Hindernislauf zum Oberhafen
Freerunner kennen keine Hindernisse, nur Herausforderungen: Mit dieser Einstellung ist das Team von „Die Halle – Creation Center Oberhafen“ in der HafenCity genau an der richtigen Adresse
Ende der 1990er Jahre wurde der Güterbahnhof der Deutschen Bahn im Oberhafen stillgelegt. Fortan bot die brachliegende Verladestation Künstlern unterschiedlicher Gattungen und Nationalitäten einen idealen Raum für die Entwicklung und Umsetzung kreativer Ideen. Eines der Highlights dieser Entwicklung: „Die Halle“ – ein zukünftiges Paradies für Parkour-Fans. Es ist ein außergewöhnliches, auch außergewöhnlich lebendiges Konzept – durchaus eine Alternative zur klassischen Kunstgalerie im Kitschverdacht. „Die Halle“ soll nämlich Mittelpunkt und Identifikationszentrum der jungen internationalen Parkour-Bewegung werden.
Parkour, das sind diese jungen Menschen, die sich von den hochragenden Massen der Mega-City nicht niederdrücken lassen, sondern ihr beibringen, dass auch und gerade die Schwerkraft eine träge Seite hat. Die Freerunner laufen deshalb munter an Wänden hoch, steigen Häusern aufs Dach und stellen die ganze Architektur auf den Kopf. Wie man diese Art von kontraphysikalischer Sprunggewalt entwickelt, das sollen die urbanen Freigänger in spe demnächst in der „Halle“ im Oberhafen lernen. Ein Spielplatz soll es werden – und zugleich ein soziales Labor.
„Wir waren erstaunt über den Zuschlag“, erklärt Sebastian Ploog, Parkour-Trainer und Vorsitzender des Vereins Parkour Creation e. V. „In der Regel werden Kreativ-Sporthallen eher an den Stadtrand verbannt. Wir haben nun aber mitten im Zentrum einen Ort, in den wir uns langsam wirklich verlieben.“ Auch die HafenCity GmbH habe sich laut Ploog über das Hallen-Konzept sehr gefreut: „Unser Konzept war einfach mal etwas anderes als die typische Galerie oder Malwerkstatt.“
Etwas ungelenk verläuft allerdings die Umsetzung auf behördlicher Seite: Bauanträge, Renovierungsarbeiten, Sicherheitsbestimmungen und Sondergenehmigungen hängen allesamt noch in der Pipeline. Scheuen am Ende die Beamten die sportliche Herausforderung? Ein genauer Eröffnungstermin jedenfalls kann noch nicht genannt werden.
Ohnehin ist der Zeitplan eher lang- als mittelfristig: Das gesamte Areal mit den lang gestreckten Lagerhallen, kleinen Geschossbauten und ehemaligen Gleisanlagen soll gemäß der geänderten Masterplanung in einem Entwicklungszeitraum von etwa 15 bis 20 Jahren einer neuen Nutzung zugeführt werden.
Trotz aller Kritik an der offiziellen Vereinnahmung des Areals ist der Entwicklungsplan ein konsequenter Schritt, denn immerhin verbleiben – anders als in der restlichen HafenCity – Grund und Boden sowie die Bestandsgebäude des Oberhafenquartiers im Sondervermögen der Freien und Hansestadt Hamburg. Dadurch und auch durch kostengüns-tige Sanierungen können die Mieten für die kulturelle Nutzung niedrig gehalten werden. Die Zeichen stehen also nicht schlecht, dass Kreativität und Pioniergeist hier wieder eine Heimat bekommen.
Text: Sven Grönwoldt ⁄ Robert Mattheis, Fotos: Lukas Sterly ⁄ Kitchen Table Produktion (1), Matthias M. Mueller (2), Sebastian Ploog (3), Parkour Creation Center e. V. (4, 5)