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Brückenschlag

Die HafenCity wird inzwischen selbstverständlich als Viertel der Innenstadt wahrgenommen. Dabei wird aber leicht vergessen, dass ihr größter Teil noch gar nicht entwickelt ist.

Die HafenCity wird inzwischen selbstverständlich als Viertel der Innenstadt wahrgenommen. Dabei wird aber leicht vergessen, dass ihr größter Teil noch gar nicht entwickelt ist.

Die HafenCity wird inzwischen selbstverständlich als Viertel der Innenstadt wahrgenommen. Dabei wird aber leicht vergessen, dass ihr größter Teil noch gar nicht entwickelt ist.(1)

Vor elf Jahren, am 29. Februar 2000, beschloss der Senat den Masterplan zur HafenCity. Aber angesichts der zügigen Entwicklungen wird zuweilen erst in der Rückschau deutlich, wie viel Zeit tatsächlich vergangen ist. Der westliche Teil ist zu großen Teilen fertiggestellt. Die öffentlichen Debatten über die Architektur sind in den Hintergrund getreten, dafür wird der städtebauliche Gedanke immer deutlicher. Gleichzeitig sind die großen Baustellen ins Elbtorquartier gewandert. Mit dem Lohsepark bildet es künftig das Zentrum der HafenCity, wenngleich beide Quartiere noch als Grenzgebiet zum industriellen Niemandsland wahrgenommen werden. Denn wer heute von der HafenCity spricht, meint Kaiserkai oder Magellan-Terrassen, nicht Chicago Square oder Baakenhafen. Deshalb ist es angebracht, einen kleinen Ausblick zu wagen, besonders nachdem der Masterplan überarbeitet wurde und die östlichen Regionen der HafenCity langsam Konturen annehmen. In den Gebieten im Osten trifft die Stadtentwicklung teilweise auf wenig optimale Voraussetzungen. So ist das Oberhafenquartier nicht über eine attraktive Speicherstadt mit der Innenstadt verknüpft, sondern liegt gegenüber des geschlossenen Gewerbegebiets des Großmarkts. Außerdem ist es zwischen Bahngleisen und Hafenbecken eingekeilt und bis 2015 als Bahnhof gewidmet. Das Quartier an den Elbbrücken hingegen gehört vermutlich zu den lautesten Orten in ganz Hamburg: Fast 140.000 Autos fahren hier täglich vorbei. Der überarbeitete Masterplan musste daher neue Wege beschreiten und ist dabei zu interessanten Ergebnissen gekommen.

Am Oberhafen werden nicht wie ursprünglich vorgesehen Gewerbeflächen entstehen, sondern die Voraussetzungen für kreativwirtschaftliche Nutzungen geschaffen. Der Baakenhafen erhält mit seiner doppelten Wasserlage zum Hafenbecken und zur Elbe die Schwerpunkte Wohnen und Freizeit, und das Elbbrückenzentrum wird zu einem Unternehmensstandort mit Hochhäusern, wie sie sich in Hamburg bislang an keinem anderen Ort finden lassen.
Die Pläne für das Oberhafenquartier verlangen umfangreiche Modernisierungen und eine Einbeziehung in den Hochwasserschutz, wenn hier auch Wohnungen entstehen sollen. Langfristig will man das Areal aus seiner Insellage befreien und mit den Nachbarvierteln der HafenCity, aber auch mit Rothenburgsort und der Kulturmeile verknüpfen. Dabei wurde darüber nachgedacht, das Großmarktgelände oder weiter östlich den Brandshofer Deich einzubeziehen oder auch das Hafenbecken selbst als Austauschfläche zwischen Rothenburgsort und Oberhafenquartier zu entwickeln. Solche Überlegungen zu historischen Hafenbecken sind in Hamburg keine Ausnahme, angefangen beim Fischereihafen in Altona bis zum Traditionsschiffhafen, der geplanten Marina im Grasbrookhafen oder den Ideen zum Baakenhafen. Wie das Konzept am Oberhafen am Ende aussehen wird, soll in einem öffentlichen Dialog erarbeitet werden, zu dessen Auftakt im März 2011 ein Symposium auf Kampnagel stattfindet. In diesem Prozess gilt es letztlich, einen ausgewogenen Weg zwischen den sehr unterschiedlichen Erwartungshaltungen zu finden. Denn während auf der einen Seite Kreativwirtschaft ein Spektrum von Werbung über Design bis zu freier Kunst abdeckt, verbirgt sich hinter der Forderung nach einem „Kulturhafen“ im Oberhafen teilweise auch der Wunsch, Kultur als „Gegengewicht zur Entwicklung in der HafenCity“ zu interpretieren, gerade so, als handele es sich um gegensätzliche Konzepte. Der Zeitrahmen, der für die Entwicklung des Quartiers angesetzt wurde, ist mit 15 Jahren also nicht zu großzügig gesteckt.

