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Nah am Wasser gebaut

Maritime Chansons sind die Leidenschaft von Hafennacht eV. Im Proberaum in Altona entsteht gerade das dritte Album des Hamburger Trios.


Hafennacht eV (von links): Erk Braren (Gitarre), Heiko Quisrorf (Akkordeon), Uschi Wittich (Gesang) (1)

Hafennacht eV (von links): Erk Braren (Gitarre), Heiko Quisrorf (Akkordeon), Uschi Wittich (Gesang) (1)

Mit nordischer Gelassenheit tritt Uschi Wittich ans Mikrofon. Ihre Kollegen Erk Braren an der Gitarre und Heiko Quistorf am Akkordeon spielen die ersten Noten von „Die See hat mich lieb“, und plötzlich füllt ihre klare Stimme den Proberaum von Hafennacht eV mit melancholischer Traurigkeit: „Wenn ich das Tau bei Sturm nicht länger halten kann und am and’ren Ende hängt mein Leben dran. Dann sagt sie: Lass es los und seiner Wege zieh’n. Wahre Liebe kann nicht untergeh’n“.

Die Strophe möchte einem das Herz zerreißen, aber Hafennacht eV nehmen den Verlust von lebenswichtigen Organen nicht in Kauf, ohne ihren Zuhörern Hoffnung zu geben: Das Leben geht weiter oder wie der Hamburger sagen würde: Nach der Ebbe kommt die Flut. Uschi Wittich und Heiko Quistorf sind in der Hansestadt geboren, und Erk Braren hat es von der Insel Föhr an die Elbe verschlagen. Das dürfte die Zuneigung des Trios zum Wasser erklären. „Unsere Stücke haben mit Trends und Moden nichts zu tun“, erklärt Sängerin Wittich die Chansons von Hafennacht eV. „Sie atmen diesen maritimen Zeitgeist und tragen einen Regenmantel“.

Die Eigenkomposition „Die See hat mich lieb“ wird auf der nächsten CD zu finden sein. Das mittlerweile dritte Werk von Hafennacht eV soll im April fertig sein – wenn nichts dazwischen kommt. „Manchmal bricht bei Erk der Handwerker durch. Dann muss er immer irgendetwas fertig bauen“, beschwert sich Frontfrau Wittich über ihren Gitarristen und ignoriert dabei mit einem Augenzwinkern, dass der Gescholtene von Haus aus Tischler ist. Braren revanchiert sich mit einer Diagnose der musikalischen Fähigkeiten seiner Kollegin an der Gitarre: „Uschi leidet unter dem Syndrom, dass man ab 35 kein Instrument mehr lernen kann.“

Die Salzwasser getränkte Schwermut, die eben noch durch den Proberaum schwappte, weicht so schnell zurück, wie sie gekommen war. Heiko Quistorf wartet gravitätisch hinter seinem Akkordeon, bis sich der Sturm gelegt hat. Dann erklärt er, wie die Gruppe 2003 zu ihrem ungewöhnlichen Namen gekommen ist: „Uschi hatte die Idee, einen Verein zur Rettung maritimen Liedguts zu gründen. Bei Auftritten sollten aus dem Publikum Wünsche kommen, welche Stücke sie Jahre nicht gehört hatten und für das nächste Konzert gerne von uns aufbereitet hätten“. Die Gemeinnützigkeit wurde dem Trio zwar bislang nicht zugesprochen, aber das Prinzip funktioniert bei der Suche nach geeigneten Stücken bis heute.

Unsere Stücke atmen diesen maritimen Zeitgeist und tragen einen Regenmantel. (2)

„Unsere Stücke atmen diesen maritimen Zeitgeist und tragen einen Regenmantel.“ (2)

Vorschläge, die Fans über die Website www.hafennacht-ev.de loswerden, werden nach Begutachtung ins Repertoire aufgenommen oder dienen als Inspiration: „Die Leute legen eine Fährte. ,Hört euch doch mal die Art von Musik an.‘ Dann gucken wir uns das an und entdecken dabei ganz neue Sachen“, freut sich Quistorf über die fruchtbare Zusammenarbeit. Deren Ergebnis hat die Gruppe bislang auf den CDs „Lieder vom Wasser“ aus dem Jahr 2005 und „Meer Lieder“ von 2007 verewigt. Zurückhaltend mit Gitarre und Akkordeon instrumentiert, fanden bislang neben Klassikern wie „Das Herz von St. Pauli“ oder „La mer“ auch moderne Stücke von Element Of Crime oder Rio Reiser ihren Platz auf den Silberlingen.

Auf der neuesten Veröffentlichung, verrät Uschi Wittich, werden diesmal eigene Stücke wie „Die See hat mich lieb“ mehr Raum bekommen: „Wir haben mehr und mehr angefangen, Lieder selbst zu schreiben. Wenn man in einem bestimmten Genre covert, denkt man irgendwann, jetzt musst du was eigenes dazu sagen.“ Das Ende der Probe soll dann aber doch einem Cover gehören. „Du lässt dich gehen“ von Charles Azna­vour will zunächst nicht so recht zum maritimen Programm von Hafenacht eV passen, aber dann präsentiert Uschi Wittich die entscheidende Textzeile. „Wenn deine Strümpfe Wasser zieh’n“, triumphiert sie vor ihren Kollegen und beweist damit zweierlei: Bei aller Melancholie kommt der Humor bei Hafennacht eV nicht zu kurz, und die Sängerin weiß sich bei der Auswahl der Songs durchzusetzen – obwohl sie als einziges Bandmitglied seekrank wird.
 

Text: Marco Lambrecht, Fotos: (1) Michael Heinsen, (2) Thomas Hampel

Quartier 05, März–Mai 2009 , Rubrik:    
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