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Der Umwelt zuliebe

Unilever und der Spiegel haben es. Greenpeace hat es bald. Das Umweltzeichen der HafenCity Hamburg GmbH.


Marco-Polo-Tower und Unilever-Zentrale – in Vorbereitung ist die Verleihung des Umweltzeichens der HafenCity Hamburg GmbH in Gold für die Unilever-Zentrale von Behnisch Architekten.

Marco-Polo-Tower und Unilever-Zentrale – in Vorbereitung ist die Verleihung des Umweltzeichens der HafenCity Hamburg GmbH in Gold für die Unilever-Zentrale von Behnisch Architekten.

Noch vor wenigen Jahren als Öko-Vokabel belächelt, ist das Wort Nachhaltigkeit inzwischen in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. Dabei wird häufig vergessen, dass die Diskussion, die der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung 1987 ausgelöst hat, ursprünglich vor allem eines zum Ziel hatte: eine umweltgerechte wirtschaftliche Entwicklung, die die Bedürfnisse zukünftiger Generationen nicht beeinträchtigt. Bei Haushaltsgeräten oder Autos ist es längst selbstverständlich geworden, auf energiesparende Modelle zu setzen. Moderne Kühlschränke verbrauchen durchschnittlich nur noch ein Viertel der Energie, die ein Kühlschrank vor dreißig Jahren verbraucht hat. Noch nicht durchgesetzt hat sich hingegen die Idee, auch Gebäude nachhaltig zu bauen. CoStar, der führende Informationsdienst für Gewerbeimmobilien in den USA, hat erst kürzlich festgestellt, dass es wahrscheinlicher ist, in einer Hitzewelle zu sterben, als dass ein zufällig ausgewähltes Büro- oder Industriegebäude nach Nachhaltigkeitskriterien gebaut wurde.

TGBRS TERI’S, CASBEE und BREEAM

Inzwischen setzt sich unter Investoren in den USA und auch andernorts die Auffassung durch, dass nachhaltig gebaute Gebäude einen höheren Marktwert besitzen. Während sie nämlich von geringeren Versicherungsbeiträgen, niedrigeren Betriebskosten, höheren Mieteinnahmen, staatlicher Förderung und Steuervergünstigungen profitieren können, werden konventionelle Gebäude zu Problemfällen, die teuer saniert werden müssen.

Um energiesparende Baumaßnahmen zu dokumentieren, haben sich inzwischen rund um den Globus verschiedene Bewertungssysteme für Gebäude durchgesetzt. Wegen der Fülle unterschiedlicher Bezeichnungen werden sie inzwischen häufig einfach Umweltsiegel genannt: Building Research Estab-lishment Assessment Method (BREEAM), das weltweit erste Nachhaltigkeitszertifikat aus Großbritannien; Comprehensive Assessment System for Building Environmental Efficiency (CASBEE) aus Japan, das so kompliziert ist, das es eigentlich nur wenige Fachleute verstehen; oder The Energy and Resources Institute, Green Building Rating System (TGBRS TERI’S) aus Indien. Am weitesten verbreitet ist das US-amerikanische LEED (Leadership in Energy and Environmental Design), das auch in Kanada, in Brasilien und den Vereinigten Arabischen Emiraten verwendet wird. In Dubai, wo Milliardenbeträge in riesige, im Meer künstlich aufgeschüttete Luxusinseln in Form von Palmen oder Weltkarten investiert werden, sollen zukünftig alle Neubauten nach LEED-Standard gebaut werden. Dass fast alle Industrienationen heute ein System zur Zertifizierung von Gebäuden einsetzen, spiegelt die Bedeutung, die nachhaltigen und vor allem energiesparenden Bauweisen inzwischen beigemessen wird.

20-20-20

In Deutschland wird vierzig Prozent der Energie von Gebäuden verbraucht. Sie zählen nicht nur in Deutschland zu den Verursachern von Treibhausgasemissionen und stehen deshalb im Mittelpunkt ehrgeiziger Pläne der Europäischen Union. Insgesamt soll bis 2020 der Anteil erneuerbarer Energien am Energieverbrauch auf zwanzig Prozent erhöht, der Energieverbrauch um zwanzig Prozent gesenkt und der CO2-Ausstoß um zwanzig Prozent verringert werden. Da das Kyoto-Protokoll in drei Jahren ausläuft, will sich Europa auf der UN-Klimaschutzkonferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 als Wegbereiter für ein wirksames Nachfolge-Abkommen präsentieren.

Um das 20-20-20-Ziel zu erreichen, hat die Bundesregierung ein ehrgeiziges und umfangreiches Energie- und Klima-programm auf den Weg gebracht, das die EU-Richtlinien in nationales Recht umsetzt. Die darin enthaltenen Energieeinsparverordnungen mit dem Kürzel EnEV werden regelmäßig erweitert und verschärft, teilweise im Abstand von nur zwei oder drei Jahren. Viele öffentliche Auftraggeber, aber auch Investoren und Architekten gehen deshalb bei Ausschreibungen bereits heute über die Anforderungen der aktuellen Verordnungen hinaus, um den absehbaren Vorgaben für die Zukunft gerecht zu werden.

Für viele Bauherren liegt es deshalb nicht mehr fern, gleich nach den Kriterien eines Umweltsiegels zu bauen. Allerdings wurde in Deutschland lange kein Bewertungssystem für die speziellen Anforderungen des eigenen Marktes entwickelt, obwohl deutsche Unternehmen und Architekten seit Jahren international im Bereich Nachhaltigkeit arbeiten.

