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Der Pragmatiker: Olaf Scholz

Als er Bürgermeister wurde, war die HafenCity längst Realität. Olaf Scholz spricht über Chefsachen, Herzensangelegenheiten und Legitimationsprobleme

Olaf Scholz

Olaf Scholz steht im Amtszimmer des Bürgermeisters im Hamburger Rathaus Rede und Antwort

Als die HafenCity angekündigt wurde, waren Sie SPD-Kreischef in Altona; beim Senatsbeschluss zur Elbphilharmonie waren Sie in Berlin. Heute sollen Sie ein funktionierendes Verkehrskonzept, bezahlbaren Wohnraum und den Bau der Elbphilharmonie sicherstellen. Wie geht es Ihnen damit? 

Die HafenCity war eine sehr kluge und weitreichende stadtentwicklungspolitische Entscheidung von Bürgermeister Henning Voscherau. Ich weiß, wie sorgfältig und vertraulich sie vorbereitet wurde. Natürlich muss man bei einem auf so viele Jahrzehnte angelegten Vorhaben einen langen Atem haben. Ich habe das Staffelholz gern übernommen. Wir haben jetzt viele Entscheidungen getroffen, die die weitere Entwicklung positiv beeinflussen werden. Dazu gehört, dass am Baakenhafen sehr viele bezahlbare Wohnungen gebaut werden und die U4 bis zu den Elbbrücken verlängert wird. Was die Elbphilharmonie angeht, so werden wir uns alle an ihr freuen, wenn sie fertig ist. Nicht so erfreulich ist, dass sie so viel teurer wird, als ursprünglich gesagt wurde. Klar ist, dass man jedenfalls einen Teil der Preissteigerungen mit einer längeren Vorbereitung und sorgfältigeren Planungen hätte verhindern können.

Meinen Sie: länger geplant oder besser geplant?

Beides hängt zusammen. Wir haben deshalb eine weitreichende Konsequenz für künftige Hochbauvorhaben der Stadt gezogen und im Dezember zum Thema „kostenstabiles Bauen“ beschlossen, für die Planung künftig viel Geld in die Hand zu nehmen. Das kann je nach Bauvorhaben Millionen kosten. Erst nach Abschluss der Planungen soll endgültig entschieden werden, ob und wie wir uns ein Bauvorhaben leisten wollen.

Gegenüber der HafenCity Zeitung erwähnten Sie einmal, dass Sie möglichst wenig Themen zur Chefsache erklären würden. Nun heißt es, Sie hätten die Verträge zum Bau der Elbphilharmonie minutiös durchgearbeitet und alle Regelungen der Neuordnungsvereinbarung selbst erarbeitet.

Ich halte nichts davon, „Chefsachen“ anzukündigen. Und deshalb habe ich es bisher auch nicht gemacht. Dabei bleibe ich auch. Das heißt ja nicht, dass der Bürgermeister sich nicht mit den wichtigen Fragen der Stadt beschäftigen darf.

Also ist die Elbphilharmonie keine Chefsache?

Das ist eine rhetorische Formel, die mir nicht gefällt, weil sie bedeutet, dass man sich offenbar vorher nicht darum gekümmert habe. Dass eine so wichtige Sache eine hohe Priorität auch bei der Arbeit des Bürgermeisters, der Kultursenatorin und des gesamten Senats hat, das erwarten die Bürgerinnen und Bürger zu Recht! Die Verhandlungen über eine Neuordnung des Bauvorhabens haben so lange gedauert, weil alle Beteiligten – die Stadt Hamburg, die Architekten und das Bauunternehmen – über viele Fragen uneinig waren. Wir sind deshalb immer zweigleisig gefahren. Einerseits haben wir uns in die Lage versetzt, notfalls zu kündigen und selbst weiterzubauen, andererseits haben wir einen Kompromiss gesucht. Am Ende haben wir uns für das gemeinsame Vorgehen entschieden, weil wir noch in der allerletzten Verhandlungswoche unerwartet Zugeständnisse von HOCHTIEF erhalten haben. Unser Vertragspartner hat sowohl für das bisher Geplante und Gebaute als auch für das noch zu Bauende und auch für Preise und Fertigstellung unbedingte Garantien übernommen. Solche Garantien wird wohl nie wieder ein Bauherr bekommen. Aus meiner Sicht ist es angesichts der bisherigen Geschichte von Kostensteigerungen bares Geld der Hamburger Steuerzahler, das wir damit sparen.

Es gibt also einen festen Endpreis für die Elbphilharmonie?

Wir haben vereinbart, welchen Betrag wir an unseren Vertragspartner HOCHTIEF zahlen werden. Daneben sind viele andere Kosten schon von Beginn an angefallen, die in den öffentlichen Diskussionen nie erwähnt wurden. Die Architekten mussten immer schon zusätzlich bezahlt werden, ebenso die Realisierungsgesellschaft ReGe. Natürlich muss das am Ende des Tages zusammengerechnet werden. Wir haben nun eine solche Rechnung aufgemacht. Dieses Vorhaben, das die Hamburger so viel Geld kostet, kann nur mit größtmöglicher Transparenz zu Ende geführt werden. Ohne diese Transparenz wird es nicht die nötige Akzeptanz bekommen.

