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Mischen für die Ewigkeit

Neue Städte und Stadtteile entstehen zuerst im Modell. Da macht die HafenCity keine Ausnahme. Manchmal befruchten sich Modell und Wirklichkeit gleich mehrfach. Und dann gibt es den seltenen Fall, in dem das Modell von der Wirklichkeit lernt – auch dies eine Geschichte aus dem Quartier.

Auf die Mischung kommt es an: das Betonwerk in der HafenCity mit Zementsilos, Kiesbergen und dem Turm der Katharinenkirche im Hintergrund.

Auf die Mischung kommt es an: das Betonwerk in der HafenCity mit Zementsilos, Kiesbergen und dem Turm der Katharinenkirche im Hintergrund.

Das Zementwerk Lägerdorf liegt im gleichnamigen Ort mit 2.500 Einwohnern im Kreis Steinburg, südöstlich von Itzehoe. Denkste! Heute liegt das Werk auch am Fuße des legendären Schweizer Matterhorns. So jedenfalls findet man es im Miniatur-Wunderland (MiWuLa) in der Hamburger Speicherstadt. „Schuld“ an diesem geografischen Kuriosum ist die in Hamburg angesiedelte Holcim (Deutschland) AG, deren Wurzeln sowohl in besagtem Lägerdorf als auch in der Alpenrepublik zu finden sind.
Bei Lägerdorf nämlich wurden im 19. Jahrhundert riesige, vor allem oberflächennahe Kreidevorkommen entdeckt. Daraufhin gründete der Hamburger Geschäftsmann Gustav Ludwig Alsen im Jahre 1862 in Itzehoe die „Gustav Ludwig Alsen & Comp. Cementfabrik“. Über zahlreiche Firmenzusammenschlüsse und Konzentrationsprozesse hinweg entstand daraus schließlich die heutige Holcim (Deutschland) AG, größter Baustoffproduzent Norddeutschlands und Tochterunternehmen des Schweizer Holcim-Konzerns. Die schleswig-holsteinische Region blieb indes bis heute von Kreideabbau und Zementproduktion geprägt.

„Wir können unseren Kunden mehr als 10.000 Beton-Rezepturen bieten.“

Die Lägerdorfer Industrieanlagen in die 2007 entstandene Modellbau-Schweiz zu integrieren, war wiederum eine Idee von MiWuLa-Gründer Frederik Braun, der auf einer Schweiz-Reise ein Holcim-Werk gesehen hatte. Eine solche Industrieanlage gehört typischerweise in die Alpenlandschaft, dachte sich der Modellbau-Profi und bat die Hamburger Holcim-Tochter um Unterstützung. Und die Holcim (Deutschland) AG, deren Hauptverwaltung mit rund 150 Mitarbeitern in der Willy-Brandt-Straße am Rande des Katharinenviertels liegt, öffnete ihre Lägerdorfer Tore. „Modellbauer besuchten das Werk und machten unendlich viele Fotos“, berichtet Holcim-Sprecher Dr. Jens Marquardt. Ergebnis der Intensiv-Recherche war eine detailgetreue Industrieanlage auf mehr als fünf Quadratmetern Fläche im Maßstab 1:87 knapp unterhalb des (Gips-)Matterhorns. Marquardt: „Damit die gesamte Produktionskette vom Rohstoffabbau bis zur Zementherstellung schlüssig in die Modellbaulandschaft hinein versetzt werden konnte, haben wir eigens unseren Leitenden Ingenieur als Berater in das Projekt eingebunden.“ So konnte schließlich Holcim-Vorstandschef Leo Mittelholzer zusammen mit Frederik Braun und dem Schweizer Generalkonsul Walter Kägi Ende 2007 die Mini-Schweiz in der Speicherstadt mit eröffnen. Der Werbewert der fünf Quadratmeter übersteigt bis heute die Wirkung selbst überdimensionaler Plakatflächen, denn unter dem charakteristischen rot-schwarzen Firmenlogo steht nicht nur die mit einer Bauzeit von vier Monaten größte MiWuLa-Industrieanlage. Dazu gehören auch über die gesamte Anlage verteilte Mini-Mitarbeiter im Holcim-Look (weißer Bauhelm, rote Jacke), Betonmischer, Silofahrzeuge, Betonpumpen und Güterwaggons. „Es gab schon Angebote von Konkurrenzunternehmen, die dort gerne ihre Logos gesehen hätten“, verrät denn auch MiWuLa-Sprecher Sebastian Drechsler.

