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Fette Beute

Viele Fischarten sind in den letzten Jahren wieder in die Elbe und in den Hamburger Hafen zurückgekehrt. Auch die HafenCity ist für Hamburgs Angler ein gutes Revier

Angeln in der HafenCity

Die „Elbräuber“ überlisten am liebsten Barsche. Ein Tipp von Gründer Dirk: „Beim Zuppeln auf Barsch einfach mal den Gummiköder normal einkorbeln. Das bringt ab und an einen Rapfen und sorgt für Abwechslung an der Rute“ (1)

Manchmal findet sich das Glück dort, wo man es am wenigsten vermutet. Ganz genauso verhält es sich mit dem Anglerglück in der HafenCity. Die belebten Promenaden am Sandtorkai oder Dalmannkai erinnern nicht gerade an ein klassisches Angleridyll, und nach guten Fangaussichten sehen die Hafenbecken auf den ersten Blick auch nicht aus. Moritz und Tobi kennen die neugierigen Blicke und Fragezeichen in den Gesichtern von Passanten, wenn sie am Kaiserkai ihre Angelruten über das Hafenbecken schwingen. Sie nehmen es gelassen, denn in der HafenCity machen sie vor allem in den Wintermonaten einen guten Fang. Andere Hobbyangler haben vorsorglich die Antworten zu den drei meistgestellten Fragen auf ihre Shirts gedruckt: „Nein, ich habe grad nichts gefangen. Ja, hier gibt es Fische. Ja, die Fische kann man essen.“

Unter Hamburgs Anglern ist es schon lange kein Geheimnis mehr, dass das Hafenbecken des jungen Stadtteils optimale Lebensbedingungen für Raubfische wie Zander, Barsch oder auch Rapfen bietet. In der Fachzeitschrift „Der Raubfisch“ schreibt der Angelguide Jörg Strehlow, dass der Hamburger Hafen der Prototyp eines optimalen Zandergewässers sei. Stinte, die zu den Futterfischen des Zanders gehören, schwimmen im Frühjahr zum Laichen von der Nordsee in die Elbmündung. Die Hafenbecken schaffen mit ihren vielen Rückzugsgebieten ein wahres Raubfischparadies. Die Wassertiefe von bis zu 16 Metern macht sie zudem zu einem guten Winterplatz für die „Stachelritter“, weil hier über das ganze Jahr eine konstante Temperatur herrscht. Außerdem ist das Elbwasser seit der Wende mit dem Bau weiterer Klär- und Reinigungsanlagen sauberer geworden, sodass sich der Fischbestand insgesamt erholen konnte. Die Aussicht auf gutes Futter lässt sogar Schweinswale wieder den Weg in die Elbe und nach Hamburg finden.

Vor seinem Umzug in den Norden fischte Moritz in bayrischen Flüssen und Seen. In der Zanderausbeute konnten sie der Hamburger Elbe nicht annähernd das Wasser reichen. Während der 29-jährige Koch in der Heimat im Jahr vielleicht zwei am Haken hatte, sind es in der Elbe jährlich bis zu 200 Stück. Moritz zieht auch mal solo zum Angeln los, zu zweit oder dritt macht es nur mehr Spaß. Wenn man selbst nichts fängt, fängt der andere etwas, und dann ist auch jemand zur Stelle, der mitanpacken und ein Foto von einem schönen Fang schießen kann.

Moritz und Tobi

Mit Spinnfischen locken Moritz (29) und Tobi (33) Zander ins Garn. „Wenn man spürt, dass da ein Tier dran ist, dann ist das Adrenalin pur!“, schwärmt Tobi. Nach dem Anbiss muss unmittelbar der Anhieb folgen. Sonst spuckt der Fisch den Gummiköder aus und schwimmt davon (2)

Zu einem festen Anglerteam haben sich die Hamburger „Elbräuber“ zusammengeschlossen. Dirk, Benny, Steffen, Phillip und Steven haben ein eigenes Logo, und auf ihrer Facebook-Seite und Website dokumentieren sie regelmäßig ihre Angeltouren. Lange geplant müssen die Ausflüge an die Gewässer nicht sein. Gerade zum Raubfischfang können sich urbane Petrijünger auch spontan verabreden. Sie bringen mit einer Rute und einer Box Gummiköder nur leichtes Gepäck mit, und die Wege zu den Angelplätzen sind kurz. So kommen Tobi und Moritz mit der U4 oder dem Fahrrad auch mal an Werktagen in die HafenCity. Ob es sich lohnt, zeigt ihnen der Blick auf den Tidekalender. „In der Regel fischen wir eine Stunde vor und eine Stunde nach Hochwasser – dann ist es am rentabelsten“, erklärt das Anglerduo.

Die meisten Fische landen weder bei Tobi und Moritz noch den Elbräubern auf dem Teller. Soweit sie unverletzt sind, „gehen sie wieder schwimmen“. Wer einen gültigen Angelschein besitzt, darf in fast allen städtischen Gewässern sein Anglerglück versuchen. In der HafenCity gibt es eine Ausnahme: Seit 2009 verbietet die HPA das Fischen von der Pontonanlage im Sandtorhafen, weil sich Angelschnüre in den Schrauben der historischen Schiffe verfangen könnten.

Mit Angelplätzen mitten in der Stadt und dem auffällig jungen Alter der Petrijünger scheint ein frischer Wind durch die Angelszene zu wehen. Liegt mit der Rückkehr der Fische auch das Angeln in städtischen Gewässern im Trend? Dirk vom Team „Elbräuber“ nennt es „Streetfishing“. Vor allem in Großstädten gebe es die Tendenz, „von den Straßen aus“ zu fischen. Neu sei es allerdings nicht, dass auch jüngere Menschen gerne angeln, meint Moritz: „Sie haben sich auf viele versteckte Teiche und Flüsse verteilt und waren nicht so sichtbar wie in der HafenCity.“

Ob Jung oder Alt, ob in klassischer Armyweste oder Hoody – Hamburgs Angler folgen ihrer Beute. Im Sommer fahren sie zum Fischen mehr ins Grüne hinaus. Dann haben Zander und Co. ihre Winterquartiere in den Hafenbecken verlassen und schwimmen im Hauptstrom der Elbe.

Text: Ljubica Heinsen, Fotos: Elbräuber Hamburg (1), Moritz Mundschau (1), Jonas Wölk (2)
Quartier 22, Juni–August 2013 , Rubrik:    
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