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Dietwalds Dämonen

Am Schreibtisch von Dietwald Doblies im Zippelhaus entstehen Geschichten von Kaugummimännchen, sprechenden Echsen und übellaunigen Dämonen. Er ist verantwortlich für die neuen Abenteuer von Lurchi, vor allem aber arbeitet er mit viel Witz und historischen Anleihen an eigenen Comics

Der Gott Thor kämpft mit der Midgardschlange: Motiv aus einem Bildungsplakat von Doblies zum Thema „Germanische Sagen“

Als Dietwald Doblies das Bild an der Wand seiner Schwester sah, war es um ihn geschehen. Der Künstler, Albrecht Dürer, war zwar schon seit 450 Jahren tot, aber sein Stich „Ritter, Tod und Teufel“ hinterließ bei ihm einen nachhaltigen Eindruck. Seit diesem Tag sind Dürers Meisterstiche eine große Inspirationsquelle für Doblies geblieben. So sehr, dass er in seinen Arbeiten immer wieder darauf zurückkommt wie etwa in seiner Parodie auf das Rhinoceros, das Dürer im Jahre 1515 entwarf. Doblies hat sogar eine eigene Webseite über Zeit und Werk des großen deutschen Künstlers eingerichtet, die www.albrecht-duerer-apokalypse.de heißt (die Domain albrecht-duerer.de war, wie er sagt, zu teuer). Dieses Interesse ist ihm keineswegs in die Wiege gelegt worden.

Mit zwölf begann Doblies, eigene Geschichten zu entwerfen. „Die Protagonisten“, sagt er heute, „waren in der Regel Figuren mit großen Nasen“

Er stammt nicht aus ei-nem Haushalt von Historikern mit einer Vorliebe für die Kunst der Reformationszeit; eher, wie er sagt, aus einer einfachen Arbeiterfamilie. Allerdings mit einer Vorliebe für historische Namen: Er selbst heißt Dietwald, seine Schwestern Edelgard und Gerlinde. Auf jeden Fall hat sein Entschluss, Zeichner zu werden, nicht mit Albrecht Dürer begonnen, sondern mit Fix und Foxi. Später sah er sich begeistert die frühen Arbeiten aus der Feder von Walt Disney an, dann natürlich auch Albert Uderzo und dessen Asterix-Comics. Schließlich begann Doblies, eigene Geschichten zu entwerfen und eigene Comics zu zeichnen.

(von links nach rechts) Auszüge aus „Der Verborgene Engel“, der neuen Geschichte von Dietwald Doblies, die bei U-Comix erscheinen wird. Dietwald Doblies im Studio F, das er zusammen mit Stefan Finck im Zippelhaus unterhält. Getreu den Angaben im mittelalterlichen Epos „Parzival“ hat Doblies der Hexe Kundrie Gestalt gegeben

„Die Protagonisten“, erklärt er heute rückblickend, „waren in der Regel Figuren mit großen Nasen.“ Seine Eltern waren davon zunächst wenig begeistert. Sie wünschten ihrem Sohn keine Karriere als Comic-Zeichner. Bevor er also zu seiner wahren Berufung fand, machte er etwas Anständiges: Er arbeitete als Grafiker in der kleinen Werbeagentur seines Schwagers in seinem Geburtsort Barsbüttel. Dort bekam er immer häufiger Gelegenheiten für Werbeillustrationen, bis er schließlich 1991 zu dem Ergebnis kam, dass er ausreichend Aufträge in Aussicht hatte, um ein freischaffender Zeichner zu werden.
Nach über 20 Jahren als Illustrator und Zeichner umfasst das Repertoire von Dietwald Doblies heute nicht mehr nur Figuren mit großen Nasen. Wer sein Studio F im Zippelhaus gegenüber der Speicherstadt betritt, bekommt schnell einen Eindruck von den Einflüssen und Anregungen, die auf ihn wirken: Über seinem Schreibtisch hängt ein Filmplakat vom Meister des Neo-Film-Noir, Alfred Hitchcock. Eine Wand weiter hängt ein Poster zu Fritz Langs „Metropolis“. Ein Plakat von Robert Wienes „Das Cabinet des Dr. Caligari“ findet sich nicht, dafür erweist Doblies diesem Meisterwerk aus dem Jahre 1920 und vor allem dessen gemalten Filmkulissen in seinem Kurzfilm „Doktor Krankenbein“ die Ehre, in dem er zusammen mit seinem Partner Stefan Finck zeigt, dass sein Portfolio auch digitale Animation umfasst.
Im Wesentlichen funktioniert die digitale Arbeit für ihn als Zeichner ähnlich wie bei analogen Zeichentrickfilmen; lediglich die Umsetzung ist anders: Die Figuren werden am Computer mit einer Art digitalem Knochengerüst entworfen, dessen Bewegungen zwischen den verschiedenen Endpunkten (zum Beispiel Mund auf, Mund zu) anschließend von einem Programm errechnet werden, ohne dass ein Zeichner sie einzeln malen muss. In beiden Fällen liegt der Maßstab aber bei 25 Bildern pro Sekunde. Um wenige Sekunden Film zu produzieren, ist man leicht zwei oder drei Tage beschäftigt. So benötigten Doblies und Finck für den vierminütigen Film „Doktor Krankenbein“ insgesamt mehrere Monate.

Digitale Filme sind spannend, sagt Doblies, als Bestandteil des Geschäftsmodells von Studio F auch wichtig, aber analoges Zeichnen ist ihm am Ende doch näher. Deshalb ist er in diesem Bereich auch wesentlich aktiver. So hat er etwa mit „Ritter Rudolf“ ein Kinderbuch in ein Comic umgesetzt. Außerdem ist er seit 1995 für die Geschichten von Lurchi verantwortlich, dem Feuersalamander mit dem festen Schuhwerk. Die Abenteuer von Lurchi und seinen Freunden Hopps, Mäusepiep, Piping, Igelmann und Unkerich sind zwar nicht mehr so gruselig und brutal wie sie viele noch aus den 1960er und 1970er Jahren in Erinnerung haben, ihr Ende muss sich aber immer noch auf „Salamander lebe hoch!“ reimen. Bis auf diese Vorgabe ist Doblies als verantwortlicher Zeichner und Texter allerdings verhältnismäßig frei in der Entwicklung seiner Geschichten, besonders nachdem die Firma Salamander im Jahr 2000 ein neues Lurchi-Konzept entworfen hat und die Figuren überarbeiten ließ. Ein ähnliches Format hat Doblies für einen bekannten Kaugummihersteller erarbeitet. Der Held heißt hier Dentiman, besteht aus Kaugummi und durchkreuzt die dunk-len Machenschaften der Kariesbande, zum Beispiel als diese einen gewaltigen Bacillosaurus züchtet. Das Projekt, an dem sein Herz zurzeit am meisten hängt, ist aber keine Geschichte mit gewerblichem Auftraggeber, sondern ein eigener Comic, in dem er weiter an seinem Stil arbeitet. Dieses Mystery-Comic mit dem Titel „Der Verborgene Engel“ wird ab Juni 2013 im neu aufgelegten U-Comix als Fortsetzungsgeschichte erscheinen und enthält drei alte Bekannte: Ritter, Tod und Teufel.

Text: Nikolai Antoniadis, Illustrationen: Dietwald Doblies, Foto: Jonas Wölk
Quartier 21, März–Mai 2013 , Rubrik:    
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