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Zehn Lichtjahre

Vor zehn Jahren hat Lichtkünstler Michael Batz in einer gemeinsamen Initiative mit dem Senat, der Stiftung Lebendige Stadt, der Hamburger Hafen- und Logistik AG (HHLA) und einer Reihe von Persönlichkeiten und Unternehmen den Verein Licht-Kunst-Speicherstadt gegründet.
Seit vergangenem Herbst wird auch das Wasserschlösschen nachts beleuchtet. Knapp 60 LED-Strahler rücken das historische Gebäude ins rechte Licht.

Seit vergangenem Herbst wird auch das Wasserschlösschen nachts beleuchtet. Knapp 60 LED-Strahler rücken das historische Gebäude ins rechte Licht.(1)

Seit einem Jahrzehnt setzt sich der Verein Licht-Kunst-Speicherstadt für die Verwirklichung eines ungewöhnlichen Kunstwerks ein, das weltweite Beachtung gefunden hat: die Illumination der Speicherstadt. Nach und nach inszenierte der Verein unter künstlerischer Leitung von Lichtgestalter Michael Batz immer mehr Abschnitte des denkmalgeschützten Areals mittels Licht von geringer Wattstärke kongenial zur detailreichen Backsteingotik. Pünktlich zum Jubiläum leuchtet seit Ende September das renovierte Wasserschlösschen zwischen Dienerreihe und Poggenmühle.

Batz wiederholt sich nicht, sondern entwickelt sein Lichtkonzept weiter. Erstrahlen die Speicherblöcke noch mittels Metalldampf- und Gasentladungslampen, so wurde für das Wasserschlösschen erstmals modernste LED-Technik gewählt. Für ein historisches Bauwerk bedeutet dies eine neue Form der Beleuchtung. Und naturgemäß sind freistehende Gebäude schwieriger zu illuminieren, als die klar gegliederten Blöcke mit ihren Lukensträngen und Windenhäusern, die die Ausleuchtung vorstrukturieren.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Mit nur 57 LED-Strahlern erglimmt das malerisch auf einer Halbinsel gelegene Bauwerk mit seinem Uhrentürmchen und den Granitverzierungen in sanftem Schein, der die natürlichen Farben zur Wirkung kommen lässt. Erst seit jüngster Zeit können LEDs die für derartige Projekte benötigte Helligkeit und ein angenehm warmes Licht erzeugen. Und die Stromkosten betragen weniger als 40 Cent pro Stunde! Philips Lighting, Gründungsmitglied des Vereins Licht-Kunst-Speicherstadt, hat seit Beginn der Illumination die Leuchtmittel geliefert. Der Geschäftsbereich Beleuchtung des niederländischen Elektronikkonzerns zeichnet für die innovative Lichtplanung im Detail verantwortlich. Die neuartigen Leuchtdioden sind deutlich langlebiger und noch energieeffizienter als die bisher eingesetzten Strahler.

So ist das Wasserschloss ein Beispiel dafür, dass die drei Faktoren Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und Ästhetik bei der Illumination miteinander in Einklang stehen. Was die Schönheit betrifft, gerät Künstler Batz bei der abendlichen Barkassenfahrt zum Jubiläum ins Schwärmen: „Der feine und graphische Schattenwurf der neuartigen Illumination sorgt für eine räumlich-plastische Darstellung des Schlosses und eine Akzentuierung seiner charakteristischen Gestalt und Form.“ Als Vorstand des Vereins Licht-Kunst-Speicherstadt spielt Batz den kreativen Part. Vorstandsvorsitzender Roland Lappin, hauptberuflich Vorstand der HHLA, kümmert sich um die Finanzen. Geschäftsführer Rainer Nelde, der für die HHLA die Vermietung der Speicherstadt lenkt, organisiert das Tages-geschäft des Vereins.

Zum 10-jährigen Bestehen des Vereins Licht-Kunst-Speicherstadt  trafen sich Oberbaudirektor Prof. Jörn Walter, Dr. Roland Lappin (HHLA), Frank Laurich (Laurich & Kollegen), Robert Heinemann (Stiftung Lebendige Stadt) und Lichtkünstler Michael Batz.(2)

Zum 10-jährigen Bestehen des Vereins Licht-Kunst-Speicherstadt trafen sich Oberbaudirektor Prof. Jörn Walter, Dr. Roland Lappin (HHLA), Frank Laurich (Laurich & Kollegen), Robert Heinemann (Stiftung Lebendige Stadt) und Lichtkünstler Michael Batz.(2)

