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Ortstermin

Zwischen Jungfernstieg und Elbe – die neuen Quartiere am Magdeburger Hafen
Der Platz am Kopfende des Magdeburger Hafens wurde nach Dar-es-Salaam, Hamburgs Partnerstadt in Tansania, benannt. Inzwischen ist er mit Bäumen beflanzt und bis auf die Beleuchtung fertig gestellt.

Der Platz am Kopfende des Magdeburger Hafens wurde nach Dar-es-Salaam, Hamburgs Partnerstadt in Tansania, benannt. Inzwischen ist er mit Bäumen beflanzt und bis auf die Beleuchtung fertig gestellt.

Wer Hamburg und seine HafenCity nur in größeren Abständen besucht, wird vermutlich bald an Zauberei denken. Erst seit zehn Jahren wird hier gebaut? Kaum zu glauben – und ist das nicht der Stadtteil mit jener gigantischen Baustelle, deren Beendigung Jahr für Jahr hinausgeschoben wird und die Elbphilharmonie heißt?

Mit Harry Potter in den Magdeburger Hafen

Es tut sich viel, sehr viel. Man möchte sich fast die Magie des Harry Potter vorstellen, der ja auch ein Tischlein im Refektorium in Nullkommanichts decken konnte und in virtuellen Zügen reist. Gerade das letzte Jahr hat den HafenCity-Express in seiner Entwicklung nach Osten getrieben, das Areal rund um den Sandtorpark und das nördliche Überseequartier wurden gerade bezogen, wie man heute sagt – ans Netz gebracht. Letzteres, die City in der City, wird zwar noch einige Jahre brauchen, um wirklich zu pulsieren, aber der Sandtorpark scheint von Null auf Hundert gestartet zu sein. Mit dem warmen Frühling 2011 ist der Park von den Hamburgern begeistert okkupiert worden, an den Rändern drängeln sich die schicken Outdoor-Stühle, Besucher rufen emphatisch ob der grünen Rasenhügel, so sollte es doch im eigenen Garten sein. Dieser Park hat das Image der HafenCity gewaltig verbessert. Selbst bei jenen ewigen Nörglern, die Bäume fordern, wo es nie welche gab. Nun sind sie da, und zusammen mit Marco-Polo- und Magellan-Terrassen, den Pontons des Traditionsschiffhafens, den zahlreichen Promenaden und begehbaren Kaianlagen geht für alle das Konzept der „öffentlichen Räume als Katalysator des urbanen Lebens“ in der HafenCity auf.

Mit der Eröffnung der Promenade am Magdeburger Hafen wird erstmals die stadträumliche Qualität des Quartiers erlebbar.

Mit der Eröffnung der Promenade am Magdeburger Hafen wird erstmals die stadträumliche Qualität des Quartiers erlebbar.

Wir aber ziehen weiter, entern den obskuren unterirdischen Potter-Zug aus dem entsprechenden ersten Buch und enden überraschend östlich des Überseequartiers am Magdeburger Hafen – und stauen: auch hier fertige Straßen und Wege, artifizielle Promenaden und Plätze, ein fast geheimer kleiner Showroom, der Osaka 9 heißt und wahrscheinlich das Herz der derzeitigen Green Capital Hamburg ist. Wer es nicht schon wusste: Hier erfährt der Besucher in einer kleinen feinen Ausstellung, wie nachhaltig die HafenCity wirklich ist. Und hier findet der „Green Club“ statt, eine Veranstaltungsreihe aus Wirtschaft, Wissenschaft und Umweltschutz. Geborgen unter dem neuen Straßenniveau der hochwassersicheren Osaka-allee liegt Osaka 9 direkt an den fleetnahen Promenaden, ein geschenkter öffentlicher Katakombenraum, der sich indirekt aus dem Hochwasserschutz ergab. Glückwunsch dazu, denn diese Mischung aus Holzpaletten-Szenografie, Video-Animationen und dem kleinen Café ElbFaire mit Verkaufstresen für faire und biologische Waren könnte die Mischung sein, durch die sich auch junge Leute für nachhaltigen Stadtbau interessieren. Und für neue Stadt(t)räume. Denn hier und jetzt wird deutlich, wie die unterschiedlichen Laufwege genau jene Verbindung herstellen, die sich die Hamburger Städtebauer erhofft haben: ein kurzer städtischer Spaziergang als erlebbares Freiraum-Märchen zwischen Jungfernstieg und Elbe.

