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Das Erbe des Erfinders

Die Körber-Stiftung setzt heute das gemeinnützige Erbe ihres Gründers Kurt A. Körber fort. Sie will zusammen mit Menschen, „die nicht alles so lassen wollen, wie es ist“, Impulse für gesellschaftliches Engagement geben.

Die Körber-Stiftung setzt heute das gemeinnützige Erbe ihres Gründers Kurt A. Körber fort. Sie will zusammen mit Menschen, „die nicht alles so lassen wollen, wie es ist“, Impulse für gesellschaftliches Engagement geben.

Körber initiierte internationale Gesprächskreise und traf hier mit Freund und Altbundeskanzler Helmut Schmidt auf Papst Johannes Paul II (1984).

Körber und Richard von Weizsäcker (1980er): Der Stifter Körber pflegte gute Verbindungen zu vielen politischen Entscheidungsträgern.

Am Kehrwieder 12 sind auch nach Büroschluss die Lichter an. Seit 2005 belebt die Körber-Stiftung mit Vorträgen, Diskussionen sowie Konzerten und anderen kulturellen Darbietungen das westliche Entrée zur Speicherstadt. Viele ihrer gemeinnützigen Projekte bekommen im Körber-Forum ein Gesicht, eine Bühne und ein Publikum. Dass dieses von den hier vorgestellten Ideen und Vorbildern selbst zum gesellschaftlichen Engagement angesteckt werden könnte, ist erwünscht und ganz nach dem Geschmack des Gründers Kurt A. Körber. Ein paar Stufen noch und schon treten Besucher über den Windfang in die Eingangshalle ein. Ihrer Mäntel, Jacken und Schirme an der Garderobe entledigt und mit Getränk und Lunchtüte versorgt, suchen sie sich dann in dem gläsernen Kubus des Körber-Forums einen Platz. An die 100 Gäste be-suchen heute am Kehrwieder 12 den HafenLunch. Als Auftakt zum diesjährigen Schwerpunktthema der Körber-Stiftung „Das Alter neu erfinden“ berichtet Inge Lüders darüber, wie sich der Landes-Seniorenbeirat Hamburg für die Belange der Senioren in der Öffentlichkeit und bei der Verwaltung einsetzen kann. Fällt der Blick durch die Glaswände nach links, krönt der Turm der Nikolaikirche die Aussicht auf den Binnenhafen, und rechts steigen über dem Kehrwiederfleet Fahrstühle im Hanseatic Trade Center auf und ab.

Über Umwege zum Kehrwieder

Dem Standort sei es mindestens zu einem Drittel zu verdanken, so der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Dr. Klaus Wehmeier, dass das Forum-Programm so erfolgreich ist. Die Gäste kämen gern hierher und seien neugierig, wie sich das Quartier weiterentwickelt. Dabei ist die Körber-Stiftung rein zufällig zu ihrem neuen Domizil am Kehrwieder gekommen. Einige Zeit nach dem Tod des Unternehmers und Stiftungsgründers Kurt A. Körber im Jahre 1992 habe sich der Vorstand dazu entschieden, den Sitz von Bergedorf in die Innenstadt zu verlegen. Das Ziel war, im Zentrum Hamburgs mehr Sichtbarkeit und Öffentlichkeit zu gewinnen. Bei der Standortwahl zogen die Stifter dabei von Anfang an die Elbe der Alster vor. Eine Umgebung, in der Blaumänner zu Hause sind, sei ihnen lieber gewesen als eine vorwiegend von feinem Zwirn geprägte, so Wehmeier. Für die zuerst vorgesehene Adresse am Stintfang wurde ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben, der aber nicht wie geplant in den Bau einer neuen Stiftungsheimat mündete. Letztendlich konnte kein Zuschnitt der Innenräume gefunden werden, der den Anforderungen der Stiftung entsprach. Als das Projekt am Stintfang 2004 endete, eröffnete sich die Möglichkeit, die ersten fünf Etagen im Atriumbau am Kehrwieder 12 zu mieten und damit doch noch an die Elbe zu ziehen. Auch über den Anbau für das Körber-Forum, der wichtigsten Begegnungsinstitution der Stiftung, konnte sich das Management mit dem Eigentümer einigen. Schließlich siedelte die Belegschaft 2005 auf einer Bootstour über die Elbe an den Kehrwieder über. Hier sind heute etwa 70 Mitarbeiter in der projektbezogenen Stiftungsarbeit beschäftigt.

Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert.

Eine so plakative Umzugsaktion wie diese hätte dem Gründer Kurt A. Körber sicher gefallen. Klaus Wehmeier beschreibt den Unternehmer als einen Menschen, der gern wahrgenommen wurde. Er pflegte Freundschaften und Kontakte zu Regierungschefs im In- und Ausland. Nicht nur aus Eitelkeit, wie Hermann Schreiber in seinem Essay über Kurt A. Körber „Kapitalist mit Gemeinsinn“ interpretiert, sondern auch, weil er seine Anliegen direkt an Entscheidungsträger und Repräsentanten adressieren konnte. Ihm genügte es nicht, über die Probleme unserer Gesellschaft zu philosophieren, ihm ging es ums Umsetzen. Was ihn als Tüftler, Ingenieur und Stifter zu neuen Ideen und Entdeckungen antrieb, war der Wille, die Welt tatkräftig zu verbessern, denn „was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert“. Sein Anspruch an sich war dabei sehr hoch: „Wenn ich etwas mache, muss es ein Unikat sein, muss es
besser sein und höher bewertet als alles, was es bereits gibt.“ Mit 15 Jahren meldete er als angehender Elektrotechniker eine Sender-Ableseskala für Radios als sein erstes von insgesamt 200 Patenten an. Er erfand eine Zigarettenfilter-Ansetzmaschine, mit der er sein Unternehmen Hauni (Hamburger Universelle) an die Weltmarktspitze im tabakverarbeitenden Maschinenbau beförderte und sich selbst zum Millionär. Körbers Neigung, sich der Lösung von technischen Problemen aller Art anzunehmen, wird auch bei einer seiner Erfindungen sichtbar, die fast jedem bekannt ist: Um eine möglichst gerechte Verteilung der Lose sicherzustellen, konstruierte er auf Wunsch der Deutschen Fernsehlotterie den Glückswirbel. Dessen schleppende Drehungen verfolgen Fernsehzuschauer heute noch mit Spannung.
Die Beweggründe, sich sozial zu engagieren und 1959 zu seinem 50. Geburtstag die Körber-Stiftung zu gründen, hätten laut Schreibers Essay ihre Wurzeln in der starken Bindung zu seiner politisch aktiven Mutter Line Augusta. Sie hatte sich Ende des Zweiten Weltkrieges für die USPD engagiert und hegte große Sympathie für Rosa Luxemburg. In seiner Autobiografie „Das Profit-Programm. Ein Unternehmer geht stiften“ beschreibt er, wie er den sich widersprechenden Impulsen Raum gab: „Am Vormittag widme ich mich mit ganzer Kraft dem Profitmachen, dem Geldverdienen; am Nachmittag überlege ich mir dann, wie ich diese Profite gewinnbringend für die Gesellschaft, für das Gemeinwohl anlegen, ausgeben kann.“ Dem Gemeinwohl und stellvertretend der Körber-Stiftung vererbte er sein Privatvermögen. Zusammen mit den Dividenden, die die Stiftung als Alleinaktionärin der Maschinenbau-Holding Körber-AG empfängt, beträgt es heute etwa 515 Mil-lionen Euro. Rund 15 Millionen Euro gibt die Stiftung jährlich für gemeinnützige Arbeit aus.

