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Das Herz der HafenCity

Nikolaus Bieber von der Überseequartier Beteiligungsgesellschaft mbH über die Entwicklung des neuen Quartiers.


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Ein weiteres Etappenziel ist erreicht. Die Rohbauten im nördlichen Areal des Überseequartiers sind größtenteils im Bau, am 17. Juni feiert das Investorenkonsortium Richtfest. Beim Gang über die Baustelle beantwortet Nikolaus Bieber, Geschäftsführer der Überseequartier Beteiligungsgesellschaft mbH, Fragen zum Projektkonzept.

Wir stehen hier zwischen dem Alten Hafenamt und dem Sumatrakontor von Erick van Egeraat. Wie wird es hier 2012 aussehen?
Hier wird sich der Überseeboulevard von Nord nach Süd erstrecken, und Richtung Elbe werden die Besucher einen Blick bis zu dem geplanten Science Center haben können. Die U-Bahn-Ausgänge hingegen erstrecken sich im Bereich des zweiten Bauabschnittes in ost-westlicher Richtung, um zusätzliche stark frequentierte Einzelhandels- und Gastroflächen zu ermöglichen. Aufgrund des städtebaulichen Konzeptes mit seinen vielen von Norden nach Süden und von Osten nach Westen verlaufenden visuellen Bezügen werden die Besucher nicht nur auf dem Boulevard flanieren, sondern auch seine Nebenflächen intensiv wahrnehmen. So, wie im Bereich des ehemaligen Strom- und Hafenamtes der Kontrast von denkmalgeschütztem Gebäude und Neubau eine Spannung erzeugt, verhält es sich auch mit dem unterschiedlich breiten Boulevard, der sich zu mehreren Plätzen hin öffnet und dann wieder etwas enger gefasst ist, um immer wieder neue Sichtachsen auf die von den verschiedenen Architekten gestalteten Gebäude zu eröffnen.

Am 17. Juni wird Richtfest gefeiert. Wird es aus diesem Anlass auch neue Informationen über die zukünftigen Nutzer des Überseequartiers geben?
Nein, dies wird eine projektspezifische Veranstaltung sein, da in erster Linie die Fertigstellung des Rohbaus gegenüber dem Alten Hafenamt gewürdigt wird. Hierbei handelt es sich um das Sumatrakontor, das die Kapitalgesellschaft TMW Pramerica Property Investment GmbH für den von ihr verwalteten TMW Immobilien Weltfonds erworben hat. Diesen Fokus wollen wir, auch im Interesse des Käufers, der sich hier schon sehr frühzeitig engagiert hat, nicht unnötig erweitern.

Das Überseequartier ist geprägt von Gebäudenamen wie „Silk“, „Linnen“, „Arabica“, Waren, die traditionell im Überseehandel verschifft wurden, und Straßennamen wie „San-Francisco-Straße“ und „Shanghaiallee“. Warum wurden sie speziell für dieses Gebiet ausgewählt?
Entscheidend dafür ist natürlich die exponierte Lage auf Flächen des ehemaligen Freihafens und die Nähe zum Hafen als traditionellem Übersee-Handelszentrum dieser Stadt. So steht beispielsweise das Cruise Terminal sinnbildlich für das internationale Flair und den Bezug zu den anderen Erdteilen. Wir wollten also einerseits an die Geschichte des Ortes anknüpfen, andererseits sind Häusernamen ausgesprochen identitätsstiftend und lassen sich wesentlich besser vermarkten. So werden sich auch die Bewohner schnell an den Namen der Häuser orientieren, und man wird dann nur noch beispielsweise von dem „Arabica-Haus“ sprechen.

In Bezug auf das Überseequartier ist von „urbaner Vielfalt“ und einem „zukunftsträchtigen Standort“ die Rede. Bezieht sich das nur auf die wirtschaftliche Entwicklung oder wurde auch das Thema ökologische Nachhaltigkeit in das Konzept integriert?
Ja, natürlich, bei den Gebäuden haben wir von vornherein sehr viel Wert auf die Erfüllung von Nachhaltigkeitskriterien bzw. Effizienz beim Energieverbrauch gelegt, und dies geschah zu einem frühen Zeitpunkt auf freiwilliger Basis. Hierbei orientieren wir uns stark an den Ansprüchen unserer Endinvestoren.

