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Ein Stück Kaimauer erzählt Hafengeschichte

Bei Ausschachtungsarbeiten im Überseequartier kam ein überraschender Fund zu Tage: Ein Stück Kaimauer mit einer sorgfältig gearbeiteten Konsole aus Ziegelsteinen und eine Wassertreppe, die scheinbar von nirgendwo kommt und im Nichts endet…


Der gefundene Kaimauerabschnitt mit der Wassertreppe und der Einmündung der Schleusenkammer war im Oktober letzten Jahres für einige Wochen sichtbar. (1)

Der gefundene Kaimauerabschnitt mit der Wassertreppe und der Einmündung der Schleusenkammer war im Oktober letzten Jahres für einige Wochen sichtbar. (1)

Das Kaimauerrelikt stammt von der Brooktorschleuse, die als Verbindung zwischen dem Brooktorhafen und dem Sandtorhafen diente. Letzterer erstreckte sich ursprünglich fast bis zur heuti-gen Osakaallee und wurde bis Mitte der 1970er Jahre sukzessive zu etwa einem Drittel zugeschüttet, wobei die Mauerreste gleich mit im Erdreich verschwanden. Danach bot sich das so gewonnene Gelände für den Bau eines Kaffeelagers an, das seinerseits vor ein paar Jahren der HafenCity weichen musste.

Schematische Darstellung der Brooktorschleuse

Schematische Darstellung der Brooktorschleuse (2)

„Wozu braucht man denn im norddeutschen Flachland Schleusen?“, fragt sich nun sicherlich der eine oder andere Leser. Ganz einfach! Als tideoffene Hafenbecken konzipiert, waren die Hamburger Häfen immer starken Strö-mungen ausgesetzt. Und die brachten nicht nur Sand und Schlick mit sich – die dann für teures Geld wieder ausgebaggert werden mussten –, sondern drückten auch die zahlreichen kleine-ren Fahrzeuge wie Schuten oder Barkassen an die Pontons und Kaimauern, was zu Beschädigungen führen konnte. Schleusentore bremsten dagegen den Sog, weshalb die Seeschiffsbecken und die Binnenschiffsbecken – in diesem Fall der Brooktorhafen – im Hamburger Hafen konsequent durch Schleusen voneinander getrennt wurden. Die Brooktorschleuse wurde übrigens 1869 fertiggestellt und war somit die erste derartige Hafenschleuse. Das macht den Sandtorhafen, der bereits drei Jahre früher in Betrieb ging und der erste moderne Hamburger Hafen überhaupt war, auch in dieser Hinsicht zum Prototypen für den weiteren Hafenausbau. Ein Foto von etwa 1888 – der zweite Bauabschnitt der Speicherstadt fehlt noch – illustriert die ursprüngliche Situation. Einen genaueren Blick lohnen auf dieser Aufnahme auch die vielen liebevollen Details, die früher die Hafenarchitektur kennzeichneten. Das Schleusengeländer war eine kunstvolle Schmiedeeisenarbeit. Auch das malerische Schleusenwärterhäuschen, das auf der erwähnten Konsole über die Kaimauer hinausragte, und die zierliche Laterne lassen romantische Herzen höher schlagen. Im Laufe der Zeit büßte die Schleuse zwar viel von dem schmückenden Beiwerk ein und wurde mit einem elektrischen Antrieb und stählernen Toren modernisiert. Sie erfüllte aber über 100 Jahre lang ihren Zweck.

Das östliche Ende des Sandtorhafens mit der Brooktorschleuse, dem Sandtorkai und Block O der Speicherstadt (Aufnahme um 1888) (3)

Das östliche Ende des Sandtorhafens mit der Brooktorschleuse, dem Sandtorkai und Block O der Speicherstadt (Aufnahme um 1888) (3)

 

Text: Dr. Ralf Lange, Fotos: (1) Thomas Hampel, (2) schematische Darstellung: Speicherstadtmuseum, (3) ELBE&FLUT Archiv

Quartier 01, April–Mai 2008 , Rubrik:    
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