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Grenzerfahrungen

Von geschmuggeltem Alkohol in Erbsendosen bis zu grünen Elefanten – das umfassend neu gestaltete Zollmuseum präsentiert seine Sammlung.


Im modernisierten Zollmuseum sind Exponate aus 2.000 Jahren Zollgeschichte ausgestellt. (1)

Im modernisierten Zollmuseum sind Exponate aus 2.000 Jahren Zollgeschichte ausgestellt. (1)

Kokain in ausgehöhlten Haselnüssen und präparierten Mandeln, Alkohol in Erbsenkonserven, Haschisch im Autoreifen oder unversteuerte Zigaretten in Lederfußbällen: Zahlreiche Exponate im Deutschen Zollmuseum in der Hamburger Speicherstadt zeugen von mehr oder weniger originellen, durchweg aber gescheiterten Versuchen, deutsche Zollbeamte zu überlisten. Einige Schmuggler haben sich zugegebenermaßen auch nicht besonders geschickt angestellt: So flog der Trick mit den Erbsenkonserven wegen eines simplen Rechtschreibfehlers auf den Etiketten auf, und ein angeblicher Golfsport-Fan konnte vor den „Grünen“ nicht so recht plausibel machen, warum er mitten im deutschen Winter ausgerechnet mit weißen Bällen spielen wollte. Die misstrauischen Beamten förderten denn auch reichlich „Stoff“ aus den importierten Sportutensilien zutage.

Im denkmalgeschützten ehemaligen Zollamt Kornhausbrücke, in dem noch bis 1985 die Teppichladungen aus dem Hamburger Hafen abgefertigt wurden, befindet sich seit 1992 das offizielle Zollmuseum der Bundesrepublik Deutschland. Bekanntlich ist der Zoll eine Bundesbehörde und untersteht dem Finanzministerium. Zur guten Tradition gehört denn auch, dass der amtierende Bundesfinanzminister als Dienstherr das historische Backsteingebäude in der Speicherstadt persönlich besichtigt. Das Museum im alten Zollamt jedenfalls gehört sicherlich zum Spannendsten, was das Ministerium Steinbrück zu bieten hat. Archivarin Susanne Mehrkühler, heute stellvertretende Museumschef-in, erinnert sich an die Anfänge: „Es gab über die ganze Republik verstreut verschiedene Zollsammlungen, die hier zusammengefasst wurden.“ Zunächst mussten viele Exponate ganz schlicht vor der Vernichtung bewahrt werden: Elektrogeräte mit alten Batterien, leicht verderbliche, explosive oder giftige Warenproben, Uniformen oder gar Tierpräparate, die auf der Speisekarte der vier großen „M“ standen: Mäuse, Motten, Milben und Museumskäfer.

Im alten Zollamt der Hamburger Speicherstadt: Wo könnte das offizielle Zollmuseum der Bundesrepublik besser untergebracht sein. (2)

Im alten Zollamt der Hamburger Speicherstadt: Wo könnte das offizielle Zollmuseum der Bundesrepublik besser untergebracht sein. (2)

Zuletzt wurde das Museum, das inzwischen schon rund 1,6 Million Besucher zählen konnte, zwei Jahre lang komplett neu gestaltet und museumspädagogisch modernisiert und hat seit Herbst 2008 seine Pforten wieder geöffnet. Wohlgeordnet und übersichtlich, zeigt es weiterhin einen spannenden Abriss über die Geschichte des Zolls, die für uns mit dem Apostel Matthäus beginnt, der bekanntlich Zöllner war. Das Haus verfügt über rund 40.000 Exponate, die natürlich nicht alle gezeigt werden können. Eines der ältesten Exponate stammt aus dem Jahr 41 n. Chr.: eine römische Torhausquittung aus Papyrus.

Über alle Zeiten hinweg haben Staaten und Herrscher viel Kreativität bei der Eintreibung von Abgaben entwickelt: Mauten, Wege-, Brücken- und Torzölle, um nur die größten „Kassenschlager“ zu nennen. Vom römischen Benefiziarier, der, mit rotem Umhang gekleidet, am Limes den Warenverkehr zu kontrollieren hatte, bis zum legendären DDR-Grenzzöllner, der es nicht nur auf „Waffen,
Munition, Funkgeräte“ sondern vor allem auf westliche „Propaganda“ – sprich: Zeitungen und Zeitschriften aller Art – abgesehen hatte, wurde über Jahrhunderte kassiert, konfisziert und abgelöst.

Jedes Exponat erzählt eine eigene Geschichte.

Vor noch nicht 200 Jahren war Deutschland in zahlreiche Klein- und Kleinststaaten zergliedert, die über eigene Maße, Gewichte, Währungen und natürlich Zollgrenzen verfügten. Erst die Gründung des Deutschen Zollvereins ab 1834 und die Einführung des Vereins-
talers als Gemeinschaftswährung – Hamburg trat übrigens erst 1888 bei – machte dem Zoll- und Grenzchaos im Inland ein Ende. Mit der deutschen Wiedervereinigung 1990 und dem Wegfall innereuropäischer Grenzen schließlich wandelten sich die Anforderungen an Zolldienst: Neben allgemeinen Einfuhrabgaben stehen nun die Auf- und Entdeckung von Steuerhinterziehung, Billigimporten und Plagiaten, von Rauschgift- und Waffenschmuggel und der Schutz weltweit gefährdeter Tierarten im Mittelpunkt. Praktisch jedes der im Zollmuseum gezeigten Exponate birgt eine eigene Geschichte in sich. Und die 13 Mitarbeiter, fast alle aktive Zollbeamte, können so manch’ „Döntjes“ dazu erzählen: Vom „Grünen Elefanten“ etwa, dem bulligen Zollmotorrad, das über den Köpfen der Besucher hängt, oder von Diamanten in Streichholzschachteln, von Millionen nachgemachter Sportschuhe, die im Hamburger Hafen entdeckt wurden oder von martialischen Waffen, die die Beamten fast täglich an deutschen Grenzen beschlagnahmen müssen. Vor der Tür des Museums schließlich liegt – natürlich im Zollkanal – der ausgemusterte Zollkreuzer „Oldenburg“, der ebenfalls zu besichtigen ist. Kein Wunder also, dass das Deutsche Zollmuseum am Alten Wandrahm 16 längst den Status eines Geheimtipps übersprungen hat und mit steigenden Besucherzahlen glänzen kann – mehr als 100.000 pro Jahr. Seit Oktober 2008 zahlen Erwachsene übrigens zwei Euro Eintritt – Kinder und Jugendliche sind weiterhin frei.  

Deutsches Zollmuseum
Alter Wandrahm 16, 20457 Hamburg
Di. bis So. von 10 bis 17 Uhr
www.deutsches-zollmuseum.de

Text: Michael Hertel; Fotos: (1) Thomas Hampel, (2) Deutsches Zollmuseum

Quartier 06, Juni–August 2009 , Rubrik:    
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