Als Nelde 2006 das Amt des Geschäftsführers übernahm, fing er zunächst damit an, den Verein zu professionalisieren. Er war es, der den Mitgliedsbeitrag von überschaubaren 500 Euro im Jahr einführte. Bei einer Mitgliederzahl von inzwischen fast 40 Unternehmen und Einzelpersönlichkeiten ermöglicht die Summe den täglichen Betrieb der Lichtanlage. Die Stromrechnungen können bezahlt, der Bestand gepflegt, die Leuchtmittel gewechselt und Instandhaltungen durchgeführt werden. Schließlich sind es inzwischen mehr als 1.000 Leuchten, die die Backsteinmauern mit ihrem weichen Licht modellieren, die schmiedeeisernen Details der Brücken und der Westphalentürme akzentuieren, die gliedernden und plastischen Elemente betonen und der alten Stadt der Lagerhäuser allabendlich neues Leben einhauchen. Etwa die Hälfte der Speicherstadt ist heute illuminiert. Um weitere Projekte zu realisieren, benötigt der gemeinnützige Verein größere Einzelspenden. Zudem besteht die Möglichkeit, Patenschaften für Gebäude oder Brücken zu übernehmen. Von den 13 Brücken der Speicherstadt sind erst sechs mit Hilfe derartiger Patenschaften vollständig beleuchtet. Im Gegenzug weist ein Messingschild auf die Spender hin. Die Kosten etwa für die Beleuchtung des Wasserschlosses – rund 60.000 Euro – haben die Stiftung Lebendige Stadt, die HHLA und Philips gemeinsam übernommen. „Begeistern kann man mögliche Sponsoren nur mit Veranstaltungen, die plastisch vorführen, wohin das Geld fließt. Die Barkassenfahrt zum Jubiläum, zu der der Verein wichtige Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Kultur eingeladen hatte, war ein Erfolg. Wir konnten vier neue Mitglieder gewinnen“, so Nelde nach der Feier. Und wie sieht die leuchtende Zukunft aus? Schon länger diskutiert der Verein eine große Aufgabe: Die Unternehmenszentrale der HHLA liegt noch im Dunkeln. Der reich verzierte Rathausbau ist deutlich größer und repräsentativer gestaltet als das Wasserschlösschen, dementsprechend werden auch die Kosten in einer höheren Dimension liegen. Zudem gibt es Überlegungen, die gesamte Illumination nach und nach auf LED-Technik umzustellen, was größere Anfangsinvestitionen bedeuten, aber langfristig Kosten sparen würde.

Nächtlicher Blick über die Wandrahmsfleet-Brücke in die Dienerreihe und auf das Wasserschlösschen. Dahinter ist Block X zu sehen. (3)

Nächtlicher Blick über die Wandrahmsfleet-Brücke in die Dienerreihe und auf das Wasserschlösschen. Dahinter ist Block X zu sehen.(3)

Ein Erfolgsrezept des Vereins Licht-Kunst-Speicherstadt ist sicherlich die gute Zusammenarbeit seiner führenden Mitglieder. Künstler Batz neigt nicht zur Traumtänzerei. Nicht Kunst um ihrer selbst willen möchte er verwirklichen. Die abendliche Beleuchtung ist ein wichtiger Schritt zur Integration der Speicherstadt in die Hamburger Innenstadt und „eine renditeträchtige Einzahlung in die Marke Hamburg“, auch um den Tourismus zu fördern. Tatsächlich hat sich die Illumination zu einer der touristischen Attraktionen der Hansestadt entwickelt und dient als Vorbild für viele moderne Beleuchtungsprojekte. Letztendlich handelt es sich um eine Liebesgeschichte, eine glückliche. Michael Batz, mit seinem Theater in der Speicherstadt seit 1993 Mieter der HHLA, hat als erster das damals weitgehend brachliegende Potenzial der Speicherstadt als Kunstwerk erkannt. Die Illumination bedeutete seinen internationalen Durchbruch als Lichtgestalter. Trotzdem oder gerade deshalb kehrt er immer wieder zurück in seine „Stadt der Waren“. Und auch Rainer Nelde liebt das Ensemble im Backsteinkleid: „Ohne eine starke emotionale Verbundenheit mit der Speicherstadt wäre unsere so erfolgreiche Vereins-arbeit gar nicht möglich.“

Text: Bettina Mertl-Eversmeier, Fotos: (1, 3) Heinz-Joachim Hettchen, (2) Thomas Hampel
Quartier 12, Dezember 2010–Februar 2011 , Rubrik:    
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