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Gegenwartskunst jenseits des etablierten Kunstbetriebs. Das ist Gegenstand des Offkunst-Festivals Subvision, das vom 26. August bis zum 6. September 2009 am Strandkai in der HafenCity stattfindet.

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Offkunst? Ein Hamburger Offkunst-Festival hat sich vor einigen Jahren sehr ausführlich mit der Frage beschäftigt, was off ist, und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen: Man kann es nicht sagen. Die gute Nachricht ist, dass Offkunst keinerlei Kulturanspruch erhebt und sich auch sonst gerne abseits von gesicherten künstlerischen Werten bewegt. Dadurch werden die vielfältigsten Ideen und Arbeitsweisen nicht nur off, sondern auch Kunst. Die Begriffe, die in den einschlägigen Internet-Blogs für sie gefunden werden, sind Szene-Chinesisch der allerfeinsten Sorte: Artist Run Spaces, Peer Groups, Adbusting und Cultural Jamming. Es gibt situative Intervention, virale Distribution und ephemere performative Arbeitsformate. Wahrscheinlich wissen weniger als fünf Prozent aller Deutschen, was ephemere Arbeitsformate sind. Das ist wirklich off.

Verdammte, Parasiten, Leninisten

Dieses Kunstverständnis verlangt nach professionellen Dolmetschern. Deshalb haben Studenten der Hochschule für Bildende Kunst Wege erarbeitet, um die vorgestellten Arbeiten an den Laien heranzutragen. Entsprechend der Natur der Projekte geht es nicht um klassische Führungen, bei denen Zuschauer die Ausstellungsgegenstände abschreiten, sondern vor allem um einen Dialog zwischen den Künstlern und dem Publikum. Off wird dabei nicht als Label, sondern als Suchwort verstanden. Die Vermittlungskonzepte, die dabei herausgekommen sind, tragen vielsagende Namen: Cross-Over, Blind Date, Submarine, Frequently Asked Questions On Art, Fast Food.

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Die Vermittlung lohnt sich, denn das Festival hat spannende Projekte eingeladen. Darunter Baltic Raw Org, ein „Parasit in Restnatur“, der vor wenigen Jahren die Kolonie Glückliche Erde in der HafenCity gegründet hat, oder das Künstlerkollektiv Gugulective aus Kapstadt. Publish and Be Damned aus London organisieren Buchmessen für Independent-Künstler, Schriftsteller und Musiker und können inzwischen ein beachtliches Archiv mit Low-Budget-Publikationen vorweisen. Mehrere russische Künstler, Schiftsteller und Philosophen, die unter dem Namen Chto Delat firmieren, haben sich das Ziel gesetzt, politische Theorie, Aktivismus und Kunst zusammenzuführen. Ihr Name zitiert sehr vielversprechend den Titel von Nikolai Tschernischewskis Novelle „Was tun?“, von Dostojewski verrissen, von Lenin (wer ist Lenin?) als Inspiration für die Revolution gepriesen. Ein rumänisches Projekt arbeitet seit vielen Jahren unter verschiedenen Namen. Heute heißt es CAA, kurz für Contemporary Art Archive. Oder für Centre for Art Analysis. Auf jeden Fall Art. Insgesamt finden dreißig Initiativen aus aller Welt Platz auf dem Gelände am Strandkai.

Off oder nicht

Eigentlich sollte Subvision schon im letzten Jahr stattfinden, wurde aber kurzfristig abgesagt. Dem Vernehmen nach war der sandige Untergrund am Strandkai nicht stabil genug, um die Ausstellungsarchitektur aus Containern und Stahlgerüsten sicher zu tragen. Von offizieller Seite hieß es, es sei eine längere Vorbereitungszeit nötig gewesen, um die umfangreichen technischen Voraussetzungen zu bewältigen. Kurz: Der Untergrund war nicht stabil genug.

Die Wahl des Festival-Geländes hat schon im vergangenen Jahr die Kommentatoren aus der Szene zu bissigen Sticheleien angespornt. Die HafenCity kann wohl als das genaue Gegenteil von off gelten. Aber auch von Kunst? Am Ende hat die Industrieromantik der Baustellen am Wasser die Organisatoren des Festivals überzeugt. Der Eindruck von Vorläufigkeit und Übergang schien ihnen einen angemessenen Rahmen zu bieten. Den Ausstellungsarchitekten dient der Standort zudem als Kontrast. Sie wollen sich, so lassen sie verlauten, „von der durchgeplanten Atmosphäre der HafenCity abgrenzen und mit dem Subvision-Gelände gewissermaßen einen Fremdkörper implantieren“.

Jenseits des Kunstbetriebs: Hamburg hat neben den etablierten Institutionen und Galerien eine vielfältige Off-Szene. Subvision legt den Schwerpunkt nicht auf die Arbeiten von Einzelnen, sondern auf Zusammen-schlüsse von Künstlern.

Jenseits des Kunstbetriebs: Hamburg hat neben den etablierten Institutionen und Galerien eine vielfältige Off-Szene. Subvision legt den Schwerpunkt nicht auf die Arbeiten von Einzelnen, sondern auf Zusammen-schlüsse von Künstlern.

Die HafenCity Hamburg GmbH versteht es allerdings nicht als Fremdkörper. Im Gegenteil hat sie das Festival zusammen mit dem Körber-Forum und der Hamburgischen Kulturstiftung finanziell großzügig gefördert. Nicht alle haben es ihr gedankt. Obwohl der Off-Begriff vielseitig ist, wird er als Markenzeichen in der Hamburger Szene heiß umkämpft. Ein Offkunst-Festival, das von den beiden großen Hamburger Institutionen für Gegenwartskunst, namentlich die Kunsthalle und die Deichtorhallen, in Zusammenarbeit mit der Kunsthochschule auf die Beine gestellt wird, ist eigentlich kein Offkunst-Festival. Und wenn es dann auch noch öffentlich finanziert ist, wird es eigentlich zu einer Obszönität. Diese Underdog-Mentalität ist vielen Subkulturen gemein. Sie fürchten, öffentliche Wertschätzung könnte ihren Sub-Status ruinieren. Am besten lässt man es einfach darauf ankommen: Wenn die eingeladenen Künstler auch die Kritiker des Festivals überzeugen, haben sich deren Einwände erledigt. Wenn nicht, ist es eben off.

Text: Nikolai Antoniadis, Fotos und Illustrationen: subvision Pressestelle

Quartier 06, Juni–August 2009 , Rubrik:    
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