Mit Sicherheit und Leichtigkeit
Die Hamburg Port Authority sorgt dafür, dass im Hafen alles reibungslos schwimmt und rollt. Als ehemalige Behörde arbeitet sie am Übergang zum Wirtschaftsunternehmen. Dabei nutzt sie die aktuelle Wirtschaftskrise für den Ausbau der Infrastruktur im Hafen.
Die innenstadtnahe Lage des Hafens ist Fluch und Segen zugleich. Segen wegen der kurzen Wege. Fluch, weil es eng wird und Erweiterungsmöglichkeiten eine (Landes-)Grenze haben. Auf den rund 3.000 Hektar Wasserfläche liefen im vergangenen Jahr 11.900 Seeschiffe in den Hafen ein. Hinzu kamen noch einmal 12.200 Binnenschiffe, die Waren über den Fluss weitertransportierten. Ähnlich wie der Tower auf einem Flughafen den Verkehr regelt, übernimmt das in Hamburg die Nautische Zentrale. Sie hat ihren Sitz auf der Höhe von Övelgönne, da wo Schiffe in den Köhlfleet abbiegen können. Die Nautiker wissen, wann welches Schiff in Hamburg ankommt, bei der Queen Mary meistens sogar ein Jahr im Voraus. Sie berechnen Einfahrzeiten für große Containerschiffe, die nur auf der Flutwelle in den Hafen einlaufen können, und organisieren die Umleitung des Gegenverkehrs. Ortsfremden Kapitänen zeigen sie, wie sie ihre Anlegeposition erreichen. Sie überwachen den gesamten Hafenverkehr, wissen immer, wo welches Schiff gerade liegt oder fährt. „Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs“ lautet die hoheitliche Aufgabe der Zentrale, die Teil der Hamburg Port Authority (HPA) ist.
Für die HPA ist bei ihrer Arbeit die Reduzierung der Umweltbelastung ein zunehmend wichtiges Thema.
Die HPA existiert in dieser Form erst seit vier Jahren. Weithin sichtbares Zeichen sind die goldenen Lettern am Block P in der Speicherstadt. In insgesamt vier Blöcken hat die Verwaltung der HPA ihren Sitz. 700 der rund 1.800 Angestellten arbeiten hier. Was die HPA genau macht, ist nicht in einem Satz zu erklären. Sie ist noch ein bisschen Behörde, aber auch schon ein wenig Unternehmen. Anstalt des öffentlichen Rechts nennt sich die Konstruktion mit Aufsichtsrat, Geschäftsführung und jährlichem Geschäftsbericht. Sie vermietet Flächen und Gleise im Hafengebiet, erfüllt aber auch öffentliche Aufgaben. Entstanden ist sie 2005 aus der Zusammenführung der hafenbezogenen Arbeitsgebiete zweier Behörden. Die englischsprachige Namenswahl ist keineswegs eine Modeerscheinung. „Fast alle Hafenverwaltungen in der Welt heißen Port Authority“, sagt Jens Meier, Vorsitzender der HPA-Geschäftsführung. Schon während der britischen Besatzungszeit hieß die Hamburger Hafenverwaltung so.
Die HPA ist für die gesamte Infrastruktur im Hafen verantwortlich, die Liste der Aufgaben ist lang: 300 km Schienen, 147 Brücken, 140 km Straßen, 55 km Kaimauern und diverse Tunnel, Schleusen und Leuchttürme instand halten. Das Hafenbecken und die Fahrrinne müssen ausgebaggert werden. Die Gezeiten sorgen dafür, dass sich Sedimente am Boden sammeln. Würden die nicht regelmäßig entfernt, wäre es mit der kommerziellen Seefahrt schnell vorbei. Die Strömung des Flusses bringt aus Richtung Osten ebenfalls Ablagerungen mit sich, die sich im Hafen am Grund sammeln – nicht alle ganz unbelastet. Diese Sedimente landen in der METHA-Anlage, der mechanischen Trennung und Entwässerung von Hafensedimenten. Auch die Elbstrände füllt die HPA immer wieder mit Sand auf, der vor Ort aus dem Fluss gebaggert wird. HPA-Mitarbeiter räumen nach dem Osterfeuer jedes Jahr den Strand wieder auf. Bei ihrer Arbeit kooperiert die Anstalt mit den Häfen in Stade, Glückstadt, Brunsbüttel und Cuxhaven. Und als kleine Perle: Die Pflege und der Betrieb des alten Elbtunnels ist ebenfalls HPA-Angelegenheit. Vereinfacht gesagt, alles was sich auf den 7.200 Hektar Hafenfläche abspielt, ist irgendwie Sache der HPA.