Im Miniatur-Wunderland steht der 1:87-Nachbau des Holcim-Zementwerkes von Lägerdorf/Schleswig-Holstein.

Im Miniatur-Wunderland steht der 1:87-Nachbau des Holcim-Zementwerkes von Lägerdorf/Schleswig-Holstein.

Bei Holcim jedenfalls ist man mächtig stolz auf das „Werk Lägerdorf“ in der Speicherstadt-Schweiz. So stolz, dass immer wieder Geschäftsfreunde und Mitarbeiter zur größten Eisenbahnanlage der Welt geführt werden. Doch die Miniaturanlage ist nur eines von zahlreichen Highlights, die offizielle Holcim-Gäste bei einem Hansestadt-Besuch zu sehen bekommen – die Tour führt vorwiegend durch Speicherstadt und HafenCity: Zunächst verschafft man sich einen Projekt-Überblick im Kesselhaus, anschließend geht es ins Miniatur-Wunderland, bevor die Besucher, mit Bauhelmen ausgestattet, den Baufortschritt der Elbphilharmonie begutachten dürfen, wird sie doch nicht zuletzt auch mit Holcim-Baustoffen errichtet: „Um für ein solches Prestigeobjekt qualifiziert zu sein, reicht es nicht aus, über das richtige Produkt zu verfügen. Wir können unseren Kunden mehr als 10.000 Beton-Rezepturen bieten. Aber daneben sind Know-how und Logistik gefragt, also das richtige Produkt in der richtigen Menge zum richtigen Zeitpunkt zu liefern“, erklärt Vorstandsvorsitzender Mittelholzer.

Das Betonwerk in der HafenCity versorgt nicht nur Hamburgs Prestige-Baustelle Elbphilharmonie mit frischem Baustoff.

Das Betonwerk in der HafenCity versorgt nicht nur Hamburgs Prestige-Baustelle Elbphilharmonie mit frischem Baustoff.

Bis zur Fertigstellung jedenfalls werden rund 65.000 Kubikmeter Beton in dem Prestigeobjekt verbaut sein. Derweil ging Hamburgs künftiger Musiktempel mit dem Konzernjahresbericht 2008 der schweizerischen Muttergesellschaft Holcim Ltd. schon mal auf Weltreise: als Aufmacher des 200 Seiten starken Wälzers inklusive Titelbild und einer achtseitigen Text- und Fotostrecke.

Als Sponsor unterstützt Holcim die Nachhaltigkeit des geplanten Universitätsneubaus der Hamburger HafenCity-Universität (HCU).

Als Sponsor unterstützt Holcim die Nachhaltigkeit des geplanten Universitätsneubaus der Hamburger HafenCity-Universität (HCU).

