Blick in die Glaskugel
Was weg muss, muss weg
Pardon, es muss heißen: ins Glashaus, aus dem man nicht den Stein werfen soll. Nehmen wir gemeinsam an, es ist das Jahr 2019, das Unilever-Haus in der HafenCity feiert sein zehnjähriges Baubestandsjubiläum und hat eigentlich gar nichts zu feiern. Fünf Monate vorher ist unter großem Grinsen der Fachleute die einst als elegant und mutig geltende Vorhangfassade abgenommen worden: Sie war nicht nur verdreckt, sondern auch unnötig, weil sie keinen Energiesparmehrwert gebracht hat, nun kostet der Abriss, der von führenden Hamburger Bausachverständigen in der Tat schon 2016 für möglich gehalten wurde, viel Primärenergie und was viel schlimmer ist: Nach dem Abwurf des Kaisers neuer Kleider sah Hamburg endlich, wie jämmerlich der Nackte darunter aussah: 70er Jahre, aber nicht sexy. Da Unilever sowieso nicht mehr an einem Headquarter in der teuren HafenCity interessiert war und das ursprüngliche offene Bürokonzept nicht mehr als denkmalgeschützt taugte, passierte das Unglaubliche. Der neue Oberbaudirektor, der inzwischen eine Nach-Walter-Ästhetik entwickelt hatte (einfach nachhaltig), sagte nur kurz: „Ich hab’ das Ding noch nie leiden können. Es ist zwar hochdekoriert und weltweit publiziert, aber keine (Bau-)Kunst: Kann also weg!“
Und weil schon mehrere Projektentwickler mit den Hufen scharren und bei der HafenCity Hamburg GmbH als Kaufinteressierte anstehen, schallt ein bekannter Ruf über die milde Elbe und die schlammigen Hafenbecken: „Abriss!!!“ Der ehemalige Oberbaudirektor ist not amused und hofft darauf, dass sich Geschichte nicht wiederholt, weil er doch 2016 so vehement für den Abriss der City-Hochhäuser gewesen war und inzwischen erkannt hat: Manchmal ist es besser, einfach abzuwarten!
Text: Dirk Meyhöfer