Modell des Überseequartiers: Hier sollen sich Arbeit, Wohnen und Freizeit treffen.

Modell des Überseequartiers: Hier sollen sich Arbeit, Wohnen und Freizeit treffen.

Welche Probleme ergeben sich für Sie aus der Tatsache, dass Sie vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise Investoren für die Objekte des Überseequartiers finden müssen, und was hat sich dadurch verändert?
Man sollte eher von anderen Aufgaben sprechen, die wir bei der Suche nach Investoren lösen müssen. Es ist momentan so, dass man bei den Endinvestoren einen gewissen Trend in Richtung berufsständische Versorgungswerke, Pensionskassen und beispielsweise auch

„Wir wollten an die Geschichte des Ortes anknüpfen.“

Geschlossene Fonds erkennen kann. So haben die wesentlich günstigeren Refinanzierungsmöglichkeiten im Fremdfinanzierungsbereich dazu geführt, dass auch perspektivisch geschlossene Fonds sich verstärkt im höherpreisigen Segment engagieren können. Das ist ein Beispiel dafür, dass die ‚Krise’ auch interessante Effekte haben kann. Es ist aber auch so, dass wir vermehrt aus Deutschland stammende Endinvestoren sehen, der Anteil der Ausländer hat sich eher reduziert.

Ein besonderer Anziehungspunkt soll das von Rem Koolhaas entworfene Science Center sein, das privat finanziert werden soll. Gibt es schon Investoren?
Nein, der Schwerpunkt liegt momentan in der weiteren planerischen und konzeptionellen Ausarbeitung des Gesamtprojektes. Die weitere Entwicklung der anderen Punkte erfolgt zum Teil parallel bzw. muss dann gewissermaßen in einem iterativen Prozess zusammen mit der Freien und Hansestadt Hamburg erfolgen.

In Zusammenhang mit den zukünftigen Nutzern wird immer von „Innovationsmietern“ gesprochen. Gibt es dafür schon ein konkretes Beispiel?
Wir haben bereits Mietverträge abgeschlossen und führen weiterhin parallel Verhandlungen sowohl mit klassischen Ankermietern als auch Innovationsmietern. Wir wollen dabei den neuen Mietern den größtmöglichen Spielraum einräumen. Es gibt schon verschiedene Interessenten für den Innovationsbereich. Dieser ist dadurch definiert, dass wir insbesondere Nutzer suchen, die durch eine anspruchsvolle Gestaltung der Laden- oder der gastronomischen Einheiten oder durch neuartige Produkte auffallen, die bislang in Hamburg noch nicht angeboten werden. Vorstellbar wäre auch, dass es sich um Nutzer handelt, die noch nicht in Hamburg oder gar Deutschland vertreten sind. Eine Kombination der unterschiedlichen Kriterien wäre auch denkbar.

Einen besonderen Wert legen Sie auf das zukünftige Quartiersmanagement. Welche Aufgaben wird es haben, und wer sind die Mitglieder?
Das Quartiersmanagement wird von der Quartiersmanage-mentgemeinschaft beauftragt und wird die zentrale Managementinstanz für die Funktionen des Quartiers als städtischer Raum. Man muss es sich wie einen „Stadtteilsbürgermeister“ vorstellen. Die Mitglieder der Quartiersmanagementgemeinschaft werden sich aus den Endinvestoren zusammensetzen. Die Aufgaben des Quartiersmanagements sind das Thema Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum, Müllentsorgungsmanagement, Sauberkeit, aber auch Standortmarketing und die Koordination von häuserübergreifenden und quartiersbezogenen Marketingveranstaltungen sowie die Zusammenarbeit mit dem Betreiber der Tiefgaragenflächen.