Den achten Stadtbezirk nennen die Mitarbeiter den Hafen. Wäre dieser Bezirk ein Organismus, dann würde er derzeit an zu niedrigem Blutdruck leiden. Die Schiffe pumpen zu wenig Container in den Kreislauf. Knapp 24 Prozent beträgt der Rückgang im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr bei den umgeschlagenen Seegütern. „Wir nutzen die Atempause der Wirtschaft für unsere Infrastrukturmaßnahmen“, sagt Meier. Er lässt keinen Zweifel daran, dass er an einen Aufschwung in Deutschlands größtem Seehafen glaubt. Doch jetzt kann man beispielsweise für den Austausch der Niedernfelder Eisenbahnbrücken den Bahnverkehr deutlich einfacher für 24 Stunden sperren, als es unter Volllast möglich wäre. Es steht die Westerweiterung des Container-Terminals am Waltershofer Hafen an. Hier entstehen für 400 Millionen Euro auf 40 Hektar zwei Tiefwasser-Liegeplätze für Großcontainerschiffe und eine 1.050 Meter lange Kaimauer. Eurogate, als Betreiber des Terminals, will nochmals 250 Millionen Euro in die Anlagen oberhalb der Wasserkante investieren.
Wäre der Hafen ein Organismus, dann würde er derzeit an niedrigem Blutdruck leiden: „Wir nutzen die Atempause der Wirtschaft für unsere Infrastrukturmaßnahmen.“
Mit einem Markterkundungsverfahren probiert die HPA zudem etwas komplett Neues. Sie bestimmt nicht, was mit dem Central Terminal Steinwerder zukünftig passieren soll, sondern fragt potentielle Nutzer nach deren Ideen. „Wir wählen jetzt 20 Kandidaten aus über 30 Bewerbungen aus, die ihre Vorschläge konkretisieren sollen“, sagt Meier. Die Anleger in Steinwerder haben eine V-Form. Eigentlich unpraktisch für große Containerschiffe. Nun waren im Markterkundungsverfahren weltweit Betreiber aufgefordert, Ideen für eine hafenwirtschaftliche Nutzung vorzuschlagen. Der HPA geht es vor allem darum, eine Lösung mit möglichst vielen neuen Arbeitsplätzen und wenig Umweltbelastung zu realisieren.
Umweltschutz ist ein wesentlicher Punkt in der Argumentation der Gegner einer Elbvertiefung. Die HPA ist hierbei zwar kein Entscheidungsträger, doch für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung des Standorts ist sie für die Vertiefung des Fahrwassers. Denn der Trend zu immer größeren Schiffen ist eindeutig. Die aktuelle Generation transportiert mehr als 12.000 Container (TEU). Hamburg ist ein wichtiger Anlaufpunkt für Waren aus China, die mit diesen Mega-Schiffen hier ankommen. Kleinere Feederschiffe übernehmen dann die Verteilung im Ostseeraum. Obwohl der Hamburger Hafen 120 Kilometer weit im Landesinneren liegt, spielt er hierbei einen Vorteil aus. Kein Transportmittel ist so günstig und ökologisch sinnvoll wie der Schiffstransport, vereinfacht gesagt wegen des Verhältnisses von Motorenleistung zu transportierter Menge. Müssten 12.000 Container per Bahn oder Lkw von Rotterdam ins Land transportiert werden, sähe die Bilanz anders aus. Doch bei der Elbvertiefung ist die HPA nur Zuschauer, genau wie bei den anderen großen Verkehrsprojekten der Zukunft. Ausgerechnet die Köhlbrandbrücke, als Wahrzeichen der Stadt, ist nicht der HPA unterstellt, weil eine Bundesstraße darüber führt. Ihr Neubau wird in den nächsten Jahrzehnten kommen, dann sogar noch etwas höher für die angesprochenen Containerschiffe. Auch bei der Hafenquerspange, also der Verbindung der Autobahnen 1 und 7 südlich der Elbe, kann die HPA nicht mitreden, weil sie Sache des Bundes ist. Gleiches gilt für die Y-Trasse der Bahn, die Hamburg mit Hannover und Bremerhaven verbindet.
