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Jäger der verlorenen Schätze

Im Keller eines Hauses im Grimm lagert eine außergewöhnliche Sammlung, die darauf wartet,
ausgestellt zu werden

Waldemar Wasiluk in seinem „Titanic Keller“, wie er ihn nennt. Viele Stücke stammen zwar aus der Epoche, sind aber in deutlich besserem Zustand

Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine Mischung aus Retro-Wohnzimmer und Museumswerkstatt. Ein enger Raum, bis unter die Decke vollgestellt mit Antiquitäten, Erinnerungsstücken und alltäglichen Dingen wie Fahrrädern oder Koffern, aber alle alt, alle mit Geschichte. Hier ein dreibeiniger Filmstrahler aus den Bendestorf-Studios, der John Lennon in „Wie ich den Krieg gewann“ ins rechte Licht gerückt haben könnte; dort eine 100-jährige Zentrifuge, die Milch und Sahne trennt. Auf einem Tisch ein Telefon mit hölzernem Pulsgehäuse, das mindestens genauso alt aussieht; daneben ein Set aus schlanken Kristallgläsern samt Karaffe, aus der jede Großtante liebend gerne ihren Marillenlikör ausgeschenkt hätte. Und wer lange genug bleibt, kann ziemlich sicher sein, dass Waldi etwas Ähnliches anbietet. Waldemar Wasiluk, oder Waldi, wie auf dem Türschild zu lesen ist, hat zusammen mit seiner Frau Grazyna diese bemerkenswerte Sammlung aus Alltäglichem und Exotischem zusammengetragen.

Seine größte Leidenschaft gilt Kaffeemühlen, in jeder Form und Größe,
aus jeder Epoche, aus jedem Material

Am Grimm, neben Schiffsmaklern, Schifffahrtsgesellschaften und Überseespeditionen, findet sich am Eingang Hausnummer 14, wie ein bunter Farbklecks unter den Klingeln der Büromieter, ein unerwartetes Schildchen: „Antik Bei Waldi“, darunter eine Handynummer. Zwei Treppen weiter unten und hinter einer schweren Kellertür findet man sich plötzlich in dem wieder, was genauso gut die Requisitenkammer eines Historienfilms sein könnte. Von der Decke hängen diverse Kronleuchter, einige verziert mit dem Doppeladler der österreichisch-ungarischen K.u.K.-Monarchie, daneben alte Stall-Laternen, schmiedeeiserne Öfen, Biedermeier-Stühle. Man könnte ein ganzes Haus damit einrichten.

Mit einer Mischung aus Nostalgie, Sammelleidenschaft und Lebenslust hat Waldemar Wasiluk fast 30 Jahre lang Gastronomie, Musik und Kultur zusammengebracht. Waldemar Wasiluk und seine Frau Grazyna im Keller von Waldis Antiquitätensammlung am Grimm

Darauf ist Waldemar Wasiluk auch schon gekommen. Er hat ein Auge auf eine historische Wassermühle in Polen geworfen, die er zusammen mit seiner Frau als Pension einrichten wollte, mit individuell gestalteten Zimmern, Badewannen mit Löwenfüßen, den verzierten Öfen. Aber Polen ist schwierig, sagt er. Besonders wenn man die meiste Zeit nicht dort, sondern in Hamburg verbringt. Deshalb steht die Mühle leer, viele Stücke musste er bei Freunden einlagern, andere hat er nach Hamburg geholt. Heute sind die Wasiluks auf der Suche nach Räumen in Hamburg, nicht für eine Pension, sondern für ein Café mit Ausstellungsbereich. Das klingt zunächst noch nicht sehr besonders, aber wenn Grazyna Wasiluk die Fotoalben der vergangenen 30 Jahre durchblättert, sieht man schnell, an was die beiden denken.
Nachdem es Waldemar Wasiluk aus dem polnischen Landsberg an der Warthe nach Hamburg verschlagen hatte, eröffnete er schon 1985 mit Grazyna einen Laden beim Malersaal, mit einem Keller für Veranstaltungen. Auf den Bildern sieht man ihn bei einer Party im Smoking, Grazyna, damals noch Schauspielerin am Thalia Theater, beim Konzert einer polnischen Band, auf dem nächsten Foto den ARD-Journalisten Heiko Engelkes auf der Kellerbühne, eine Seite weiter eine Widmung auf Solidarnosc-Papier, Bilder von Lesungen, Diskussionsrunden, Kabarett. Wasiluks Laden war ein Geheimtipp. Ein paar Jahre und 34 Einbrüche später (er hat mitgezählt) mussten sie St. Georg schweren Herzens den Rücken kehren und zogen mit der gleichen Mischung aus Café und Künstlertreff an den Fischmarkt St. Pauli, danach in die Kaiser-Wilhelm-Straße. Seit dort der Mietvertrag ausgelaufen ist, lagern sie ihre Sammlung im Grimm.

Einen besonderen Hang hat Waldemar Wasiluk, eigentlich gelernter Bauingenieur, zur Musik. So gehört zu den bevorzugt genutzten Relikten vergangener Kulturschichten ein Akai-Tonbandgerät. Außerdem hat er eine Bühne eingerichtet, daneben ein Tonstudio, kaum groß genug für eine Person, aber voll funktionstüchtig. Nicht zuletzt hat er unter all’ den alten Dingen, die er mag, eine ganz besondere Zuneigung für alte Gitarren entwickelt, die er zu Dutzenden sammelt und restauriert.
Seine größte Leidenschaft gilt aber etwas anderem: Kaffeemühlen. Und zwar in jeder Form und Größe, aus jeder Epoche, aus jedem Material. Als Heiko Engelkes ihm vor vielen Jahren seine erste schenkte, entwickelte sich eine wahre Obsession. Er besitzt heute nach eigenem Bekunden mindestens 600 Stück, vielleicht 700. Am Grimm sind es etwa 300, zu Hause mehrere Dutzend, und weitere 350 sind seit 1995 in einem Museum nahe Landsberg an der Warthe. So ist in ihm die Idee gewachsen, seinen Mühlen ein würdiges Umfeld zu geben. Es gibt vergleichbare Projekte in Hamburg wie das Kaffeemuseum von Jens Burg, dem er einmal einen russischen Samowar aus der Zarenzeit überlassen hat. Auch mit Ralf Lange vom Speicherstadtmuseum ist er ins Gespräch gekommen.
Besonders in der Speicherstadt ist das Thema Kaffee noch lange nicht ausgereizt. Die Kaffeerösterei schreibt seit Jahren Erfolgsgeschichte, in Block R plant Frank Stricker in seinem Genuss Speicher einen Ausstellungsbereich, in dem ein Schwerpunkt Kaffee sein soll. Aber auch im Katharinenviertel schauen sie sich weiter um. Hier gibt es ja schon eine Reihe von Läden mit sehr speziellem Charakter wie etwa Detlev Blocks Steckelhörn oder den Klub.K. Es könnte sicher noch einen vertragen.

Text: Nikolai Antoniadis, Fotos: Astrid Hüller, Jonas Wölk
Quartier 21, März–Mai 2013 , Rubrik:    
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