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Mut zur Lücke

180 cm schmal und neun Stockwerke hoch – die Gratwanderung zwischen Entwurf und Realisierung


Müsste man sich das Objekt „ergooglen“, könnte man es vielleicht mit einer Kombination folgender Stichworte versuchen: Wasserfall, Schokoguss, Inlay, einhundertachtzig und Katharinenviertel. Das klingt nach einem originellen Rezept und steht steht für ein außergewöhnliches Bauvorhaben: Am Steckelhörn 11 baut Projektentwickler Andreas Barke (45), Chef der Firma Cogiton, nach den Plänen des Berliner Architekten

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und Mies-van-der-Rohe-Preisträgers Jürgen Mayer H. ein neunstöckiges Bürogebäude. Der „Wasserfall“ steht dabei laut Barke für die gläsernen Fassadenelemente an beiden Fronten, die herabstürzende Wassermassen symbolisieren sollen, während die vertikalen dunklen Klinkerstreifen an der Vorderfront den Bauherren an verlaufenden Schokoguss erinnern. Eine weitere Besonderheit des Projektes ist die Rückfront an der Straße Katharinenfleet, die mit nur einem Meter achtzig Breite die schmalste Baulücke Hamburgs ist. Der Clou allerdings sind die geplanten Aussichtspunkte: Von einer Dachterrasse in südöstlicher Richtung wird man einen herrlichen Blick über Zollkanal, Speicherstadt und die wachsende HafenCity genießen können. Im Osten, nur einen Häuserblock entfernt, grüßt der patinierte Turm der Katharinenkirche. Und auch die Schmalseite am Katharinenfleet bekommt ihren beeindruckenden Aussichtspunkt mit einem sechs Meter hohen, analog zum Windenhaus eines Speichers auskragenden Panoramafenster in Richtung auf die westliche Speicherstadt und den Hafen. „Diese Aussichtspunkte sind praktisch unverbaubar“, erklärt der Bauherr nicht ohne Stolz.

Mit dem Katharinenviertel hat sich der Hamburger Kaufmann für dieses Projekt eine in Teilen noch beschauliche Insel zwischen den Magistralen Ludwig-Erhardt-Straße und Bei den Mühren ausgesucht, die von den Stadtplanern gerade erst zur Revitalisierung entdeckt wird. Einst handelte es sich gar um echte Insellagen, bevor viele Fleete – wie z. B. am Steckelhörn – nach dem Krieg mit Trümmerschutt der zerbombten Häuser verfüllt wurden. „In den kleinen Gassen der Altstadt spürt man noch Geschichte“, sagt Barke, der sich vor rund 16 Jahren selbstständig machte. Er war an so bekannten Projekten wie dem „Berliner Bogen“ oder dem „elbberg campus“ beteiligt. Viel Lob erntete Barke bei seinem Projekt „Bogenallee“ in Harvestehude mit der Verwandlung eines unansehnlichen Bürogebäudes in ein Wohnhaus mit Design-Qualität.

Bauherr Andreas Barke mit dem Modell des Bürogebäudes Steckelhörn - die Fassade erinnert an verlaufende Schokolade (2)

Bauherr Andreas Barke mit dem Modell des Bürogebäudes Steckelhörn - die Fassade erinnert an verlaufende Schokolade (2)

Nach den schweren Kriegszerstörungen hat sich zwischen Zollkanal und Nikolaifleet ein durchaus interessanter Mix von zum Teil denkmalgeschütz-ter Altbausubstanz und Neubauten aus den 60er und 70er Jahren „mit überwiegend solider Substanz“ (Barke) gebildet: Gewerbe, vor allem Kleingewerbe, Woh-nen, Büros und Gastronomie. Hier setzt der Projektentwickler mit seinem als Firmenphilosophie formulierten Anspruch an Qualität und ganzheitlichem Design an: „Bei uns muss alles aus einem Guss sein – von der Fassade über das Farbkonzept, die Treppenhäuser und Büros bis hin zu den Außenanlagen.“ Was Barke damit meint, kann man beispielsweise an dem 2007 fertig gestellten, international beachteten Bürokomplex „An der Alster 1 /Sechslingspforte“ bewundern. Oder auch an dem alten Bankgebäude von 1897, „Hohe Bleichen 17“, das, liebevoll restauriert, heute unter anderem die Cogiton-Zentrale beherbergt. Die im Steckelhörn entstehenden 3.600 qm Bruttogeschossfläche lassen sich individuell auch an die Bedürfnisse kleinerer Betriebe anpassen und werden so den vorhandenen Strukturen des Viertels gerecht. Im Erdgeschoss wünscht sich der gebürtige Hamburger einen Coffeeshop, „weil es den im Viertel noch nicht gibt“. Mal sehen: Die Vermietung (Cogiton/Grossmann & Berger) hat gerade erst begonnen. Fertigstellung: Mitte 2009.

 

Text: Michael Hertel, Foto: (1) Manfred Stempels, (2) Michael Hertel

Quartier 03, September–November 2008 , Rubrik:    
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