Auf den Schirm
Seit Oktober verfügt die Costa-Gruppe über das modernste Operationszentrum am Großen Grasbrook in der HafenCity. Dort hat man die weltweit operierende Flotte von 25 Kreuzfahrtschiffen im Auge
„Filip, zeigen Sie uns bitte mal die AIDAaura“, bittet Michael Salzmann seinen Kollegen am Tisch auf Englisch. Sofort ploppt an der Monitorwand ein Seekartenausschnitt des Golfs von Oman auf mit einem Schiffssymbol in der Mitte. „Schauen Sie: Die AIDAaura mit rund 1.200 Passagieren an Bord kommt von Dubai und fährt jetzt Richtung Mumbai in Indien. Dort soll sie am Sonntag um 12 Uhr einlaufen“, erklärt der Senior Superintendent Fleet Operations, was so viel bedeutet wie, dass Salzmann hier der Chef ist. Der Raum, in dem sich diese Szene abspielt, ist rund 150 Quadratmeter groß und wirkt wie der Tower eines Großflughafens, allerdings ohne Fenster und fast ohne Geräusch. Die Front des Fleet Operation Centers (FOC) von Carnival Maritime, einem Unternehmen der Costa-Gruppe, besteht aus einer überdimensionalen Monitorwand. Auf drei Riesenmonitoren, unterteilt in jeweils neun Teilmonitore, wird die über den gesamten Globus verteilte Kreuzfahrt-Flotte der Costa-Gruppe (zwölf Schiffe von Costa Crociere, drei von Costa Asia sowie zehn AIDA-Schiffe) verfolgt und überwacht. Die Monitore zeigen typische Seekarten-Grafiken, daneben aber auch Wetterkarten und Abbildungen von Kurven und bunten Linien. Vor der überdimensionalen Monitorwand stehen zwei Reihen mit jeweils drei Arbeitstischen, die mit weiteren Monitoren ausgestattet sind. Es herrscht konzentrierte Ruhe. Zwei Herren sitzen verteilt im Raum vor ihren Tischmonitoren. Hier schlägt das operative Herz des Kreuzfahrt-Unternehmens.
Jetzt lässt sich Salzmann das Radarbild von der AIDAaura übermitteln, dazu das Kamerabild vom Ozean vor dem Bug, aufgenommen von der Kommandobrücke. „Windstärke knapp über einem Beaufort“, erklärt er das beinahe wellenfreie Gewässer. „Die AIDAaura hält Kurs 113 Grad bei 18,6 Knoten Geschwindigkeit“, wie die eingespielten Daten zeigen. „Dazu eine Wassertiefe von 293 Metern“, liest er vor und stutzt: „Nein, das kann nicht sein: Die Seekarte zeigt 3.200 Meter. Da haben wohl wieder unterschiedliche Wasserschichten dem Echolot einen Streich gespielt“, weiß der nautische Offizier, der selbst jahrelang auf Containerschiffen und Tankern gefahren ist, bevor er in die nautische Zentrale wechselte. Die unterschiedlichen Daten der Wassertiefe werden weiter beobachtet. Alles, was auf den Costa- und AIDA-Schiffen in nautischer Hinsicht passiert, wird in Echtzeit über Satelliten nach Hamburg übermittelt, wo das FOC als wohl weltweit modernstes seiner Art vergangenen Oktober seinen Betrieb aufgenommen hat. Die Zentrale ist rund um die Uhr mit zwei nautischen Offizieren besetzt. Es geht um Optimierung und Krisenmanagement. „Die Gründung von Carnival Maritime ist ein Ergebnis der Umsetzung der langfristig gewachsenen Sicherheitsstrategie der Costa-Gruppe“, erklärt Pressesprecherin Susanne Becker.
So etwas wie am 13. Januar 2012, als Kapitän Francesco Schettino die COSTA CONCORDIA vor der italienischen Insel Giglio auf Grund setzte, könne in seinem Unternehmen nicht mehr passieren, macht Salzmann deutlich. Und in der Tat: Die Einrichtung vermittelt das Gefühl, dass man hier alles im Griff hat, theoretisch sogar die ganze Flotte von Hamburg aus fernsteuern könnte. „Aber da sind die internationalen Schifffahrtsgesetze vor. Wir sind noch nicht so weit wie der Luftverkehr“, erklärt der Senior Superintendent. Gemeint sind eher die kleinen „Krisen“: Ein Sturm zieht auf, ein Liegeplatz steht plötzlich nicht mehr zur Verfügung, ein Flieger verspätet sich – dann greift das FOC in Absprache mit der jeweiligen Schiffsführung ein. „Safety first“ und „alles für den Kunden“, so könnte man die Unternehmensphilosophie umschreiben.
Vor allem beschäftigt man sich in Hamburg mit der Optimierung von Fahrplan und Fahrten. Salzmann: „Jede Kreuzfahrt wird Jahre vorher bis ins Detail geplant. Welche Flugkapazitäten gibt es? Welche Liegeplätze? Welche Route ist die sparsamste?“ Auch über den Verbrauch der Betriebsmittel auf jedem Schiff der Flotte ist man in Hamburg immer genauestens unterrichtet. Betriebskosten und Umweltschutz sind wichtig. Die Schiffsneubauten der Costa-Gruppe werden nach und nach auf LNG – umweltschonendes Flüssiggas – umgestellt. Die neue AIDAprima etwa (sie stellt sich am 30. April im Hamburg vor) gleitet sogar auf Luftblasen durchs Wasser. Diese brandneue Technik verringert die Reibung des Rumpfes und damit den Treibstoffverbrauch. Apropos Hamburg: Nicht zufällig ist für den Standort des FOC die Wahl auf die Hansestadt gefallen. „Hamburg hat für die Costa-Gruppe eine außerordentliche Bedeutung“, erklärt Becker. Das zeigt sich auch in der Zahl der Anläufe: 77 Mal statten Costa- und AIDA-Schiffe Hamburg in diesem Jahr einen Besuch ab. Das ist fast die Hälfte aller Kreuzfahrt-Anläufe in der Elbmetropole.
Text: Michael Hertel, Foto: Axel Heimken