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Zwei mit Format

Jörg Pilawa und Marcus Wolter sind Fernsehprofis. Für ihre Produktionsfirma Herr P haben sie eine kreative und sympathische Crew um sich gesammelt, mit der sie neue Show-Formate entwickeln.

Zwei, die die Speicherstadt lieben, denn „mehr Hamburg geht nicht“: Jörg Pilawa (links) und Marcus Wolter (rechts).

Jörg Pilawa ist einer der erfolgreichsten Fernsehmoderatoren Deutschlands, Marcus Wolter Deutschland-Chef des Produktions-
giganten Endemol. Zusammen arbeiten sie als Geschäftsführer der Herr P GmbH mit Sitz in der Speicherstadt. Deren Spezialität: Unterhaltungs-
formate für das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Hell und offen sind die Räume der Herr P GmbH im ebenso denkmalgerecht wie liebevoll renovierten Block Q. Hier sprach Quartier mit Jörg Pilawa (46) und Marcus Wolter (44) über den Medienstandort Hamburg, Speicherstadt und HafenCity, neue Fernsehproduktionen und darüber, warum Quizshows die besseren Talkshows sind.

Herr Wolter, mit der Firma Endemol liegt Ihr beruflicher Lebensmittelpunkt in Köln, privat wohnen Sie aber immer noch in Hamburg?
Marcus Wolter: Ich wohne wieder in Hamburg. Ich bin mit Leib und Seele Hamburger, genau wie meine Frau. Deshalb haben wir Hamburg zu unserer Homebase auserkoren.

Herr Pilawa, Sie sind hier an der Elbe geblieben? Jörg Pilawa: Genau, einmal Fischkopp, immer Fischkopp. Hamburg ist die einzige Weltstadt Deutschlands, was natürlich am Hafen liegt. Als kleiner Junge bin ich häufig mit meinem Vater durch die Speicherstadt gelaufen. Das war der Hammer, als hier noch die Zollgrenze war und man immer seinen Ausweis dabei haben musste. Es roch nach Kaffee oder Tee, einfach grandios.

Es macht Ihnen nichts aus, dass es hier kein großes Studio gibt? Für die Aufzeichnung von „Rette die Million“ oder größerer Shows müssen Sie ja nach Köln oder Berlin fahren. Jörg Pilawa: Das ist ein Problem. Wir würden gerne auch große Produktionen in Hamburg machen. Leider gibt es hier kein Studio, das 1.000 Quadratmeter plus hat. In Berlin oder Köln haben wir ganz andere Möglichkeiten, auch was die Logistik angeht. Marcus Wolter: Andere Städte wie München oder Berlin betreiben richtige Standortförderung. Es ist merkwürdig, dass man dort als Medienunternehmer viel deutlichere Signale bekommt, dass es sinnvoll ist, sich an diesen Orten anzusiedeln.

Bleibt in Hamburg, obwohl es kein großes Fernsehstudio gibt: „Einmal Fischkopp, immer Fischkopp.“

„Ich brauche dieses Nest, in dem ich mich wohlfühle, weil ich nur so auf dem Bildschirm authentisch sein kann.“

Ist es Zufall, dass Sie hier in der Speicherstadt sitzen? Jörg Pilawa:Keinesfalls. Mit meiner früheren Produktionsfirma White Balance saßen wir auf dem Gelände von Studio Hamburg in Jenfeld, was logistisch perfekt war. Wir brauchten nur hinunterzugehen ins Studio und das tägliche Quiz für die ARD aufzuzeichnen. Wenn ich jetzt morgens in die Speicherstadt fahre, spüre ich, dass hier urbanes Leben stattfindet. Besonders durch das Erwachen der HafenCity, der ich zunächst skeptisch gegenüberstand. Wenn ich hier heute durch die Straßen gehe, bin ich froh, dass ich mich getäuscht habe. Es funktioniert nämlich, und die Infrastruktur entwickelt sich gut. Es entstehen Schulen, und das Familienleben wächst.

Nehmen Sie hier auch die Gründeratmosphäre der HafenCity wahr? Jörg Pilawa: Oh ja. Ich habe neulich drüben mit einigen Ladenbesitzern gesprochen, die, um zu überleben, jeden Sonntag aufmachen. Da sind Pioniergeist und Kampfstimmung zu spüren. Und ich hoffe, dass sie durchhalten, bis alles fertig ist.

Ist die „Quizshow mit Jörg Pilawa“, die im Januar 2012 erfolgreich im ZDF gestartet ist, das erste allein von der Herr P GmbH entwickelte und produzierte Format? Neu sind ja die sogenannten Aktionsjoker, bei denen die Kandidaten mit Geschicklichkeit punkten können.
Jörg Pilawa: Die Sendung ist eine Entwicklung von uns. Man kann das Fernsehen nicht neu erfinden, sondern nur Nuancen verändern. Aber es war an der Zeit, das Format Quiz weiterzuentwickeln. Mit der Herr P GmbH haben wir auch noch das „Superhirn“ gemacht, was sehr erfolgreich im Dezember gelaufen ist, und das „Weihnachtsquiz“. Und natürlich seit Oktober 2010 „Rette die Million“. Das ist zwar ein Lizenzprodukt aus England, das unserem Mutter-Konzern Endemol angeboten wurde – Endemol ist ja mit 51 Prozent an der Herr P GmbH beteiligt –, aber wir haben das Quiz natürlich kreativ weiterentwickelt.
Marcus Wolter:Und daraus eine Jörg-Pilawa-Show gemacht. In der ARD startet übrigens noch „Null gewinnt“ mit Dieter Nuhr, ebenfalls von der Herr P GmbH.

