Zug um Zug
Tief unter der HafenCity arbeitet sich die Tunnelbohrmaschine VERA in Richtung Jungfernstieg voran und bereitet den Weg für die Fahrgäste der Zukunft.
Jeden Tag wirft Hochbahn-Vorstand Ulrich Sieg (59) auf dem Weg zur Arbeit einen Blick auf den ganzen Stolz des Hamburger Verkehrsunternehmens in der HafenCity: die Baustelle der neuen U-Bahnlinie 4. Es ist Deutschlands derzeit größtes U-Bahnprojekt. Täglich arbeitet sich die Schildvortriebsmaschine namens „VERA“ (eine etwas bemühte Abkürzung des Mottos „Von der Elbe Richtung Alster“) in 16 bis 42 Metern Tiefe zehn Meter in Richtung Jungfernstieg vor. Derweil beginnt Hamburg die Entwicklungschancen dieser neuen Schnellbahnlinie erst jetzt richtig zu begreifen – was auch in der Diskussion um den neuen Standort für die Hafen-City Universität am Magdeburger Hafen zum Ausdruck kommt. Die Verkehrsplaner der Hamburger Hochbahn AG hatten schon sehr früh eine Vorstellung von der Bedeutung dieses Projektes – Sieg: „Die U4 hat Stadtentwicklungspotenziale ohne Ende“.
Dabei wollten viele Hamburger ursprünglich etwas anderes: keine U-, sondern eine der für Hamburg typischen Hochbahnstrecken, die sich zwischen Rödingsmarkt und Baumwall aus der für den Hafenrand sehr attraktiven U3 ausfädelt und auf Stelzen durch den neuen Stadtteil geführt wird. Am Ende setzte sich unter den 34 geprüften Varianten aber die wohl verkehrspolitisch wie wirtschaftlich sinnvollste Lösung durch. Die gesetzlich vorgeschriebene kreuzungsfreie Ausfädelung aus dem U3-Viadukt hätte nämlich ein achterbahnartiges Monstrum nötig gemacht, während die historische Station Rödingsmarkt dem Projekt zum Opfer gefallen wäre. Gleichzeitig hätten die über das offene Wasser führenden Hochbahnstrecken durch die HafenCity mit rund 50 Dalben gegen eventuelle Schiffskollisionen gesichert werden müssen. Noch wichtiger: „Bei Großveranstaltungen am Hafenrand
Die U4 ist Deutschlands größtes U-Bahnprojekt
sind wir mit der U3 jetzt schon an der Kapazitätsgrenze. Die Ausfädelung von dieser Strecke hätte daran nichts geändert. Durch die Anbindung der U4 an den Jungfernstieg aber verfügen wir künftig über zwei voneinander unabhängige Linien für den Transport großer Besucherströme. Allein die neue U4 kann bis zu 20.000 Menschen pro Stunde und Richtung befördern“, erklärt Sieg, der bei der Hochbahn für Schienenverkehr und Infrastruktur zuständig ist.
Gebaut werden für die neue U-Bahnlinie zunächst zwar „nur“ zwei Stationen und rund vier Kilometer Strecke. Dank einer raffinierten Umstrukturierung des Hamburger U-Bahnnetzes avanciert die U4 aber vom ersten Betriebstag an zu einer vollwertigen Linie mit elf Haltestellen zwischen HafenCity Universität und Billstedt. Auch das, meint Ulrich Sieg, ist verkehrspolitisch sinnvoll: „Die U3 (gelbe Linie) zwischen Billstedt und Berliner Tor ist mit rund 70.000 Fahrgästen pro Tag die meistbefahrene U-Bahnstrecke Hamburgs. Da können wir die Entlastung durch die neue U4 sehr gut gebrauchen.“ Um durchgehend mit langen Zügen fahren zu können, werden am Berliner Tor
Die neue Haltestelle „Überseequartier“ wird als zentrale
U-Bahnstation der HafenCity großzügig und attraktiv ausgebaut.
künftig die U-Bahnäste getauscht: Die U2 (rote Linie) fährt ab Mitte 2009 nicht mehr von Niendorf-Nord nach Wandsbek-Gartenstadt sondern nach Mümmelmannsberg. Und die U3 beschreibt wegen der zum Teil kürzeren Stationen wieder den klassischen Ring (Barmbek-Barmbek) mit dem „Wurmfortsatz“ nach Wandsbek-Gartenstadt. Die Umbau-arbeiten am Berliner Tor sind in vollem Gange. Ende 2011 kommen dann noch die „Verstärkerzüge“ der U4 hinzu. Erwartet werden auf der neuen Linie täglich rund 35.000 Fahrgäste.
Die neue Haltestelle „Überseequartier“ wird als zentrale Station der HafenCity großzügig und attraktiv ausgebaut – mit drei behindertengerechten Zugängen und einem raffinierten, Unterwasserwelten assoziierenden Farbkonzept. Die ebenfalls behindertengerechte Endstation „HafenCity Universität“ soll mit einem originellen Beleuchtungskonzept an die Hafennähe erinnern: Licht-Container an der Decke werden verschiedene Farbtöne erzeugen. Größere Umbauten gibt es auch an der Haltestelle „Jungfernstieg“, wo aber immerhin schon zwei freie Bahnsteigkanten (vor Jahrzehnten für eine Linie nach Lurup gedacht) vorhanden sind. Schließlich soll auch die vorhandene U3-Station „Baumwall“, die schon jetzt durch die wachsende HafenCity deutliche Fahrgast-Zuwächse aufweist, im Zuge der Eröffnung der „Elbphilharmonie“ umgebaut werden und attraktiver werden. Hamburger und ihre Gäste können sich seit Juni im „U4-Infopavillon“ am Jungfernstieg über Planungen und Baufortschritte infomieren: In den ersten vier Wochen kamen schon mehr als 40.000 Neugierige. Und der Hochbahn-Vorstand verspricht noch mehr „Schaustellen“: „Wir möchten den Hamburgern eine der neuen Haltestellen in der HafenCity noch vor Eröffnung der Strecke zeigen.“
Und wie geht es weiter mit der U4? Hochbahn-Vorstand Sieg: „Alles wird in der HafenCity so eingerichtet, dass wir bei Bedarf gleich in Richtung Süden weiter bauen können. Mit dem Kleinen Grasbrook und Wilhelmsburg liegen noch ungeheure Entwicklungspotenziale ganz dicht an der Innenstadt“. Wenn die Politik zustimmt, ist eine Weiterführung der U4 nach Kirchdorf bis zur Mitte des kommenden Jahrzehnts durchaus denkbar.
U4 IN ZAHLEN
4 km Neubaustrecke, davon 2,8 km
im Schildvortrieb und 1,2 km in offener Bauweise
maximale Tiefe
(unter Geländeniveau) 42 m
minimale Tiefe 16,5 m
Tiefe der Haltestellen:
Jungfernstieg 18 m
Überseequartier 19,5 m
HafenCity Universität 16,5 m
Kosten 289 Mio.Euro
Zuschuss des Bundes 130 Mio. Euro
Text: Michael Hertel, (1) Visualisierung: raupach-architekten, Foto: (2) Thomas Hampel