Anleitung zum Anstiften

Der Geisteshaltung ihres Gründers, der von sich selbst sagte: „Ich will Anstifter sein, und kein Mäzen“, folgt die operativ agierende Körber-Stiftung. Wehmeier beschreibt, wie Kurt A. Körber es etwa bei der Förderung von Kulturstätten verstand, das Engagement anderer hervorzulocken. Die von Hamburger Bürgern nach dem Zweiten Weltkrieg gegründete Stiftung „Wiederaufbau Thalia Theater Hamburg“ hatte er mit einem Grundkapital von 100.000 DM ausgestattet. In der Satzung ließ er jedoch festschreiben, dass diese Summe nur für den Innenausbau des Bühnenhauses auszugeben sei. Diesen „Anstupser“ nahm der Hamburger Senat zum Anlass, den kompletten Neubau des Theaters zu beschließen. Heute wolle sich die Stiftung, so Wehmeier, nicht mit „Steinen“ am Bau der Elbphilharmonie beteiligen, sondern mit Inhalten wie Projekten zur Vermittlung klassischer Musik an Kinder und Jugendliche. Für das „Anstiften“ ist seiner Meinung nach auch die Förderung des akademischen Nachwuchses mit dem Deutschen Studienpreis ein gutes Beispiel: „Wir stellen eine Bühne, da setzen wir Preisträger drauf, machen das Scheinwerferlicht an und sagen: Das ist deine Bühne, mach was aus deinen Talenten. Aber: Für die Gesellschaft solltest du schon auch etwas zu bieten haben.“ Junge Akademiker könnten in der stiftungseigenen Edition ihre Ideen und Forschungen publizieren sowie im Körber-Forum in den Dialog mit der Öffentlichkeit treten. So stellte sich die Studienpreisträgerin Dr. Katrin Kinzelbach auf dem Podium am Kehrwieder dem Diskurs. Zu ihren Sparring-Partnern gehörten der Schriftsteller Tilman Spengler, der Publizist Shi Ming sowie der Hamburger Architekt Meinhard von Gerkan, der nahe Shanghai die Millionenstadt Lingang New City plant. Kinzelbachs Forschung bietet eine aktuelle Grundlage, die bisher praktizierten, aber nicht öffentlichen Dialoge der EU mit China über Menschenrechte neu zu bewerten und zu hinterfragen. Sie fordert, dass das Thema in den höchsten Regierungsebenen der EU an Relevanz gewinnen muss, damit die Menschenrechts-Akteure in China unterstützt werden können. Um Engagement möchte auch Inge Lüders werben: „Könnten Sie sich vorstellen, den Seniorenbeirat zu unterstützen?“, lautet am Ende ihres Vortrages die Frage an das Publikum. Beantwortet wird diese in der anschließenden Diskussion nicht direkt. Es melden sich zahlreiche Gäste zu Wort, um ihre Sicht über die „Lebenszeit nach der Berufstätigkeit“ zu äußern: Alter gelte in der medialen Öffentlichkeit als „unsexy“, die Potenziale, die Produktivität des Alters seien sowohl den Senioren selbst, als auch den Jüngeren nicht bewusst, und schließlich „möchte doch jeder gut alt werden“. An der Rezeption erkundigt sich später ein Paar nach den Kontaktdaten des Seniorenbeirates in Hamburg. Hat es sich vielleicht „anstiften“ lassen? Unter den ungefähr 100 Veranstaltungen, die in diesem Jahr im Körber-Forum stattfinden, werden mit Sicherheit noch einige dabei sein, bei denen genau das passieren könnte. Andere werden vermutlich für moderne klassische Musik begeistern, wie etwa das Gesprächskonzert „2 x hören: keine Angst vor Shchedrin“ am 7. März. Es ist dabei aber immer ratsam, sich für die Veranstaltungen rechtzeitig anzumelden, denn dass am Kehrwieder 12 viel geboten wird, hat sich längst herumgesprochen.

In der Reihe „AltersBilder“ sprach Hellmuth Karasek mit Andreas Bormann über Komisches und Bewegendes im Herbst des Lebens.

Seit 1973 erforschen Schüler beim „Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten“ Geschichte vor Ort.

In Bergedorf geblieben ist das Begegnungszentrum Haus im Park. Der „Treffpunkt HiP“ plant zum Beispiel gemeinsame Theaterbesuche.

Thema des Symposiums „The Art of Music Education“: Musik- vermittlung für Jugendliche und junge Erwachsene

Text: Ljubica Heinsen, Fotos: Körber-Stiftung

Quartier 17, März–Mai 2012 , Rubrik:    
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