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Bleibende Werte

Über Jahrzehnte haben Teppichhändler das Bild der Speicherstadt beherrscht. Im Zuge des Strukturwandels sind inzwischen zwar viele von ihnen wieder abgewandert, doch bleiben sie auch weiterhin ein prägendes Element im Quartier.

Mohammad-Reza Nobari und sein Sohn Ardeshir Nobari stehen vor ihrem Speicherblock auf einem wertvollen, 110 Jahre alten Teppich aus Isfahan. Das Familienunternehmen Nobari ist seit über 40 Jahren erfolgreich im Hamburger Teppichhandel tätig.

Kaffee, Tee und Teppiche – das sind die „Elemente“, die jahrzehntelang die Speicherstadt bestimmten. Die Kaffeebranche findet man noch, aber nur wenn man genau hinschaut. Auch der Tee ist nicht mehr ortsprägend hinter den roten Backsteinfassaden. Der Teppich aber hat auch sichtbar in kleinteiliger Struktur und großer Vielfalt überlebt. Hamburg ist nach wie vor das größte Teppichlager der Welt. Aber wie lange noch? Der Umstrukturierungsprozess läuft, die Lager schrumpfen. Bleibt der Hansestadt auch in Zukunft dieses wunderbare Stückchen Orient erhalten?
In Habibullah Rahimis Reich Am Sandtorkai 32, direkt neben dem Gewürzmuseum, türmen sich Teppichstapel, wohin das Auge blickt, verwandeln das nüchternste Speicherstadt-Lager in eine kleine Märchenwelt aus Tausendundeiner Nacht. Alles unter dezenter Beleuchtung. In einer Ecke entdeckt man eine traditionelle Wasserpfeife, in einer anderen einen reich verzierten Messingtisch mit Teetassen. Die zum Teil mannshohen Teppichstapel schlucken den Schall und erzeugen eine fast heilige Stimmung im Raum. Würde in diesem Moment ein kleiner Läufer zu schweben anfangen, man wäre nicht überrascht.
Der Afghane Rahimi, ausgebildeter Bauingenieur, kam vor 27 Jahren nach Hamburg, nachdem die Russen seine Heimat besetzt hatten. Sein Onkel war sozusagen das Vorauskommando und hatte in der Hansestadt einen Teppichgroßhandel etabliert. Das Geschäft hat ihm und seiner Familie die Integration erleichtert, auf die er sehr stolz ist: „Mein Sohn ist hochbegabt in Mathemathik und Biologie, meine Tochter besucht ebenfalls das Gymnasium.“ Die Rahimis sind eine große, sehr anpassungsfähige Familie. Sechs Brüder und zwei Schwestern leben mit ihren Angehörigen über die ganze Welt verteilt zwischen Australien, Amerika und Afghanistan und „sind alle etwas geworden“.

Habibullah Rahimi im Foyer seines Lagers Am Sandtorkai – trotz des anstehenden Umbaus von Block L möchter er hier „bis zur Rente“ arbeiten.

Der klassische, handgeknüpfte Orientteppich, einst heiß begehrt als Schmuckstück des deutschen Heims, hatte es in den vergangenen Jahren schwer. Die (Billig-)Konkurrenz von Auslegware und Viskoseteppichen marschierte. Nun scheint aber doch eine Rückbesinnung auf alte Werte in Gang zu kommen. „Von der Qualität her sind persische Teppiche nach wie vor die besten“, sagt der Afghane Rahimi. Aber vom Design her, von den Mustern und Farben liegen wohl auch andere Produkte im Trend, zum Beispiel afghanische Nachknüpfungen von sogenannten Ziegler-Teppichen, die ursprünglich aus Persien stammen, mit weichen, leicht verwaschenen, keinesfalls knalligen Farben. Rahimi, der inzwischen auch einen Einzelhandel auf Mallorca und in der Langen Reihe in Hamburg etablieren konnte, hat in seinem Lager alles zu bieten, vom preiswerten Läufer für 500 Euro bis zum Seidenteppich mit drei Millionen Knoten pro Quadratmeter für 100.000 Euro. Auch wenn es mit dem Orientteppichhandel wieder aufwärts geht, Rahimi steht schon im kommenden Jahr eine Zäsur bevor: „Das Haus wird saniert, ich muss raus.“ Immerhin, so viel ist sicher, bleibt er der Speicherstadt als Einzel- und Großhändler erhalten.
Schahin Partovi ist gebürtiger Hamburger. Sein aus dem persischen Ort Tabriz stammender Großvater Djavad Nobari, hatte im Jahre 1968 einen Teppichgroßhandel in der Hansestadt eröffnet und dessen Kinder, Diplomkaufmann Mohammad-Reza Nobari sowie Dr. Monireh Nobari, wurden später in das Familienunternehmen integriert. Dem entkam auch der Enkel nicht: „Es stand wohl auch mal eine Ausbildung in der Hotellerie zur Diskussion. Aber da ich meine ganze Kindheit hier im Betrieb verbrachte, hat der Teppich letztlich gewonnen. Und ich habe es nicht bereut“, sagt Partovi heute, der nebenbei noch an seinem Uni-Abschluss in Betriebswirtschaft feilt. Wer von Kindesbeinen an zwischen Teppichen aufgewachsen ist, könnte sich wohl mit Fug und Recht als Experte bezeichnen. „Nein, nein, wehrt Partovi ab. Ich bin jetzt acht Jahre im Geschäft und werde in 40 Jahren noch nicht ausgelernt haben.“ Zu vielfältig seien Branche und Produkt und ein guter Teppich eigentlich mehr ein Kunstgegenstand denn profane Ware.

Rahimi Handel Import/Export
Am Sandtorkai 32, 20457 Hamburg
Tel. 040 . 36 47 19, rahimi.trading@web.deDjavad Nobari OHG
Orientteppiche Import-Export-Großhandel
Brook 7 , 20457 Hamburg
Tel. 040 . 374 90 00, www.djavad-nobari.
Text: Michael Hertel, Fotos: Thomas Hampel
Quartier 15, September–November 2011 , Rubrik:    
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