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Unter Strom

Mit E-COLLECTiON und E-MOBiLiTY zeigen Detlev und Bernd Repenning in der HafenCity, wie die Zukunft der Fortbewegung in Städten aussehen kann.

Bernd Repenning, Projektstratege und technischer Entwickler bei E-COLLECTiON, im Foyer des Shops am Sandtorkai

Nachhaltigkeit ist eines der großen Themen der HafenCity. Ein so großes, dass schon eine Ausstellung dazu entstanden ist: Im Mai hat der Osaka 9 NachhaltigkeitsPavillon eröffnet. Etwas versteckt liegt der grüne Ableger des HafenCity InfoCenters im Kesselhaus an der Uferpromenade am Magdeburger Hafen unterhalb der Straße. Der Besucher kann hier multimedial und überaus anschaulich verschiedene Facetten der Nachhaltigkeit in der HafenCity kennenlernen, beispielsweise mittels bunter Schubladen, die er aus einer Skulptur aus gebrauchten Europaletten zieht. Ob beim nachhaltigen Bauen, bei energiesparender Mobilität oder der emissionsarmen Strom- und Wärmeversorgung, die HafenCity hat deutschlandweit eine Vorreiterrolle übernommen. Und Hamburgs neuer Stadtteil ist selbst in seiner Grundkonzeption nachhaltig. Umweltsenatorin Jutta Blankau spricht bei der Eröffnung des Pavillons vom „größten innerstädtischen Flächenrecyclingprojekt Europas“. Deshalb passen sie so gut hier hin: die beiden Geschäftsbereiche des Lübecker Unternehmens o.m.t GmbH, E-COLLECTiON und E-MOBiLiTY. Strategischer Kopf im Hintergrund: Geschäftsführer Dr. Detlev Repenning, ein sehr bescheidener Vordenker der Nachhaltigkeit. Der Physiker und Chemiker macht „nur seine Arbeit“, die aber sehr erfolgreich. Die o.m.t steht in der Beschichtungstechnologie inzwischen weltweit an der Spitze. Schon länger spukte dem Firmen-gründer die Idee im Kopf herum, alltagstaugliche, nachhaltige Produkte mit Lifestyle zu verbinden. Zusammen mit seinem Sohn Bernd, Diplomingenieur für Fahrzeugtechnik, und einem fünfköpfigen Team startete er in der HafenCity E-COLLECTiON und E-MOBiLiTY.
E-COLLECTiON bietet mit LED-Lichtplanung die derzeit nachhaltigste Beleuchtungstechnik und alles, was es an innovativen alternativen Stromkonzepten auf dem Markt gibt. Das Unternehmen gehört zu den Vorreitern der dezentralen Energieversorgung. Das Drei-Säulen-Modell kennzeichnet ein ganzheitlicher Ansatz: von der Gewinnung der Energie aus Wind- oder Sonnenkraft über ihre Speicherung durch die von o.m.t entwickelten umweltschonenden Akkus bis zu ihrem effizienten Verbrauch.

Vor dem Geschäft von E-MOBiLiTY wird ein ekektrischer Roadster-Sportwagen des kalifornischen Herstellers Tesla Motors ausgestellt.

E-MOBiLiTY an der anderen Seite des Sandtorparks gehört zu den führenden Anbietern von Elektrofahrzeugen in Deutschland. Elektromobilität bedeutet im Kern Speichertechnologie. Was nützt das schönste E-Bike, wenn es nur drei Kilometer fährt und dann an die nächste Steckdose muss? Seit fast 15 Jahren hat Detlev Repenning mit seiner o.m.t an nachhaltigen Lithium-Ionen-Akkus geforscht und deren Leistungsfähigkeit entscheidend verbessert. Das gab den Anstoß, sich auf innovative Mobilitätskonzepte zu spezialisieren. Neben Kooperationen mit anderen Herstellern entwickelt E-MOBiLiTY selbst Produkte aus dem Bereich „Leichte Elektrische Mobilität“. Auf einem Pappaufsteller zu sehen ist beispielsweise ein Fahrzeug, das mit seinen drei Rädern und dem Dach wie eine moderne Isetta wirkt und 2012 auf den Markt kommt. „Um die Zentren der Städte zu entlasten, brauchen wir ein Fahrzeug zwischen Auto und Fahrrad. Letztendlich wollen wir ja die Menschen vom Auto weglocken“, erklärt Florian Hempel, verantwortlich für den Bereich Marketing und Kommunikation von E-COLLECTiON und E-MOBiLiTY.

Repenning will alltagstaugliche, nachhaltige Produkte mit Lifestyle verbinden.

