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Grundberührung

Liebe zu historischen Schiffen und soziales Engagement – wie lange können Stiftung Hamburg Maritim und „Jugend in Arbeit“ noch zusammenarbeiten?

Reparaturarbeiten am Holzrumpf des 128 Jahre alten Lotsenschoners N°5 ELBE auf der Werft in Harburg

In diesem Jahr feiert die Stiftung Hamburg Maritim ihr zehnjähriges Bestehen. Doch im Sommer trübte eine Nachricht die Stimmung beim Hüter der Hamburger Hafenschätze und Betreiber des Traditionsschiffhafens: Der Träger „Jugend in Arbeit Hamburg e. V. “, der die historischen Schiffe der Stiftung restauriert, musste Insolvenz anmelden. „Jugend in Arbeit“ war von Anfang an dabei, schon beim ersten Schiff. 1990, lange vor Gründung der Stiftung Hamburg Maritim, holten Joachim Kaiser, Kapitän und Sachverständiger für historische Schiffe, und Reinhard Wolf von der Handelskammer mit Unterstützung des Commerz-Kollegiums zu Altona das Dampfschiff SCHAARHÖRN von Schottland zurück in die Hansestadt. Um das Schiff zu restaurieren, stand „Jugend in Arbeit Hamburg e. V.“ bereit, Bildungs- und Beschäftigungsträger mit eigener Werft in Harburg. Fünf Jahre dauerte es, dem einst schmucken und nun ziemlich verrotteten Dampfer aus der Kaiserzeit neuen Glanz zu geben. Und die Idee war geboren: Es gab die Werft und das Know-how. Um daraus ein zukunftsweisendes Projekt zu machen, das zudem soziales Engagement einschließt, brauchte man weitere Schiffe, alle mit einem engen Bezug zu Hamburg, und eine Dachorganisation. So kam es, dass im Februar 2001 die damalige Hamburgische Landesbank auf Initiative der Handelskammer die gemeinnützige Stiftung Hamburg Maritim gründete.

Anleiter und Arbeiter von „Jugend in Arbeit“ auf dem Frachtschiff MS BLEICHEN (Foto links), Entrostungsarbeiten an Deck der MS BLEICHEN, seit 2007 wieder in Hamburg (Foto rechts)

Ihr zentrales Projekt sollte den Stiftungspionieren quasi vor die Füße fallen. 2002 war der Abriss der 50er Schuppen auf dem Kleinen Grasbrook eine beschlossene Sache. Mit Unterstützung aus der Kulturbehörde und der HHLA gelang es, Hamburgs letzte Kaischuppen aus der Kaiserzeit zu retten und unter Denkmalschutz zu stellen. Die drei verbliebenen Schuppen 50 bis 52 sind einzigartige Zeugnisse der Epoche des Stückgut-
umschlags im 20. Jahrhundert. Im repräsentativen Kopfbau von Schuppen 52 sitzt heute auch die Stiftung.

„Das war ein harter Schlag, als die ersten Kündigungen ausgesprochen wurden“, erinnert sich Ursula Wöst. „Die Arbeit hier hat den Leuten, die teilweise ein schweres Schicksal haben, wirklichen Halt gegeben.“

Doch 2002 befand sich die Hafenanlage in einem so schlechten Zustand, dass eine denkmalgerechte Restaurierung ausschließlich mit Firmen des ersten Arbeitsmarktes nicht finanzierbar gewesen wäre. „Jugend in Arbeit“ war wieder mit im Boot. In Ausbildungs- und Fördermaßnahmen sicherten Langzeitarbeitslose und junge Leute die einsturzgefährdeten Schuppen. Doch durch die Kürzungen des Bundes bei den Ein-Euro-Jobs geriet der Träger finanziell zunehmend ins Schlingern, und musste im Juni schließlich Insolvenz anmelden. „Das war ein harter Schlag, als die ersten Kündigungen ausgesprochen wurden“, erinnert sich Ursula Wöst, bei der Stiftung zuständig für Öffentlichkeitsarbeit. „Die Arbeit hier hat den Leuten, die teilweise ein schweres Schicksal haben, wirklichen Halt gegeben. Und leider ist die Zukunft von ‚Jugend in Arbeit‘ nach wie vor ungewiss.“ Zudem besteht das Vermögen der Stiftung im Wesentlichen aus den historischen Schiffen, deren laufender Betrieb mit ehrenamtlichen Crews über Charterfahrten finanziert wird, und den 50er Schuppen, deren Betriebskosten aus Mieteinnahmen gedeckt werden. Alle größeren Vorhaben, wie der dringend benötigte neue Hochwasserschutz oder Werftaufenthalte der Schiffe, müssen über Spenden finanziert werden. Und auch die sind nach der Finanzkrise eingebrochen. Wöst ist zuversichtlich: „Sicher werden wir Lösungen finden.“ Die 45-jährige Historikerin blickt über den sonnenbeschienenen Hansahafen, wo der Stückgutfrachter MS BLEICHEN, Jahrgang 1958, vor Anker liegt: „Und nach wie vor ist das der schönste Arbeitsplatz der Welt.“

Text: Bettina Mertl-Eversmeier, Fotos: Stiftung Hamburg Maritim
Quartier 16, Dezember 2011–Februar 2012 , Rubrik:    
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