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Im grünen Bereich

Weil immer mehr Menschen in Städten leben, werden Grünflächen für die Stadt zur Herausforderung. Nicht nur in der HafenCity.

Viele schöne Parks schmücken Hamburgs Stadtgebiet. Ihnen und der Lage an Alster und Elbe verdankt die Stadt ihren Ruf als grüne Metropole am Wasser. Als Europäische Umwelthauptstadt war sie im letzten Jahr auch anderen Städten ein Vorbild. Aber was ist wirklich dran an Hamburgs grünem Image?
Die HafenCity ist grüner als Winterhude. Es kommt nur darauf an, welches Grün gemeint ist. Im nachhaltigen Bauen, also einem technischen Grün, glänzt der junge Stadtteil. Chlorophyllhaltiges Grün, das auf unserem Planeten immer noch einzigartig darin ist, Kohlendioxid in Sauerstoff umzuwandeln, wächst jedoch mehr in Winterhude. Während wir etwa im Stadtpark picknicken, bolzen oder plantschen, produzieren Pflanzen ganz nebenbei saubere Luft. Die HafenCity punktet wiederum mit Hafenatmosphäre und Highlights moderner
Architektur. Hier steht die Inszenierung im Vorder- und das Grün im Hintergrund.

Als wachsende Metropole muss sich Hamburg dem globalen Klimawandel stellen. Lebensqualität hängt für Stadtbewohner aber auch davon ab, wie gut sie mit öffentlich zugänglichen Freiräumen und Grün versorgt sind. Dazu zählen Landschaftsräume wie das Alstertal und das Eppendorfer Moor, Parks, Stadtgärten, Spiel- und Sportflächen, Straßenbäume, aber auch Plätze und Promenaden wie in der HafenCity. Mit dem Leitbild „Grünes Netz Hamburg“ gibt die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) vor, wohin sich Hamburgs Grün und Blau in Zukunft entwickeln sollen: Ziel ist der Ausbau eines Freiraumverbundsystems, das Freizeit und Erholung bietet, Naturräume schützt und Stadtklima und Luftqualität verbessert.
Entscheidend für die Auszeichnung European Green Capital 2011 war Hamburgs Ausstattung mit Grünräumen nicht unbedingt. Zwar ist die Stadt mit fast 17 Prozent der Stadtfläche damit gut versorgt, und auch 89 Prozent der Bevölkerung leben nicht weiter als 300 Meter von der nächsten Parkanlage entfernt.

Die vielen Grüns

Die Jury bemängelte in diesem Zusammenhang jedoch, dass Abgase und Lärm von Straßen viele Freiräume belasten. Als besonders grün bewertete sie Hamburgs Bemühungen und Ergebnisse zur Verbesserung der Luftqualität sowie zur Müllvermeidung und -entsorgung. Auch der Fokus auf sozial schwächere Stadtteile wie Wilhelmsburg überzeugte, denn auf der größten Flussinsel Europas soll 2013 mit der Internationalen Gartenschau (igs) ein neuer Park entstehen. Gartenschauen sind nicht nur bunte Blumenschauen. Sie dienen vielmehr dazu, Leitbilder der Stadtentwicklung umzusetzen. Mit der igs und der Internationalen Bauaus-
stellung (IBA) holt Hamburg Schwung für den Sprung über die Elbe.

Auf den Trittsteinen Veddel, Wilhelmsburg und dem Harburger Binnenhafen plant die IBA zum Beispiel klimaneutrale Wohnungen und treibt Bildungsprojekte voran. Der „Inselpark“ in Wilhelmsburgs neuer Mitte soll Bewohnern neben dem klassischen Parkvergnügen auch neue Sportaktivitäten wie Kanufahren, Skaten oder Klettern bieten. IBA und igs möchten zeigen, „wie eine Metropole im 21. Jahrhundert ökologisch und sozial ausbalanciert wachsen kann“.