„Und wir wollen zeigen, was geht“, ergänzt er und ist gleich mitten im Thema. Im Showroom von E-MOBiLiTY kann man die (mögliche) Zukunft der urbanen Fortbewegung sehen. Es gibt E-Bikes, also Fahrräder mit einem eingebauten Elektromotor, Pedelecs, bei denen der Motor nur anspringt, wenn die Pedalen betätigt werden. Oder Elektroroller im Retro-Look, auf denen man emissions- und fast geräuschlos durch die Stadt gleitet. Das schicke Gefährt an der heimischen Steckdose aufzuladen, ist etwa 70 Prozent billiger, als Benzin zu tanken. Nach vier bis sechs Stunden Ladezeit hat das Modell mit der Höchstgeschwindigkeit von 45 Kilometern in der Stunde immerhin eine Reichweite von etwa 50 Kilometern. Natürlich sind auch Probefahrten möglich. Man kann sogar ein Fahrtraining belegen, beispielsweise für den „Segway“, jenes Gefährt mit einer Lenkstange und zwei Rädern an einer Achse, zwischen denen der Fahrer steht.
„Umweltschutz muss Spaß machen. Das wollen wir vermitteln“, erklärt Hempel. Elektro-Fahrräder zumindest boomen derzeit, ein Trend, in dem noch einiges Potential stecken könnte, zumal Stars wie Brad Pitt oder Leonardo di Caprio die Nachhaltigkeit für sich entdeckt haben. Genau diese Zielgruppe – die Reichsten, die Prominentesten, die Trendsetter – hat PG Bikes mit seinem Blacktrail, dem exklusivsten E-Bike der Welt, ins Visier genommen. Das Designerstück mit handgefertigtem Rahmen aus Kohlefaser, an dem auch Formel-1-Techniker mitgeschraubt haben, fährt bis zu 100 Kilometer in der Stunde, kostet rund 60.000 Euro und ist auf 667 Stück weltweit limitiert. Der Marketing-Clou dabei ist das sogenannte Top-Down-Prinzip: Der Glanz, der für den Normalbürger unerschwinglichen Spitzenprodukte soll auf die preiswerteren Segmente ausstrahlen. Eine Spezialität von PG Bikes aus Regensburg sind „custom-made-bikes“, maßgeschneiderte Elektrofahrräder, bei denen der Kunde die Details selbst bestimmt, und die er über E-MOBiLiTY zusammenstellen kann. „Wir hoffen, das Blacktrail hier in diesem Jahr noch ausstellen zu können“, bemerkt Hempel nicht ohne Stolz. Sie sind bodenständig bei E-MOBiLiTY. Und geradezu elektrisiert von der Gründer-Atmosphäre der HafenCity. „Wir sind hier alle in Amerika, keiner von uns ist hier geboren.“ Die HafenCity sei ein regelrechter Melting Pot, schwärmt Rüdiger Kutz, Direktor der E-MOBiLiTY. Der Experte auf dem Gebiet der urbanen Mobilität träumt davon, den Korpsgeist der Menschen in der HafenCity zu wecken und den ganzen Stadtteil für die Elektro-Mobilität zu begeistern. Und Florian Hempel ergänzt: „Hier an den grünen Rasenflächen des Sandtorparks haben wir unseren idealen Standort gefunden.“

Die Wasserstoff-Tankstelle an der Oberbaumbrücke soll noch in diesem Winter ihre Arbeit aufnehmen. Visualisierung: www.dilight.com

Aber es gibt auch noch ein anderes großes nachhaltiges Projekt zur emissionsfreien Mobilität. Seit Sommer 2010 entsteht an der Oberbaumbrücke unter der Ägide von Vattenfall Europas größte Wasserstoff-
tankstelle. Wasserstoff hat gegenüber fossilen Energieträgern einen genialen Vorteil: Er ist unbegrenzt vorhanden. Um ihn zu gewinnen, muss man das Element mittels Energie aus seinen chemischen Verbindungen herauslösen. Dann wird Sauerstoff zugeführt, und die zuvor investierte Energie wird wieder freigesetzt. Der Wasserstoff gilt deshalb als besonders umweltfreundlicher Energiespeicher. Wasserstoffbusse, wie sie die Hamburger Hochbahn bereits in der Vergangenheit eingesetzt hat, geben lediglich Wärme und Wasserdampf ab. Die Wasserstoffstation soll die neue Generation der Brennstoff-
zellenbusse der Hochbahn versorgen, von denen planmäßig noch vier in diesem Jahr fah-ren werden, drei weitere sollen 2012 dazukommen. Die Hälfte des Treibstoffs wird an die Tankstelle geliefert, die andere Hälfte mit einem Mix aus regenerativen Energien vor Ort aus Wasser gewonnen. Läuft alles nach Plan, könnte die Station im November fertig sein. Ihre volle Lieferkapazität erreicht sie voraussichtlich 2013 mit 750 Kilogramm Wasserstoff pro Tag, die den Bedarf von etwa 20 Linienbussen decken würde. Auch Wasserstoff-Autos können dann an der Station tanken. Wenn man aus östlicher Richtung über die Oberbaumbrücke in die HafenCity fährt, sieht das weißgraue Gebilde vor der Backsteinsilhouette der Speicherstadt ziemlich futuristisch aus. Aber wer fragt bei nachhaltigen Zukunftstechnologien schon nach solchen Äußerlichkeiten?

Text: Bettina Mertl-Eversmeier, Fotos: Thomas Hampel
Quartier 15, September–November 2011 , Rubrik:    
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