Dreißig Prozent Gold

Nachhaltiges Bauen wurde in den USA noch vor wenigen Jahren in geschlossenen Veranstaltungen zwischen wenigen Spezialisten erörtert. Nachdem sich aber die Auffassung vom höheren Verkaufswert nachhaltiger Gebäude durchgesetzt hat, ist das Interesse sprunghaft angestiegen. Der US Green Building Council, der das LEED-Zertifikat vergibt, zählt heute mehrere Tausend Mitglieder. In Deutschland wird die Diskussion um nachhaltige Bauweisen unter ganz anderen, vor allem ökologischen Gesichtspunkten geführt. Im Vordergrund steht nicht die Aussicht auf finanziellen Gewinn, sondern die Bereitschaft zu finanziellen Opfern. Für viele Investoren war Umweltschutz aber lange kein ausreichender Anreiz, um höhere Baukosten für umweltschonende Baumaterialien oder die Versorgung mit erneuerbaren Energien in Kauf zu nehmen.

Die HafenCity Hamburg GmbH entwickelt schließlich 2007 das erste Umweltsiegel für Gebäude und übernimmt damit eine Vorreiterrolle in Deutschland. Anders als bei den üblichen Zusammenschlüssen von Unternehmen zu Vereinen, die dann Zertifikate häufig an ihre eigenen Vereinsmitglieder vergeben, kann die HafenCity Hamburg GmbH ihr Umweltsiegel unabhängig als Instrument der Stadtentwicklung einsetzen. Inzwischen haben sich eine ganze Reihe von Unternehmen dafür entschieden. Zu den ersten gehörten der Spiegel-Verlag, der an der Ericus-Spitze seine neue Zentrale errichtet, und die HafenCity-Grundschule, deren Architekten Spengler und Wiescholek auch das Hamburghaus für die Expo 2010 in Shanghai entwarfen. Die HafenCity Universität erhält das Umweltsiegel, ebenso Unilever. Das Architektenbüro Behnisch, das den Entwurf für die neue Unilever-Zentrale lieferte, hat bereits 2004 eine neue Hauptniederlassung für die Genzyme Corporation nach LEED-Platin-Standard errichtet, mit dem der amerikanische Medikamentenhersteller sein Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Umwelt demonstriert hat. Zunächst als freiwilliges Element gedacht, wird das Umweltsiegel heute bereits für viele Grundstücke zur Bedingung gemacht, zum Beispiel am östlichen Magdeburger Hafen. Für die zentrale und östliche HafenCity wird beabsichtigt, mindestens dreißig Prozent der Gebäude nach Goldstandard entwickeln zu lassen.

Wer das Umweltzeichen der HafenCity Hamburg GmbH in Gold erwerben will, muss die betreffenden Kriterien bereits im Planungsprozess berücksichtigen.

Wer das Umweltzeichen der HafenCity Hamburg GmbH in Gold erwerben will, muss die betreffenden Kriterien bereits im Planungsprozess berücksichtigen.

Während der Schwerpunkt der meisten Bewertungssys-teme auf Energieeinsparung in Gebäuden liegt, geht das Umweltzeichen der HafenCity Hamburg GmbH einen Schritt weiter. Ziel ist eine nachhaltige Gesamtentwicklung. Neben dem Energiebedarf, der Verwendung umweltschonender Baustoffe, einem nachhaltigen Gebäudebetrieb und der besonderen Berücksichtigung von Gesundheit und Behaglichkeit der späteren Gebäudenutzer macht es auch den Umgang mit öffentlichen Gütern zu einem wichtigen Kriterium für die Zertifizierung. Ziel ist, dass Investoren und Bauherren Verantwortung für den öffentlichen Raum in der wachsenden HafenCity übernehmen, etwa indem sie die Erdgeschosse ihrer Bauvorhaben mittels Cafés oder Shops öffentlich zugänglich machen und ihre Gebäude dem öffentlichen Leben öffnen, anstatt sich ihm zu verschließen. Herausgekommen sind Gebäude, die hinsichtlich Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit wegweisend sind.

Auf dem Weg zur nachhaltigen Stadt

Das Umweltzeichen und auch die weiteren Ziele der Hafen-City Hamburg GmbH sind Teil eines übergeordneten Nachhaltigkeitsgedankens. Als Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen beteiligt sie sich überregional an der Diskussion zu nachhaltiger Stadtentwicklung. Bereits 2002 hat sie durch eine europaweite Ausschreibung eine zentrale Wärmeenergieversorgung für die westliche HafenCity in die Wege geleitet, die durch einen Energiemix aus Fernwärme, Brennstoffzellen- und Solartechnologie pro Kilowattstunde nicht mehr als 175 Gramm CO2 freisetzt. Für die östliche HafenCity wird dieser Kennwert noch einmal unterschritten. Den neuen ökologisch nachhaltigen Anforderungen zu folgen, macht zwar in vielen Bereichen ein Umdenken notwendig, aber wer heute in der HafenCity umwelt- und verantwortungsbewusst bauen will, weiß, dass es keine Alternative gibt.

Text: Nikolai Antoniadis, Foto: Thomas Hampel, Illustration: Andy Lindemann

Quartier 06, Juni–August 2009 , Rubrik:    
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