Sehen und gesehen werden
Mit SehKunst – Art & Glasses hat am Großen Grasbrook eine Galerie für Kunst und Brillendesign eröffnet.
Kevin Schütt ist ein begeisterter Bewohner der HafenCity. Seit 2008 lebt der 35-Jährige hier, Am Kaiserkai 56, in dem hellen Gebäude mit den charakteristisch abgerundeten Balkonen. Der geschäfts-
führende Gesellschafter der Schütt Optik GmbH schwärmt von der Gründerstimmung. „Hamburg als wachsende Stadt ist hier hautnah spürbar.“ Und er schätzt den Netzwerkcharakter. „In der HafenCity gibt es keine verkrusteten Strukturen. Alle sind offen, kommunikativ, entfalten große Aktivitäten.“ Aktiv, das ist er in der Tat. Am 15. Januar 2011 hat der Unternehmer mit SehKunst einen Konzept-Store in der HafenCity eröffnet, im März den ersten Schütt Optik Brillen-Outlet an der Brandstwiete. Und seit April empfängt das Stammgeschäft am Großen Burstah nach Umbauten wieder Kunden. Drei Eröffnungen in vier Monaten – nicht schlecht. Daneben engagiert sich Schütt ehrenamtlich, beispielsweise im Netzwerk HafenCity e. V. SehKunst am Großen Grasbrook ist ein eher kleiner Laden, gerade 60 Quadratmeter groß. Designerbrillen und Kunst will der Galeriechef hier gleichrangig in Szene setzen. Um von diesen beiden noblen Darstellern nicht abzulenken, haben Schütt und sein Interior-Designer den Showroom in schlichtem Schwarz, Weiß und Grau gehalten, mit spannungsvollen Kontrasten zwischen den Lackoberflächen des Mobiliars und der Betonoptik von Decke und Boden. Bei unserem Besuch hängen links fünf träumerische Werke der Hamburger Künstlerin Marnie Moldenhauer, die Schulwandkarten labyrinthartig mit goldenen Fäden umfasst. Sehr dekorativ, mit einer Prise Gustav Klimt. Verkauft war bis Redaktionsschluss noch keines dieser Bilder. Was aber nichts macht. Letztendlich soll die Kunst für die Brillen werben und umgekehrt. Etwa alle sieben Wochen klingen in der Galerie die Gläser, und Nachbarn, Interessierte und Presseleute treffen sich zur Vernissage. SehKunst will junge Künstler zeigen, wobei es keine definitive Altersgrenze gibt. „Jung“ bezieht sich auf die Entwicklung, bekannt sollten sie noch nicht sein.
Und weil Schütt Kunst liebt, aber kein Experte ist, hat er sich einen geholt: Markus Birzer arbeitet als Kurator für SehKunst. Birzer ist in Sachen HafenCity kein Unbekannter. Im Kesselhaus hat der Politik- und Unternehmensberater schon diverse Infoveran-
staltungen moderiert. Und in der Hamburger Kunstszene kennt er sich aus, ist seit 2008 auch als Kunstmanager tätig und organisiert beispielsweise die laufende Ausstellung im Schanzenviertel, wo Künstler ihre Ateliers fürs Publikum öffnen. Zu denen gehörte auch der Zeichner Eiko Borcherding, dessen monotypische Drucke die Galerie SehKunst in ihrer ersten Ausstellung gezeigt hat. Seit Mai schmücken die Werke des Malers Alexej Mir die Wand, dessen verfremdete Piktogramme vor allem Menschen mit Schutzmasken zeigen – nach Fukushima mit beklemmender Aktualität. In den Brillenvitrinen liegt bis etwa Mitte Juni noch die komplette Musterkollektion des österreichischen Design-Stars Robert La Roche. Was plant Schütt als nächstes? Ein Traum von ihm wäre, einen Verbund der Gewerbetreibenden der HafenCity zu etablieren. Und was fehlt ihm noch in „seiner“ HafenCity? Lange überlegen muss der dunkelhaarige Mann, der bisweilen als Model für seine Brillen einspringt, nicht: „Hier müssen mehr Wohnungen entstehen, um das Viertel mit noch mehr Leben zu füllen.“
Großer Grasbrook 9, 20457 Hamburg
Tel. 040 . 37 50 27 30, www.sehkunst.de Text: Bettina Mertl-Eversmeier, Fotos: SehKunst/Art & Glasses