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Die Zeit überbrückt

Mit der restaurierten Ericusbrücke wird eine der ältesten deutschen Eisenbahn-Drehbrücken bald wieder für Fußgänger und Radfahrer zur Verfügung stehen.

Die Ericusbrücke 1966: Aus Richtung der Oberhafenbrücke hat man freie Sicht auf die Speicherblöcke V und X der Speicherstadt. Foto: Archiv Dierk Lawrenz

Bis 1872 entstanden in Hamburg und Altona Bahnen nach Bergedorf, Berlin, Kiel, Lübeck und nach Harburg, beziehungsweise Hannover, Bremen und Cuxhaven. Zwischen Altona und Hamburg sorgte die Verbindungsbahn für durchgehende Züge. Da deren Gleise nicht in den Berliner Kopfbahnhof geführt werden konnten, wurde der Bahnhof Klosterthor gebaut. Aus Altona und Schleswig-Holstein eintreffende Züge hielten auf der linken Bahnhofsseite und fuhren dann direkt in Richtung Berlin weiter. Nach Eröffnung des Hannoverschen Bahnhofs verband man diesen ebenfalls mit der Verbindungsbahn. Die Berlin-Hamburger Eisenbahn hatte bereits kurz nach Eröffnung der Verbindungsbahn eine Güterzugstrecke vom Gleisvorfeld ihres Bahnhofes durch die Bahnhofstraße und über den Oberhafen hinweg zum Theerhof eröffnet: die ersten Gleise der Hafenbahn. 1870 wurde die Ericusbrücke als kombinierte Eisenbahn- und Straßenbrücke gebaut, um die Poggenmühle mit der Stockmeyerstraße zu verbinden, wo damals bereits Vorbereitungen für den Bau des neuen Hannoverschen Bahnhofs vorangetrieben wurden. Die genietete, mit zwei Stützrädern versehene Stahlbrücke ruht auf einem Mittelpfeiler aus Sandstein und hat zwei unterschiedlich lange Arme aufzuweisen. Während der Nordarm einen Radius von nur 17,7 Metern misst, hat der Südarm eine Länge von 18,04 Metern. Die Breite der Brücke beträgt 8,90 Meter. Wie zu jener Zeit üblich, führte man auch diese Brücke beweglich aus, um den Binnenschiffsverkehr nicht zu behindern.

Die Ericusbrücke vor der Demontage im Mai 2011: Am Brooktorkai steht inzwischen das neue Gebäude-Ensemble des Germanischen Lloyd.

Nach Aufnahme des Bahnbetriebs am Hannoverschen Bahnhof wurden auf der bisher für den Güterverkehr vorhandenen Strecke und der Ericusbrücke auch Personenzüge überführt, die über die Verbindungsbahn von Schleswig-Holstein und Altona am Kloster-thor eingetroffen waren. In Schrittgeschwindigkeit und in Begleitung eines vorauslaufenden, eine Flagge schwenkenden Eisenbahners ging es durch die Bahnhofstraße, über den Oberhafen zum Brooktor, dort abzweigend über die Ericusbrücke und über den Bahnhofsvorplatz durch das Portal in den Hannoverschen Bahnhof. Züge aus Harburg mussten über dieses Gleis in gleicher Weise überführt werden. Die Ericusbrücke nahm für etwa drei Jahrzehnte den gesamten Schienen-Personenverkehr mit täglich etwa 15 Zugpaaren auf. Schließlich wurde die Trasse der Verbindungsbahn auf einen Damm verlegt, sodass der Straßenverkehr ungehindert fließen konnte.

Die vom Fundament gehobene, über 100 Tonnen schwere Ericusbrücke wird inspiziert. Im Vordergrund das Laufrad der Drehvorrichtung.

1906 nahm der Hauptbahnhof den Betrieb auf, der eine direkte Strecke nach Harburg erhielt und der direkt von Personenzügen angefahren werden konnte. Mit der Inbetriebnahme der Oberhafenbrücke im Jahre 1906 verlor die Ericusbrücke dann schlagartig ihre Bedeutung. Zwei Jahre später wurde ihr Gleis ausgebaut, und die Brücke diente nur noch im Verlauf der Lohsestraße dem örtlichen Straßenverkehr. Bis 1948 konnte die Brücke noch gedreht werden, danach wurde sie festgesetzt. Zur Zeit wird sie renoviert und kann bald ihr neues Leben als Fußgängerbrücke zwischen den Neubauten an Ericusspitze und Brooktor und dem neuen Elbtorquartier fortsetzen.

Text: Dierk Lawrenz, Fotos: Thomas Hampel
Quartier 15, September–November 2011 , Rubrik:    
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