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Die östliche HafenCity: (1) Das Oberhafenquartier zwischen Gleisen und Hafenbecken, (2) Sportplatz am Wasser, (3) neue Brücke zur Erschließung des Baakenhafens, (4) Wohnungen mit doppelter Wasserlage, (5) Hochhaus-Ensemble an den Elbbrücken

Dass Stadtplanung immer Schnittmengen zur Politik aufweist, zeigt auch ein weiteres Thema, dem der überarbeitete Masterplan eine übergeordnete Bedeutung beimisst: Wohnraum. Darin spiegelt sich nicht nur die generelle Notwendigkeit, der Nachfrage durch ein größeres Wohnungsangebot zu begegnen, sondern auch die Forderung nach bezahlbarem Wohnraum, der die Stadt für Zuzugswillige attraktiver macht, oder das Vorurteil über eine einseitige Ausrichtung der HafenCity. Vor diesem Hintergrund wurden kürzlich zum ersten Mal öffentlich geförderte Mietwohnungen für die zentrale HafenCity geplant, und der Senat wollte im vergangenen Herbst nicht ausschließen, Wohnungen in der HafenCity durch das städtische Wohnungsunternehmen SAGA GWG bauen zu lassen. Auch in die Überarbeitung des Masterplans ist diese Diskussion unverkennbar eingeflossen. Die Gesamtzahl von Wohnungen ist um 300 auf 5.800 gestiegen. Mit 2.700 liegt fast die Hälfte davon im östlichen Teil der HafenCity. Damit ist allerdings aus Sicht des Senats das Wohnungsbaupotenzial in der HafenCity erschöpft.
Allein das Verkehrsaufkommen verhindert an vielen Stellen den Bau von Wohnungen. Um ihn trotzdem zu ermöglichen, war städtebaulicher Einfallsreichtum gefragt. An der Versmannstraße werden lang gezogene Gebäude entstehen, um dahinter gelegene Wohnhäuser vor Verkehrslärm zu schützen. Wohnraum wurde auch durch Verdichtung geschaffen. Ursprünglich war rund um den Baakenhafen eine Bebauung mit Stadthäusern gedacht, ein großzügiges vorstädtisches Viertel mit Elbblick. Diese Idee wurde jetzt zugunsten von Häuserblöcken aufgegeben, die mehr Wohnungen und stärkere soziale Durchmischung zulassen. Schließlich wird am östlichen Ende ein Teil des Baakenhafens zugeschüttet, um Bauland zu gewinnen, das eine zweite, lärmgeschützte Gebäudereihe erlaubt. Sogar an den Elbbrücken sollen fast 1.000 Wohnungen gebaut werden.

Die Elbbrücken bilden die zentrale Einfahrt in die Stadt aus Süden und Osten. Fahrzeuge von den Autobahnen aus Berlin und Hannover, Züge und Schiffe, die elbabwärts in die Häfen der inneren Stadt fahren, müssen diesen Ort passieren. Während er vor zehn Jahren vor allem aus dieser vom Verkehr beherrschten Perspektive bewertet wurde, ist er inzwischen so bedeutend geworden, dass sich drei verschiedene städtische Masterpläne damit befassen. Das große stadträumliche Thema, das sich von der Perlenkette am nördlichen Hafenrand über die HafenCity bis zu den Elbbrücken und von dort nach Wilhelmsburg und zum Harburger Binnenhafen fortsetzt, hat ein wichtiges Gelenk am Chicago Square. Diese neue Situation an den Elbbrücken, zu denen im November 2007 ein eigener Masterplan vorgelegt wurde, soll durch ein gewaltiges Stadttor betont werden, das im Wesentlichen durch eine Abfolge verschieden hoher, entlang der Billhorner Brückenstraße errichteter Hochhäuser gebildet wird. Mit Hochhäusern sind hier tatsächlich Hochhäuser gemeint, darunter ein Ensemble aus drei Türmen, die bis zu 150 Meter aufragen. Denn hier sieht man die charakteristische Kirchturm-Silhouette der Innenstadt nicht beeinträchtigt. Ziel ist, nicht nur ein Stadttor aus Hochbauten zu errichten, sondern einen Ort zu schaffen, der durch seine für Hamburg einzigartige Gebäudehöhe ein weithin sichtbares städtebauliches Zeichen setzt.