Es wird zwar zukünftig den Lohsepark in der HafenCity geben, im Überseequartier selbst scheinen die Mieter auf Grün jedoch weitgehend verzichten zu müssen, oder?
Der Überseeboulevard ist die Hauptschlagader des Quartiers. Mit Blick auf die Breite des bewusst innerstädtischen Boulevards von durchschnittlich 12 Metern müssen wir zunächst auf die für die Fußgänger optimale Wegeführung achten. Aber wo immer wir später in der Endphase des Projektes Grünflächen schaffen können, werden wir sie schaffen. Bei der Gestaltung der öffentlich zugänglichen Flächen kooperieren wir eng mit dem Architektenbüro Beth Galí aus Barcelona.

Betont wird beim Überseequartier seine Lebendigkeit, die Mischung aus Wohnen, Leben und Arbeiten und den vielfältigen Einkaufsangeboten. Wer werden die Bewohner dieses pulsierenden Viertels sein, besonders familienfreundlich klingt das nicht?
Die Menschen, die hier in der Innenstadt leben, suchen nicht unbedingt das ruhige Leben im Grünen, sondern sie bevorzugen die lebendige und urbane Atmosphäre. Deswegen haben wir hier auch einige tausend Quadratmeter Gastronomiefläche eingeplant. Ein guter Gastronom schaut immer, wie viele andere Gastronomieflächen es in seinem Umfeld noch gibt, denn für ihn ist es auch von Interesse, dass der Besucher ein abwechslungsreiches Angebot vorfindet. Wir sind aber auch der Überzeugung, dass dieses lebendige Viertel Familien anzieht. Am Kaiserkai haben wir damit erste Erfahrungen gesammelt, denn dort haben wir auch ein Haus für einen Investor errichtet, in dem Mieter aller Altersklassen ihre Wohnung gefunden haben. In der Nachbarschaft wird beispielsweise auch eine Grundschule gebaut und darum gehen wir davon aus, dass hier auch viele Familien mit Kindern ein gutes Umfeld vorfinden. Sicherlich wird es hier auch einen größeren Anteil derer geben, die sich im fortgeschrittenen Alter dazu entschlossen haben, aus dem Umland wieder in die Stadt zurückzuziehen. Das Spannende an der HafenCity insgesamt ist die Fülle von Angeboten auf komprimiertem Raum. Vor allem auch die Kombination von Elbphilharmonie, den Museen der Speicherstadt und dem Maritimen Museum. Und natürlich die Lebendigkeit, die durch das Kreuzfahrtgeschäft entstehen wird. Hinzu kommen das Science Center und die HafenCity Universität. Ein fantastischer Querschnitt also.


DAS ÜBERSEEQUARTIER

Größe des Geländes: 7,9 Hektar
Gebäude insgesamt: 16 mit 274.500 qm BGF und ca. 150 Ladenlokalen
Wohnflächen (BGF): ca. 53.000 qm
Büroflächen (BGF): ca. 124.500 qm
Einzelhandelsflächen (BGF): ca. 52.000 qm
Gastronomieflächen (BGF): ca. 14.000 qm
Hotelflächen inkl. Cruiseterminal (BGF): 31.000 qm
Anbindung: durch die U4, Station „Überseequartier“
Herausragende Bauwerke: Kreuzfahrtterminal „La Mariposa“ mit Hotel, Science Center (Entwurf: Rem Koolhaas/OMA), Waterfront Towers (Büro und Gastronomie)
Fertigstellung des nördlichen Teils: größtenteils 2010,
Fertigstellung des südlichen Teils: 2012

Hamburgs größte zweigeschossige Tiefgarage mit insgesamt ca. 3.400 Stellplätzen. Betreiberin des nördlichen Teils mit 1.160 Stellplätzen ist die Contipark Parkgaragen GmbH. In den beiden nördlichen Quartiersteilen Am Kaffeelager und Altes Hafenamt entstehen rund 360 Wohnungen inklusive Einzelhandelsgeschäften und Gastronomie im Erdgeschoss. In den südlichen Quartiersteilen befinden sich die Geschäftshäuser mit integrierten Flächen für Geschäfte, Bistros, Cafés und Restaurants. Im Überseequartier sollen ca. 1.000 Menschen leben, ca. 7.000 ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen, und es wird mit ca. 40.000 Besuchern täglich gerechnet.

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Interview: Petra Schreiber, Fotos: Thomas Hampel

Quartier 06, Juni–August 2009 , Rubrik:    
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