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Down by the Riverside

Zwei Tage, zehn Orte, 30 Konzerte. Mit Elbjazz soll Hamburg 2010 ein neues internationales Jazzfestival bekommen.


Jazz in der HafenCity, etwa das Tingvall Trio in der Austernbar im Kaispeicher B (hier Bassist Omar B. Calvo).

Jazz in der HafenCity, etwa das Tingvall Trio in der Austernbar im Kaispeicher B (hier Bassist Omar B. Calvo).

Tot? Hanseatischer Jazz? Durchaus nicht, selbst wenn er in der Notaufnahme landet. In einer ehemaligen, heute bekannt unter dem Namen „Hadley’s“. Das Cafe ist im „Stadthaus Schlump“ angesiedelt, einst Hospital, heute Wohn- und Arbeitsplatz für mehr als hundert Menschen. Dass an jedem Montag dort Musiker der lokalen Szene auftreten, ist erfreulich, ändert aber wenig daran, dass Hamburg sich als Jazzstadt mit Berlin oder München kaum messen kann.

Ein Zustand, gegen den Tina Heine, die ursprünglich aus Celle stammende Betreiberin des „Hadley’s“, schon seit längerem angeht. Ihr erster Anlauf für ein Jazzfestival im Umfeld der Kunsthalle scheiterte vor allem daran, dass es dort an Räumlichkeiten mit geeigneter Akustik fehlt. Beim zweiten Versuch kam eine Hanseatin mit ins Spiel, für die von Anfang an klar war, wo ein solches Festival stattfinden sollte: im Hafen, an der Elbe. Nina Sauer stammt aus einer Flottbeker Kaufmannsfamilie. Seit Schulzeiten zieht es sie immer wieder ans Elbufer zum Dicke-Pötte-Kucken. „Ich liebe aber auch den Blick auf den Containerhafen mit seinen ewig blinkenden Portalkatzen“, ergänzt die Eventmanagerin, die auch im Hauptberuf das Interessante dem oberflächlich Glatten vorzieht.

Der Hafen als gewichtiger Platz auf der Landkarte der improvisierten Musik.

Der Hafen also, als an originellen Schauplätzen reiches, um die Katharinenkirche ergänztes Quartier für ein Jazzwochenende im späten Mai des kommenden Jahres. Zehn Bühnen, 30 Konzerte, bekannte Jazzgrößen und spannende Neuentdeckungen, lokal oder international: Die beiden Initiatorinnen haben sich viel vorgenommen, gehen als Außenseiterinnen im Veranstaltungswesen ans Werk, ohne originelle Ideen mit einem routinierten „Geht sowieso nicht“ abzuwürgen. Bevorzugt am Küchentisch in Tina Heines Wohnung über dem „Hadley’s“ wird geplant und gefeilt, erdacht und errechnet. Dabei muss die Mutter zweier munterer Töchter ständig ihre Virtuosität im Multitasking trainieren, Konzepte diskutieren, Marmeladenbrote schmieren, Interviews geben und „zwischendurch mal schnell unten bedienen gehen“. Erst Round About Midnight wird es ruhiger, und sie kann sich ganz Elbjazz widmen.

Tina Heine (links) und Nina Sauer (rechts) haben Großes vor: 2010 soll das ganze Hafengebiet zur Jazzbühne werden.

Tina Heine (links) und Nina Sauer (rechts) haben Großes vor: 2010 soll das ganze Hafengebiet zur Jazzbühne werden.

Es kommt ihr dabei zugute, dass sich im „Hadley’s“ zwischen Universität und NDR gerne Musiker und anderes kreatives Volk treffen, stets bereit, ein wenig Netzwerk zu spielen fürs Festivalprojekt. Mittlerweile hat es, unterstützt durch erste Sponsorengelder, Fahrt aufgenommen und zunächst im Stadtzentrum Anker geworfen. Sogar der eine oder andere Abgeordnete der Bürgerschaft soll im Rathaus während der Langen Nacht der Museen am 16. Mai am Klavier oder Saxophon gesichtet worden sein.

In einem zweiten Schritt kommt der Elbjazz dann ganz zu sich, mitten in der HafenCity. Besucher des Jazzpicknicks auf den Marco-Polo-Terrassen können am 23. August versuchen, einen Rasenplatz mit Blick auf den Grasbrookhafen zu ergattern. Und es gibt nicht nur Livemusik. Am frühen Abend werden prominente Hamburger an den Plattentellern dafür sorgen, dass ihre Lieblingssongs Begeisterung oder Kopfschütteln ernten. Wer nicht schon als Jazzfan an die Elbe gekommen ist, kann beim Picknick vor allem eines erfahren: dass man schnell einer werden kann, wenn Jazz als lebendiges Ereignis auf der Bühne präsentiert wird statt als Klangkonserve für Insider.

Als „Ankerveranstaltung“ für ein deutlicher an Jazz interessiertes Publikum ist noch für dieses Jahr ein „Hot Dock“-Konzert als größerer Appetithappen angedacht. Als optimaler Schauplatz im Gespräch: ein Trockendock bei Blohm + Voss. 2010 soll es dann in die Vollen gehen: Jazz und Anverwandtes unterschiedlichster Stilarten von Soul bis Latin und Pop für ein nicht weniger buntes Publikum, präsentiert an Spielstätten, die übers ganze Hafengebiet verteilt sind. Und sogar auf den Fähren, die die Bühnen miteinander verbinden, wird Musik gemacht werden. Ein ungewöhnliches Hafenfest also, für Einheimische und Touristen, das dem Jazz ein neues Quartier eröffnet und auf längere Sicht Hamburg einen gewichtigeren Platz auf der Landkarte der improvisierten Musik sichern soll.


ELBJAZZFESTIVAL
1. Ankerwurf: Am 16. Mai 2009 spielte ELBJAZZ während der Langen Nacht der Museen im Hamburger Rathaus.
2. Ankerwurf: Am 23. August 2009 laden ELBJAZZ und die HafenCity Hamburg GmbH zum Jazzpicknick auf den Marco-Polo-Terrassen ein.
3. Ankerwurf: Für Herbst 2009 plant ELBJAZZ ein „Hot Dock“-Konzert im Blohm + Voss-Dock.
Endstation: Am 28./29. Mai 2010 legt ELBJAZZ im Hafen an.
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Text: Klaus von Seckendorf, Fotos: Thomas Hampel

Quartier 06, Juni–August 2009 , Rubrik:    
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