Nächster Anlaufpunkt ist das Holcim-Betonwerk in der HafenCity beim Afrika-Terminal. Dort wird der Beton für die Elbphilharmonie und weitere Baustellen in der Hansestadt produziert. Dazu könnte auch die benachbarte HafenCity Universität für Baukunst und Metropolen-Entwicklung (HCU) gehören, die im Jahr 2012 am Magdeburger Hafen fertiggestellt sein soll. Holcim engagiert sich schon jetzt als Sponsor mit einer Million Euro für das Projekt. Dafür wird der größte Hörsaal der HCU nach seiner Fertigstellung den Namen „Holcim-Auditorium“ tragen. Zusätzlich wurde ein jährlich zu vergebender Studienpreis zum Thema „nachhaltiges Bauen“ für HCU-Absolventen der Fachbereiche Architektur, Stadtplanung und Geomatik ausgelobt. Der Baustoffkonzern sieht sich seit langem in der gesellschaftlichen Verpflichtung als Sponsor und Förderer. Vor allem natürlich in Hamburg. So wird aktuell der IBA-Bau „Haus der Projekte“ auf der Veddel unterstützt. „In jedem Stück Hamburg, das neu gebaut wird, steckt oft auch etwas von uns drin“, erklärt Leo Mittelholzer selbstbewusst. Auf Holcims Spuren wandeln kann man in ganz Norddeutschland: Ob Astra-Tower oder UKE, Science Center Phaeno in Wolfsburg, Bauabschnitte der Autobahn A1 oder die Gedenkstätte Bergen-Belsen – Baustoffe, Technologien und Know-how von Holcim findet man überall. Doch der Radius ist noch weit größer: Über ein eigenes Terminal in Brunsbüttel exportiert das Hamburger Unternehmen Baustoffe in alle Welt. Und auch an der vom einstigen Bundeskanzler Gerhard Schröder initiierten Ostsee-Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland arbeiten die Hamburger als Zementlieferant mit: Für die Fertigung der Rohr-Ummantelungen aus Beton auf Rügen wurde eigens in neue Bahnwaggons investiert, die nun regelmäßig zwischen Lägerdorf und der Ostseeinsel pendeln. Auch die zweite Fertigungsstätte in Finnland wird mit Zement aus Lägerdorf versorgt.

Drei Fragen an Leo Mittelholzer:

Welches Gefühl haben Sie, wenn Sie aus Ihrem Bürofenster auf die wachsende Elbphilharmonie blicken?
Es ist für mich immer wieder faszinierend, wenn ein neues Gebäude heranwächst. Mit dem Leuchtturmprojekt Elbphilharmonie entsteht ein sehr anspruchsvoller und zugleich auch handfester Bau. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass wir mit unseren Baustofflieferungen ein stabiles „Fundament für die guten Töne“ legen.

Welchen Beitrag leistet Holcim für das Entstehen der HafenCity?
In nahezu allen Bauwerken der HafenCity stecken Baustoffe von Holcim. Wir liefern hier nicht nur hochwertige Produkte, sondern kümmern uns auch um individuelle Entwicklungen und Logistikkonzepte. Außerdem verstehen wir uns als ein Nachbar, der sich – wie beispielsweise jetzt auf der Veddel – für das nachhaltige, umweltfreundliche Bauen engagiert und sich für die Förderung benachteiligter Kinder und Jugendlicher einsetzt.

Welche Verbindungen zwischen der Schweiz und Hamburg neben dem Miniatur-Wunderland fallen Ihnen spontan ein?
Hamburg war und ist für die Schweiz ein sehr wichtiger Hafen und spielt als Logistikdrehscheibe eine bedeutende Rolle. Hamburg lässt sich beispielsweise auch gut mit Zürich vergleichen, denn beide Städte sind weltoffen und international, die Menschen eher zurückhaltend und bescheiden im Auftritt. Das Mäzenatentum dieser Städte ist vorbildlich und trägt auch zur Sicherung der guten Kulturangebote bei.

Leo Mittelholzer

Leo Mittelholzer (59) ist seit dem 1. Juli 2007 Vorstandsvorsitzender der Holcim (Deutschland) AG, dem größten Baustoffproduzenten Norddeutschlands. Nach dem Wirtschaftsstudium an der Universität St. Gallen begann Mittelholzer seine Karriere im Marketing bei Ciba Geigy in Basel. Später sammelte der Schweizer vielfältige internationale Berufserfahrungen in der Baustoffbranche und arbeitete unter anderem in Deutschland, Südafrika, Italien, Tschechien und Kroatien. In den Holcim Konzern trat er im Jahr 1995 ein und wurde 1999 CEO der Holcim Schweiz. Im Jahr 2004 übernahm er als Managing Director und Chairman of the Executive Committee die Führung der thailändischen Tochtergesellschaft Siam City Cement Company. Im Mai 2007 wechselte Mittelholzer in den Vorstand der Holcim (Deutschland) AG. Er ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn.

Text: Michael Hertel, Fotos: Holcim (Deutschland) AG
Quartier 09, März–Mai 2010 , Rubrik:    
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