Das Team der Herr P GmbH: Benjamin Röber, Robert Hecker, Kerstin Nerge, Anabell Friedheim, Katrin Warnecke, Jörg Wagenknecht (von links vorne), Rieke Gehrke, Nicole von Pein, Lars Grundei (von links hinten)

Sie arbeiten beide als Geschäftsführer. Wie sieht die Arbeitsteilung bei Ihnen aus? Jörg Pilawa:
Er arbeitet (lacht). Und Sie sind ab und zu im Fernsehen. Jörg Pilawa: Genau. Aber im Ernst: Wenn du eine Produktionsfirma leitest, lebst du natürlich ganz stark von der Kreativität. Das klappt nur mit sehr flachen Hierarchien. Wir sitzen oft alle zusammen und tauschen uns aus über neueste Entwicklungen, sehen uns den weltweiten Markt an. Wir duzen uns alle, aber das hat einfach damit zu tun, dass wir sehr eng miteinander arbeiten. Ich kenne meine Mitarbeiter teilweise schon über ein Jahrzehnt.

Stimmt es, dass Sie beide auf derselben Schule waren?
Jörg Pilawa: Ja. Wir haben das Gymnasium Hummelsbüttel besucht, waren aller-dings in unterschiedlichen Jahrgängen. Marcus Wolter: Aber unsere Freundeskreise haben sich überschnitten.
Jörg Pilawa: Um auf meine Arbeit als Produzent zurückzukommen, es ist ein Unterschied, ob ich in die eigene Firma gehe und hier Freunde sitzen habe, die wissen, wie ihr Chef tickt, und umgekehrt, oder ob ich mich in eine fremde Produktionsfirma eingrooven muss. Das ist der Hauptgrund, warum ich als Produzent arbeite. Ich brauche dieses Nest, in dem ich mich wohlfühle, weil ich nur so auf dem Bildschirm authentisch sein kann. Die Herr P GmbH mit ihrer familiären Atmosphäre ist eine perfekte Ergänzung für den Branchenriesen Endemol, der ja internationaler ausgerichtet ist. Und vor allem hat Marcus wieder ein Büro in Hamburg (beide lachen).

Was plant die Herr P GmbH noch?
Jörg Pilawa: Wir haben zum Beispiel einen Late-Night-Talk pilotiert, übrigens hier in Hamburg, mit dem Titel „Mut zur Wahrheit“. Bei der derzeitigen Flut von Talkshows macht es allerdings noch keinen Sinn, damit auf Sendung zu gehen. Die Pilotsendung liegt in meiner Schublade aber ganz oben.
Bevor Sie, Herr Pilawa, von der ARD zum ZDF gewechselt sind, haben Sie gesagt, Sie möchten nicht als Quiz-Onkel in die Fernsehgeschichte eingehen.

Wäre das denn so schlimm? Jörg Pilawa:Je älter ich werde, desto lieber bin ich Quiz-Onkel. Es ist ein Format, das zu mir passt. Es sieht ja nur so aus, als wäre Quiz einfach zu moderieren. Die eigentliche Kunst besteht darin, kleine Nuancen zu nutzen. Denn es gehört viel Mut dazu, im richtigen Moment reinzugehen und die Leute zu verunsichern. Es geht ja auch um viel: Was ist denn, wenn es um 200.000 Euro für ein Paar geht, und du machst eine Äußerung, die sie so interpretieren, dass sie sagen: „Um Gottes Willen, das ist falsch, was ich denke“, und schon sind sie raus, und das Geld ist weg. Deshalb musst du da schon ein Gefühl für entwickeln, und das bringt mir nach vielen Jahren immer noch Spaß. Und natürlich muss sich das Quiz-Format weiterentwickeln, wie wir es mit der Herr P GmbH umsetzen, und auch ich mich als Moderator. Inzwischen helfe ich den Kandidaten auch manchmal, was vor zehn Jahren gar nicht möglich gewesen wäre, körbeweise Post hätten wir bekommen.

„Was ich an Quizshows faszinierend finde, ist, dass sie eigentlich Talkshows sind.“

Angekommen und tiefenentspannt: „Je älter ich werde, desto lieber bin ich Quiz-Onkel.“

 

Marcus Wolter: Was ich an Quizshows faszinierend finde, ist, dass sie eigentlich Talkshows sind. Dort lernt man die Menschen innerhalb kürzester Zeit kennen, was viel vom Unterhaltungswert einer Quizshow ausmacht. Deshalb schaltet man auch bei den Promis ein. Die kommen bei Quizshows selten auf die Idee, ihre Bücher in die Kamera zu halten. In Quizshows sind sie so, wie sie sind. Jörg Pilawa: Und sie zeigen Gefühle, besonders beim Paarquiz. Hätte ich Frank Plasberg, den wir als toughen Journalisten aus „hart aber fair“ kennen, vor fünf Jahren gesagt, du wirst einmal im Fernsehen deine Freundin Anne Gesthuysen vom ARD-Morgenmagazin küssen, er hätte es nicht für möglich gehalten. In der ZDF-Quizshow hat er es getan.

Interview: Bettina Mertl-Eversmeier, Fotos: Jonas Wölk
Quartier 17, März–Mai 2012 , Rubrik:    
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