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Vor dem Spiegel

Martin Haller, der Architekt des Rathauses, baute mit dem Dovenhof den Urahn der Hamburger Kontorhäuser, der schließlich dem Bau des Spiegel-Gebäudes weichen musste.

Der Dovenhof von Martin Haller (1885/86) kurz vor dem Abriss (1967).

Der Dovenhof von Martin Haller (1885/86) kurz vor dem Abriss (1967). (1)

1886 wurde der Dovenhof fertiggestellt, das erste moderne Hamburger Kontorhaus überhaupt. Das stattliche Gebäude stand an der Brandstwiete in etwa dort, wo sich heute das Spiegel-Hochhaus befindet, wobei die Straße damals jedoch sehr viel schmaler war. Bauherr war Heinrich von Ohlendorff, der sein Vermögen mit dem Import von Guano gemacht hatte, aber auch erfolgreich mit Immobilien spekulierte. Der Standort war denn auch geschickt gewählt. Die Brandstwiete diente als Zufahrt zu den neuen Häfen auf dem Großen Grasbrook. Und die Speicherstadt befand sich gerade im Bau. Es gab also gute Gründe für einen Kaufmann oder Reeder, seine Firma in diesem zukunftsträchtigen Gebiet anzusiedeln.

Schon damals elektrisches Licht und Paternoster

Architekt des Dovenhofs war Martin Haller, von dem zum Beispiel auch das Hamburger Rathaus stammt. Im Unterschied zu diesem Prachtbau war der Dovenhof jedoch eher unauffällig geraten: ein breit gelagertes Gebäude, konventionell gegliedert in ein Sockelgeschoss und ein Hauptgeschoss, die Beletage, die durch aufwändigere Details wie Balkone hervorgehoben wurde. Ohlendorff legte Wert auf gediegene Materialien: Quader aus Bornholmer Granit am Sockel, rotes Mauerwerk mit Gliederungen aus Sandstein an den übrigen Geschossen. Die Fenster waren aus Spiegelglas, einem besonders hochwertigen Material von gleichmäßiger Stärke ohne Einschlüsse oder Schlieren, das damals als sehr kostspielig galt.

Der Dovenhof mit Kornhausbrücke und Brandstwiete (um 1890).  Die beiden Häuser auf der linken Seite sind noch erhalten.

Der Dovenhof mit Kornhausbrücke und Brandstwiete (um 1890). Die beiden Häuser auf der linken Seite sind noch erhalten. (2)

Das IBM-Hochhaus (links) und das Spiegel-Hochhaus von Kallmorgen & Partner (1965–67 bzw. 1967/68). Der Dovenhof stand zum Teil auf dem Gelände der Baustelle vorne rechts. (3)

Das IBM-Hochhaus (links) und das Spiegel-Hochhaus von Kallmorgen & Partner (1965–67 bzw. 1967/68). Der Dovenhof stand zum Teil auf dem Gelände der Baustelle vorne rechts. (3)

Spektakulär ging es dagegen im Inneren zu. Haller hatte das Gebäude in große Säle aufgeteilt, die sich je nach den individuellen Wünschen der Mieter in kleinere Räume untergliedern ließen. Die Erschließung erfolgte über eine Halle mit Galerien. Wer dort hinauf gelangen wollte, konnte bequem einen Paternoster benutzen – den allerersten in Hamburg, wenn nicht in ganz Deutschland. Außerdem gab es im Dovenhof bereits 1886 eine Zentralheizung und elektrisches Licht, für damalige Verhältnisse ein unerhörter Luxus. Die Dampfkessel und die Maschinen befanden sich im Keller. Dort leisteten zwei Heizer und zwei Maschinisten bis 22:30 Uhr Schichtdienst. Diese Anlage machte den Dovenhof autark wie einen Dampfer.

Der Dovenhof war seiner Zeit weit voraus. Selbst in Berlin wurden derartig fortschrittliche Geschäftshäuser erst einige Jahre später errichtet. In Hamburg blickte man lange Zeit stolz auf diese singuläre Leistung. Doch nach und nach geriet sie in Vergessenheit. Die Stadt wünschte eine städtebauliche „Auflockerung“ der dicht bebauten südlichen Altstadt – von der 1945 im Bereich der Brandstwiete übrigens noch erhebliche Reste erhalten geblieben waren – und eine Verbreiterung der Straße. 1967 ließ Robert Vogel das völlig intakte Gebäude, das auch den Bombenkrieg unbeschadet überstanden hatte, deshalb abbrechen, um Platz für das Spiegel-Hochhaus zu schaffen. Das Denkmalschutzamt hatte keine Einwände.

 

Text: Ralf Lange, Fotos: Denkmalschutzamt Hamburg (1), Archiv Dierk Lawrenz (2), Heinz-Joachim Hettchen (3)
Quartier 09, März–Mai 2010 , Rubrik:    
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