Eine Katalanin zaubert mediterrane Plätze und Promenaden herbei

Was bisher zu sehen ist, macht Mut, viel Mut. Den zweiten Freiraumwettbewerb zur Gestaltung der zentralen HafenCity, der Flächen westlich und östlich des Magdeburger Hafens, gewann die katalanische Architektin Beth Galí gemeinsam mit ihrem Büro BB+GG arquitectes aus Barcelona. Sie galt lange als das große Nachwuchstalent ihrer Branche, und im Gegensatz zu manchen Football-Playern des FC Barcelona oder des HSV hat sie das Versprechen eingelöst und gehört zu den Kreativsten der europäischen Architektenszene, Abteilung mediterranes Flair. Sie entwirft die Stadträume im Überseequartier, am Magdeburger Hafen und am frisch umgetauften Dar-es-Salaam-Platz (früher St.-Annen-Platz) mit der anschließenden León-Brücke. Der erste von ihr gestaltete Platz wurde bereits vor einiger Zeit vor dem Internationalen Maritimen Museum Hamburg im Kaispeicher B fertiggestellt. Mit der Materialwahl nimmt Beth Galí (auch für die neuen Teile) Bezug auf die Backsteinarchitektur des Speichergebäudes. Streifenförmig zieht sich brauner und rötlicher Granitstein durch Asphaltterrazzo. Die weiteren Stadträume der zentralen HafenCity werden gerade sukzessive fertiggestellt. Das Schöne daran: Jeder Spaziergang im Abstand von wenigen Wochen ist ein neues Erlebnis. Dort ist ein Bauzaun gefallen, anderswo stehen neue Stühle und Tische, hier wird gerade eine neue Brücke freigegeben. Das Wichtigste aber: die gleichzeitige Tuchfühlung mit dem alten Zentrum der Hansestadt und zu dessen Lebensader, gemeinhin Elbe genannt. Hier ist Hamburg! Und jetzt kann man es erleben – und bitte beeilen, noch ist hier Ruhe im Land. Als früher Vogel kann man nun miterleben, wie ein Stadtteil in Betrieb genommen wird und wie die Landnahme nach Osten fortschreitet. Wenn man heute auf der Terrasse von Osaka 9 übers Wasser schaut, stehen dort noch hölzerne Rudimente alter Kaianlagen, aber genau dort wird bald ein mäandrierendes Gebäudeensemble mit drei Nutzungskomponenten entstehen. Mäandern bedeutet, ein lebendig formulierter Baukörper entsteht.

Geheimnisvoller Plan: der Stadtloggia-Mäander

Direkt neben dem Ostufer des Magdeburger Hafens geparkt, wird dieses Projekt mit insgesamt 30.000 Quadratmetern entlang der Uferpromenade gestartet. Es ist die große Hoffnung der Hamburger Stadtplaner, weil es viele Merkmale der Alsterarkaden und anderer Hamburger Bauten am Wasser neu interpretiert. Nach einem Entwurf des Büros Bob Gysin + Partner BGP Architekten aus Zürich, das als Sieger aus einem kombinierten städtebaulichen und architektonischen Wettbewerb hervorging, entstehen 150 Meter lange „Elbarkaden“ aus Backstein.

Die Busanbrücke über den Magdeburger Hafen verbindet das Überseequartier mit dem Elbtorquartier.

Die Busanbrücke über den Magdeburger Hafen verbindet das Überseequartier mit dem Elbtorquartier.

Bisher einzigartig in der HafenCity ist diese „Stadtloggia“ als ein zehn Meter tiefer und acht Meter hoher Arkadenraum mit weiten Ausblicken über das Wasser. Auf zwei Ebenen – sowohl auf dem direkt am Wasser gelegenen Prome-
nadenlevel als auch auf hochwassersicherem Warftniveau – bieten die Gebäude großzügigen Raum für Cafés, Geschäfte und Ausstellungen. Im nördlichen Gebäudeteil entstehen 100 Wohnungen, im mittleren sind 10.000 Quadratmeter ausschließlich für designaffine Nutzungen vorgesehen. Dabei belegt das öffentliche Designzentrum designxport sowohl Sockel- als auch Erdgeschoss. Mit ihm entstehen Ausstellungs- und Veranstaltungsflächen, eine Design-Bibliothek, ein Archiv, ein Design-Shop und Gastronomieflächen. In den oberen Stockwerken können Unternehmen aus der Design-Branche Büroflächen oder integrierte Wohn- und Arbeitslofts anmieten. So erhält die Hamburger Design- und Kreativwirtschaft erstmals eine zentrale Kommunikations- und Repräsentationsplattform.

Geschwindigkeit ist keine Hexerei

Insgesamt wird westlich des Magdeburger Hafens mit der HafenCity Universität, der Greenpeace-Zentrale, dem designport hamburg und weiteren Nutzern aus der Kreativbranche ein neues innovatives Wissensquartier entstehen. Durch eine Vielzahl von Gebäuden mit hohen ökologischen Standards geprägt, soll es sich außerdem zu Hamburgs erstem nachhaltigem Vorzeigequartier entwickeln. Von der Speicherstadt ist das Quartier zu Fuß über die Museumsbrücke zu erreichen, wobei der Weg zunächst durch die Passage des denkmalgeschützten Kaispeichers B führt. Dieser älteste, 1879 errichtete Bau der HafenCity bildet einen markanten nördlichen Eingang ins Areal und beherbergt seit Sommer 2008 das Internationale Maritime Museum Hamburg. Aus der Passage des Kaispeichers B führt der Weg auf den von Beth Galí gestalteten Museumsplatz und zukünftig auch auf die Promenade am Magdeburger Hafen. Zwischen dem Magdeburger Hafen im Westen, dem Brooktorhafen im Norden und dem Quartier Am Lohsepark im Osten entstehen noch weitere Kulturbauten, unter anderem die Brücke, ein Zentrum für 19 Kirchen und Konfessionen, das jetzt schon das Café ElbFaire betreibt. Und in etwa zwei Jahren werden 1.600 Studierende der HafenCity Universität (HCU) direkt an der Wasserkante für junges Stadtleben sorgen. Übrigens: „Geschwindigkeit“, wie ein kluger Kopf einmal bemerkt hat, „ist hier gar keine Hexerei, sondern Ergebnis exakter Planungsarbeit.“

HafenCity Brückenschlag

Mit einem großen Bürgerfest wird das Areal rund um den Magdeburger Hafen und die Osakaallee am Freitag, den 10. Juni 2011, und am Samstag, den 11. Juni 2011, eingeweiht.

Text: Dirk Meyhöfer, Fotos: Thomas Hampel
Quartier 14, Juni–August 2011 , Rubrik:    
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