Der Lohsepark soll die grüne Achse der HafenCity werden und den Stadtteil von der Ericusspitze bis zum Baakenhafen durchqueren. (1)

Wachstum braucht Platz, und der ist nördlich der Elbe knapp. Während der Senat mit Hochdruck den Wohnungsbau vorantreibt, verlieren städtische Freiräume an Wertschätzung. Die Strahlkraft grüner Vorzeigeprojekte wie der igs lenkt davon ab, dass bestehende Parkanlagen im Stadtgebiet langsam ihren Reiz verlieren. Bänke verrotten, Pflanzflächen verkrauten, und so richtig blüht es nur in Planten un Blomen. Hier wird die Pflege allerdings auch aus Sonderetats finanziert. Der Hamburger Rechnungshof stellte bereits 2009 fest, dass die derzeitigen Haushaltsmittel nicht einmal zur Hälfte ausreichen, um Frei- und Grünanlagen zu unterhalten.

Grüne Werte

Für das Hamburger Stadtgrün macht sich die Landschaftsarchitektin Heike Lorenz stark. Mit ihren Hamburger Kollegen setzt sie sich im Berufsverband Bund Deutscher Landschaftsarchitekten dafür ein, dass es „in Politik und Öffentlichkeit an mehr Gewicht gewinnt“. Der Verband gibt zu bedenken, dass vernachlässigtes Grün erst seine Beliebtheit verliert, dann nicht mehr bewahrt wird und schließlich ganz verschwindet. Dabei gibt es für Investoren gute Gründe, beim Bau von Wohnungen auch auf die Qualität von Freiräumen zu achten. Ein attraktives Wohnumfeld sowie die Nähe zu einem gepflegten Park erhöhen nachweislich den Wert von Immobilien und Grundstücken. Mit der Qualitätsoffensive Freiraum plant die BSU nun mit Vertretern der Wohnungswirtschaft zu kooperieren. Es gilt, eine Form dafür zu finden, wie Hamburgs Bezirke die Verantwortung für neue und bestehende Anlagen mit ihnen teilen können.
Der Landschaftsarchitekt Bertel Bruun hält privates Engagement für den Erhalt der Hamburger Freiräume für eine gute Sache. In der Hansestadt hätte das bürgerliche Stiftungswesen schon immer Tradition gehabt. Mit Hohe Bleichen, Opernboulevard und Nikolaiquartier hat er in der Innenstadt Business Improvement Districts (BIDs) geplant: Hier sponsern Grundeigentümer und Gewerbetreibende für ihre „gute Adresse“ die Verschönerung von Geschäftsstraßen und deren benachbarten Plätzen. Doch die BIDs, so Heike Lorenz, würden nur in guten Gegenden funktionieren.

Privat hilft Grün?

Stadtteile wie Steilshoop hätten, wenn sich die Stadt weiter zurückziehe, dann weniger Chancen auf Besserung. Die Sorge, dass in den BIDs private Interessen den öffentlichen Raum dominieren könnten, kann Bruun verstehen. Die „Sheriffs“ in neongrünen Jacken würden jedoch nicht zur Regel werden.

Der Lohsepark soll die grüne Achse der HafenCity werden und den Stadtteil von der Ericusspitze bis zum Baakenhafen durchqueren(2)

Welche Partnerschaften für die Freiräume in der HafenCity Sorge tragen, wird sich zeigen, wenn der Stadtteil fertiggestellt ist und Promenaden, Plätze und Parks an den Bezirk Hamburg-Mitte übergehen. Abgesehen davon, dass die Freiräume hier nicht zu den familienfreundlichsten und kuscheligsten in Hamburg zählen, sind sie heute in einem gepflegten Zustand und durchgehend für die Öffentlichkeit zugänglich. Touristen kommen gern hierher und auch Hamburger aus anderen Stadtteilen schauen vorbei, um den Stadtteil wachsen zu sehen. Picknicken und bolzen kann man schon ganz gut im Sandtorpark. Der Lohsepark wird mit vier Hektar dafür noch viel mehr Platz bieten. Hier kann die Stadt tief einatmen: Für das nötige Chlorophyll sorgen 500 neu gepflanzte Bäume.

Text: Ljubica Heinsen, Illustrationen: Maria Knuth, Visualisierungen: (1) Visualisierung: Gärtner + Christ GbR, (2) Visualisierung: Böge Lindner K2 Architekten, HafenCity Hamburg GmbH
Quartier 18, Juni–August 2012 , Rubrik:    
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