadt und Kirche in der Folge darauf. Das baufällige Kirchenschiff wurde abgetragen, allein der Turm und die Chormauern blieben erhalten. Bis zur Umsetzung des Mahnmals vergingen dann allerdings noch viele Jahre: Nachdem die Ruine im Anschluss an ergebnislose Wettbewerbe und fruchtlose Diskussionen zusehends verfiel, wurde das Mahnmal tatsächlich erst realisiert, nachdem Bischof Hans-Otto Wölber 1987 zur Rettung der Kirche aufrief und sich seither ein privater Förderkreis aktiv um das Mahnmal kümmert.

Text: Nikolai Antoniadis, Fotos: Hans Andres (1), Jonas Wölk (2–4), Manfred Stempels (5) (von links nach rechts)
Quartier 20, Dezember 2012–Februar 2013 , Rubrik:    
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