Alle Infrastrukturprojekte sind jedoch für die Zukunftsfähigkeit des Hafens enorm wichtig. Experten prognostizieren das Containeraufkommen in wenigen Jahren auf 18 Millionen TEU (20-Fuss-Standardcontainer) für Hamburg. Im vergangenen Jahr schaffte der Hafen 9,7 Millionen TEU. Immer größere Schiffe bringen immer mehr Container in den Hafen. Dann muss auch der Abfluss der Waren schneller funktionieren. Aufgrund des eingangs erwähnten Nachteils ist Lagerfläche ein knappes Gut. Derzeit wird jeder zweite Container auf dem Land per Hafenbahn bewegt. Bei Strecken über 150 Kilometern liegt der Bahnanteil sogar bei 70 Prozent. Auf den Gleisen der HPA rollen täglich mehr als 200 Züge. Da dürfen die Räder keine Minute stillstehen. Für mehr Bewegung auf dem 300 Kilometer langen Netz mit 880 Weichen und drei Verschiebebahnhöfen sorgt INES. „Damit holen wir Bummelzüge vom Gleis“, sagt Jens Meier. Das Infrastruktur-Nutzung-Entgelt-System (die behördliche Vergangenheit lässt grüßen) rechnet nach Zeit ab. Wer die Gleise länger belegt als vorgesehen, zahlt auch mehr (die unternehmerische Wirkungsweise lässt grüßen).
Mehr Platz für Lkw kann die HPA nicht schaffen. So versucht sie, die vorhandenen Straßen effizienter zu nutzen. Das funktioniert nur mit Technik. Ein Verkehrsmanagementsystem soll schon in wenigen Jahren die Kolonnen der Lastwagen intelligenter lenken. Heute bilden sich im Hafen Staus, weil die Zollabfertigung länger dauert, ein Schiff nicht rechtzeitig am Terminal festmacht oder der Fahrer noch auf eine amtliche Prüfung, beispielsweise des Pflanzenschutzamtes, wartet. „Unsere Vision ist, dass der Lkw-Fahrer gar nicht erst nach Hamburg hinein fährt, wenn klar ist, dass er seine Ladung erst am nächsten Tag aufnehmen kann“, erklärt Meier. Schon auf der Autobahn vor der Stadt soll der Fahrer per SMS informiert werden. Dann kann er über Nacht auf einem Autohof, im HPA-Jargon Pre-Gate genannt, abwarten. Am nächsten Morgen bekommt er ein neues Zeitfenster genannt, in dem er die Container abholen kann. Bei dem System fließen Informationen der Terminals, aber auch Detektoren an Brücken und Fahrbahnschleifen in die Berechnungen ein. Dynamische Wegweiser zeigen den Fahrern die Wege zu Terminals und Pre-Gates. Weniger Warteschlangen und Abgase entlasten den Hafen und die Stadt.
Mehr Effizienz auf engem Raum schaffen in allen HPA-Bereichen vor allem IT-Lösungen. Darum wurde auf Geschäftsleitungsebene der Posten eines Chief Information Officers geschaffen. Jens Meier als Vorsitzender der Geschäftsführung ist seit April 2008 an Bord. Zuvor war er im Vorstand des Logistikers Fiege tätig. Der zweite Geschäftsführer, Wolfgang Hurtienne, stammt aus dem behördlichen Zweig.
Ein Blick in den Geschäftsbericht verdeutlicht, wie schwer es ist, die Vergangenheit als Behörde hinter sich zu lassen. Zu den von der HPA umgesetzten 129,6 Millionen Euro kamen im vergangenen Jahr in fast gleicher Höhe Zuschüsse von der Freien und Hansestadt Hamburg hinzu (126,4 Millionen Euro). „Unser langfristiges Ziel lautet aber: der Hafen finanziert den Hafen“, sagt Meier. Doch wenn die HPA in der aktuellen Situation marktübliche Preise für Flächen und Dienstleistungen verlangen würde, gäbe es einen Aufschrei bei den Nutzern. Auch mit den zwei Euro für eine Autodurchfahrt im alten Elbtunnel lässt sich das Denkmal nicht unterhalten. Doch für die Stadt ist das kein schlechtes Zuschussgeschäft. Dem Geld für die HPA standen 823 Millionen Euro Steueraufkommen aus dem Hafen im Jahr 2007 gegenüber. Ein Institut ermittelte im Auftrag der HPA, dass 146.000 Menschen in Hamburg und 167.000 in der Metropolregion direkt oder indirekt ihren Arbeitsplatz dem Hafen verdanken. Und so überwiegt der Segen des flächenmäßig zwar begrenzten Hafens, der aber durch seine Lage weit im Landesinneren und als Teil von Deutschlands zweitgrößter Stadt nur gewinnen kann.