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Alle Register für Katharinen

Gebaut in Renaissance und Barock, gespielt von Bach und Telemann, zerstört im Hamburger Feuersturm: In der Hauptkirche St. Katharinen wird eines der bedeutendsten Orgelinstrumente Europas rekonstruiert.
Ein Blick in die Vergangenheit: die 1943 zerstörte große Orgel der Hamburger Hauptkirche  St. Katharinen. Damals führte noch eine hölzerne Treppe  zum Spieltisch.

Ein Blick in die Vergangenheit: die 1943 zerstörte große Orgel der Hamburger Hauptkirche St. Katharinen. Damals führte noch eine hölzerne Treppe zum Spieltisch.(1)

Hoch oben über der alten Empore in St. Katharinen ist schon der erste Bauabschnitt der Orgel für die großen Adventskonzerte 2010 spielbereit. Verdeckt unter einer Plastikplane zum Schutz vor dem derzeitigen Baustaub schlummert hier ein Instrument der Sonderklasse. „Eine solche Orgel für die Kirchenmusik zu haben, ist schon einmalig“, urteilt St. Katharinen-Organist Andreas Fischer und begibt sich an den Spieltisch.
Johann Sebastian Bach (1685–1750) hatte dieses Instrument für sein legendäres Vorspiel in Hamburg ausgewählt. Er bewarb sich im Jahre 1720 um den Posten eines Organisten an der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi. Das Instrument in St. Katharinen wählte er wegen „ihres in allen Stücken vortrefflichen Werkes“ sowie „der Schönheit und Verschiedenheit des Klanges dieser Rohrwerke“, wie ein Biograph des Komponisten später berichtete. Zwei Stunden spielte und improvisierte er auf dem damals bereits über 52 Register sowie 4 Manuale verfügenden Instrument und erwies dem langjährigen St. Katharinen-Organisten Johann Adam Reincken (1643–1722) die Referenz. „Ich dachte, diese Kunst wäre ausgestorben“,soll der betagte Reincken nach dem Vorspiel des 35-jährigen Bach gesagt haben, „ich sehe aber, dass sie in Ihnen noch lebet.“

„Eine solche Orgel zu haben, ist einmalig.“
Ein Blick in die Zukunft: der erste Bauabschnitt, das Rückpositiv, der rekonstruierten großen Barockorgel in St. Katharinen im Jahre 2010 (2)

Ein Blick in die Zukunft: der erste Bauab-schnitt, das Rückpositiv, der rekonstruierten großen Barockorgel in St. Katharinen im Jahre 2010 (2)

Die Orgel in St. Katharinen kam wenig später unter die Leitung des neuen Gesamtmusikdirektors für Hamburg, Georg Philipp Telemann (1681–1767). Immer wieder hatten die Organisten von Anbeginn für einen Ausbau des großen Instruments gesorgt. So sind die renommierten Orgelbaufirmen wie Hans Scherer der Ältere, Gottfried Fritsche, Friedrich Stellwangen oder Friedrich Besser beim Ausbau des bereits in der Renaissance begonnenen Großinstruments beauftragt gewesen. Die Fotos aus der Vorkriegszeit belegen die ganze Pracht des barocken Instruments.
Im Feuersturm des Jahres 1943 nach den Luftangriffen britisch-amerikanischer Bomberverbände wurde auch der größte Teil des hölzernen Orgelprospekts komplett zerstört. Auf Initiative des damaligen Organisten waren aber die für den Klang wichtigen Pfeifen mit einer Legierung aus Blei und Zink zuvor ausgelagert worden und überdauerten in den Gewölben der benachbarten St.-Nikolai-Kirche den Krieg. Jetzt werden die Originalteile aus dem Barock, die den besonderen Klang ausmachen, wieder in einem europaweit einmaligen Rekonstruktionsprojekt von der niederländischen Orgelbaufirma Flentrop bei Amsterdam zusammengesetzt. Für die Finanzierung der Baukosten von rund zweieinhalb Millionen Euro tritt die 2004 gegründete Stiftung Johann Sebastian (SJS) mit dem Projekt „Eine Orgel für Bach in St. Katharinen“ ein. Eine Vielzahl Hamburger Persönlichkeiten, Unternehmen und Stiftungen konnte für das Aufbauprojekt gewonnen werden. Benefizkonzerte internationaler Barockexperten wie Ton Koopman, SJS-Kuratoriumsmitglied, die Musikreihe „Zappa spielt für Bach“ sowie vielfältige kulturelle Veranstaltungen in der Universitätskirche St. Katharinen als Partner der Hochschule für Musik und Theater dienen der Vollendung des Orgelprojektes.
Das Eröffnungskonzert der neuen Orgel in dem dann baulich sanierten Kirchenraum ist für den Advent 2012 geplant. Dann wird man sehen, dass diese Kunst nie ausstirbt.

www.stiftung-johann-sebastian.de

Text: Sebastian Knauer, Fotos: (1) Archiv der St.-Katharinen-Kirche, (2) ALWOGE
Quartier 12, Dezember 2010–Februar 2011 , Rubrik:    
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