Ist das Projekt „too big to fail“, oder ist es trotz aller Schwierigkeiten zu Ihrer Herzensangelegenheit geworden?

Es wäre sicherlich keine kluge Entscheidung gewesen, zu sagen: Wir stoppen das Bauvorhaben und betrachten es als Mahnmal dafür, „wie man es nicht tun soll“.

Es gibt Stimmen, die das für den richtigen Weg halten …

Ja, solche Stimmen gibt es. Aber selbst sie würden diese Option nicht wirklich verfolgen, wenn sie selbst entscheiden müssten. Im Übrigen bleibt die Elbphilharmonie eine tolle Sache, und wir werden in Hamburg davon profitieren, wenn sie fertig ist. Sie ist zu groß für einen elitären Konzerttempel. Sie funktioniert nur, wenn alle Hamburgerinnen und Hamburger sie als etwas annehmen, das ihnen gehört. Ich werde alles dafür tun, dass es auch so kommt. Allerdings will ich nicht verhehlen, dass die Elbphilharmonie für die Legitimation politischen Handelns ein echtes Problem ist. Wir leben in Zeiten der Haushaltskonsolidierung. Wir mussten völlig zu Recht beschließen, mit dem Schuldenmachen der öffentlichen Haushalte aufzuhören und spätestens ab 2020 keine weiteren Schulden mehr aufzunehmen. Im Haushalt haben wir die Steigerung der Ausgaben auf jährlich ein Prozent begrenzt. Das führt dazu, dass wir immer wieder Projekte nicht finanzieren können. Für viele Bürgerinnen und Bürger ist es schwer zu ertragen, dass wir sparen müssen, wenn gleichzeitig an anderer Stelle das Geld in einem „Fass ohne Boden“ verschwindet. Mein Bemühen ist es, verantwortlich zu handeln und zu erklären, dass wir erst nach sorgfältiger Abwägung und schlaflosen Nächten den Weg gegangen sind, den wir für den besseren halten.

Lassen Sie uns bei den Finanzen bleiben. Wie viel ist noch übrig vom Sondervermögen Stadt und Hafen?

Wir haben das Sondervermögen mit neuen Finanzmitteln ausgestattet. Insbesondere haben wir dafür gesorgt, dass die Finanzierung des Terminals Altenwerder nicht mehr Aufgabe dieses Sondervermögens ist. Das Terminal wird jetzt von der Hamburg Port Authority verwaltet und vermietet. Das Sondervermögen kann sich auf die HafenCity als Quartier beschränken. Bisher gehen wir davon aus, dass am Ende der Entwicklung, also wenn das letzte Haus gebaut und der letzte Stein gelegt ist, kein Defizit bleibt.

Öffentliche Wege und Plätze zu bauen, ist eine Sache, sie später zu unterhalten, eine andere. Das wird Aufgabe des Bezirksamts sein. Wird es für die HafenCity besondere Mittel erhalten?

So weit sind wir noch nicht. Der Bau der HafenCity wird noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Natürlich müssen wir dann sehen, wie die Qualität des öffentlichen Raumes erhalten werden kann. Wir müssen dafür sorgen, dass alles, was von der Stadt gebaut wurde, auch instand gehalten wird. Deswegen haben wir die Mittel für die Erhaltung von Straßen, Wegen und Brücken deutlich angehoben. Wir haben uns das Ziel gesetzt, dass das, was an Abschreibungen in diesen Bereichen anfällt, auch im Haushalt für ihre Instandhaltung eingestellt wird.

Ihre Gegner werfen Ihnen vor, langweilig zu regieren: Provin zialität statt Leuchtturmprojekte.

Die meisten Bürgerinnen und Bürger sagen mir, dass sie froh sind, dass die „Sachen“ endlich ordentlich gemacht werden. Wir wollen nicht viele Projekte ankündigen, sondern lieber einige ordentlich zu Ende bringen. Wir sind dabei, wichtige Entwicklungen voranzutreiben, etwa den massiven Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten, die Möglichkeit, an allen weiterführenden Schulen Abitur zu machen, Konzepte, die Jugendliche nach der Schule in Arbeit bringen, den Wegfall der Studiengebühren. Das sind große Fortschritte, die dazu beitragen, dass eine Stadt, die so sehr von der Dynamik und Hoffnung der vielen lebt, die hier ihr Glück machen wollen, für alle interessant ist: Für die, die hier leben, aber auch für die, die hierher ziehen möchten. Und um auf Leuchttürme zurückzukommen: Mancher Leuchtturm ist zu einem Schuldenturm geworden wie die HSH Nordbank oder die Elbphilharmonie.

Wie ist Ihre Vision der HafenCity für 2030?

Ein lebendiger Stadtteil mit einer guten, familienfreundlichen Wohnsituation, ebenso mit Büros und Gewerbe. Mit bezahlbaren Wohnungen und einer gesunden sozialen Mischung. Dazu eine Elbphilharmonie, deren Konzerte jeden Abend ausverkauft sind.

Interview: Conceição Feist und Dagmar Garbe, Fotos: Thomas Hampel
Quartier 22, Juni–August 2013 , Rubrik:    
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