Dass Stadtplanung Schnittmengen zur Politik aufweist, zeigt das Thema Wohnen.
Die Baakenbrücke verbindet die zentrale HafenCity mit dem neuen Wohngebiet im Baakenhafen und kann mittelfristig über die Elbe bis zum Kleinen Grasbrook verlängert werden.

Die Baakenbrücke verbindet die zentrale HafenCity mit dem neuen Wohngebiet im Baakenhafen und kann mittelfristig über die Elbe bis zum Kleinen Grasbrook verlängert werden.(3)

Der umgekehrte Ansatz wird am Oberhafen verfolgt. Dort dienen die bestehenden eingeschossigen Lagergebäude und deren Kopfbauten als Orientierung, wenngleich sie mittelfristig durch Neubauten ergänzt werden. Alte und neue Gebäude sollen zudem kostengünstig vermietet werden, um die Ansiedlung von Kreativen zu erleichtern. Die Grundstücke werden daher auch nicht verkauft, sondern bleiben im Besitz der Stadt, um die Entwicklung entsprechend steuern zu können. Auch am Baakenhafen dienen die sechs bis sieben Geschosse, die die westliche und zentrale HafenCity dominieren, als Maßstab. Allein am Baakenhöft stellt sich der neue Masterplan ein architektonisches Highlight vor, das bis zu 70 Meter hoch werden darf. Was für ein Gebäude hier entstehen soll, ist noch nicht entschieden, wird aber sicherlich noch für angeregte Diskussionen sorgen. Einen besonderen Schwerpunkt für alle drei Quartiere sieht der überarbeitete Masterplan in der Schaffung umfangreicher Freizeitnutzungen. Dabei sollen am Oberhafen auch jene Anlagen errichtet werden, die im Lohsepark im Zuge der Entscheidung für einen Gedenkort am ehemaligen Hannover’schen Bahnhof nicht mehr untergebracht werden können, zum Beispiel ein großer öffentlicher Sportplatz am Wasser. Auch an der Versmannstraße kann man sich Sportanlagen vorstellen, etwa ein Sport-Center für Hallenfußball, Handball, Hockey oder Basketball.

Die Angebote sollen sich aber nicht nur auf die Landflächen beschränken. Im Baakenhafen wird eine anderthalb Hektar große Spiel- und Freizeitinsel aufgeschüttet. Außerdem wurde mit Ideen zu einem Badeschiff, einer Schlittschuhbahn und einem Hochseilgarten über dem Wasser gespielt. Um das Freizeit-Konzept abzurunden, wurden auch ein Familienhotel, ein Wellnessclub oder eine Seesauna angeregt. Die ersten Infrastrukturmaßnahmen sind bereits eingeleitet worden. So konnte das britische Architektenbüro Wilkinson Eyre im vergangenen Dezember den Wettbewerb für die große Baakenbrücke für sich entscheiden, die den südlichen Teil des Baakenhafenquartiers erschließen wird. Noch in diesem Jahr werden die ersten Grundstücke am Baakenhafen ausgeschrieben, die ersten Wohnungen sollen 2012/2013 gebaut werden.  Und wenn dort die ersten Familien einziehen, ist auch Wilhelmsburg nur noch einen Katzensprung entfernt.

Text: Nikolai Antoniadis, Foto: Thomas Hampel (1), Illustration: HafenCity Hamburg GmbH / KCAP / ASTOC (2), Visualisierung: Wilkinson Eyre Architects (3)
Quartier 13, März–Mai 2011 , Rubrik:    
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