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Kultur in den Kontoren

Rund um das Chilehaus und den Sprinkenhof ist eine vielfältige Kunst- und Fotografieszene entstanden, die zur Entdeckung einlädt

Galerie Mikiko Sato

Galeristin Mikiko Sato mit Arbeiten von Taniguchi

Gleich westlich der Kunstmeile zwischen der Kunsthalle und den Deichtorhallen hat sich in den letzten Jahren ein neues Kunstviertel herausgebildet. In und um die erhabenen Kolosse der Kontorhäuser mit ihren dunkel-strengen, aber wunderschönen Innenhöfen hat sich ein knappes Dutzend Galerien angesiedelt.

Die traditionsreichste Galerie liegt am Münzplatz: zu Fuß zehn Minuten östlich des eigentlichen Kontorhausareals. 1966 in Pöseldorf gegründet, zeigte die Galerie von Renate Kammer schon früh Warhol und Hockney und die erste Beuys-Schau in Hamburg. Heute stellt sie neben sporadischen Architekturprojekten vor allem Hamburger Künstler aus.

Galerie Renate Kammer

Renate Kammer zwischen den gusseisernen Säulen ihrer schönen, am Münzplatz gelegenen Galerie

Die Galerie mit dem jüngsten Programm, die Power Galerie, liegt im Herzen des Areals, an der Ecke der Straßen Hopfensack und Kattrepelsbrücke. In diesem Jahr bereits an der art cologne beteiligt, sind hier im Sommer Ausschnitte aus dem „rauschhaft-absurden Kosmos“ (art) des schottischen Malers und Zeichners Andrew Gilbert (26. Mai bis 20. Juni) zu sehen.

Sandra Kramer von Kramer Fine Art

Sandra Kramer von Kramer Fine Art vor der skurril-hintergründigen Ölmalerei auf Pergamentpapier von Svenja Maaß

Die Galerie Kramer Fine Art mit ihrem schönen, kleinen, denkmalsgerecht renovierten Raum im Altstädter Hof zeigt vor allem Malerei – bis zum 7. Juni beispielsweise vier Künstlerinnen, deren meist kleinformatige Arbeiten auf subtilem handwerklichem Können basieren.

Von den drei Galerien am Klosterwall hat die von Mikiko Sato das prägnanteste Programm. Sie konzentriert sich auf die meist poetische, anmutige und fragile Ästhetik japanischer Künstler. Kenichiro Taniguchi (18. Mai bis 29. Juni) etwa zeichnet Spalten, Risse und Brüche in Wänden oder Böden ab und lässt aus ihren Konturen wundersame, durch Scharniere klappbare Objekte entstehen: dinghafte Epiphanien – abgeluchst dem Belanglosem und dem Verfall.

In nächster Nähe zum Kontorhausviertel liegen nicht nur Kunsthaus und Kunstverein, sondern auch die Deichtorhallen mit ihrem Haus der Photographie. Kein Wunder, dass sich in fußläufiger Nähe zu ihm zwei der wichtigsten Hamburger Fotogalerien angesiedelt haben: Im Chilehaus widmet sich Flo Peters Kameragrößen wie Albert Watson oder Steve McCurry. Ab Mai steht eine Werkschau des hinreißenden Magnum-Fotografen Werner Bischof (bis August) an.

Robert Morat dagegen hat jüngere, oft konzeptuell angelegte Fotografie in seinem Programm, das er im April etwa auf der kalifornischen Ableger-Messe der renommierten Paris Photo präsentierte. In Hamburg zeigt er im Juni und Juli Nina Poppes Aufnahmen von den Ama-San, den japanischen Meerschnecken-Taucherinnen.

Vor Kurzem ist noch ein weiteres Foto-Unternehmen ins Viertel gezogen. Im Innenhof des Sprinkenhofs hat sich in Kooperation mit der Leica Camera AG der Leica Fotografie International Verlag angesiedelt, der beispielsweise Meet-ings für Bildredaktionen veranstaltet und ab Ende des Jahres auch öffentliche Ausstellungen plant.

In der Straße Schopenstehl fällt neuerdings places ins Auge. Kein Kunstort, aber ein guter Ort für eine Kunstpause: Vom Stilwerk-Möbelladen punct.object gegründet, bietet das Unternehmen temporäre Arbeitsplätze an. In seinem kleinen, schicken Café Ray wird der vielleicht leckerste Kaffee des Viertels zubereitet. Gegenüber betrieb die Galerie Conradi bis vor Kurzem erfolgreich Aufbauarbeit für jüngere Künstler wie Thomas Baldischwyler, Philip Gaisser oder Cordula Ditz. Conradi-Galeristin Elena Winkel mag das Viertel sehr: „Es hat großstädtisches Flair, ist mit Bussen, U- und S-Bahn bestens zu erreichen, und es hat mit seiner Lage zwischen der Innenstadt und der HafenCity noch viel Potential.“ Im September aber wird sie ihre Galerie an einem anderen Ort in Hamburg wiedereröffnen.

Von außen betrachtet hat nämlich das Kontorhausviertel auch einen Nachteil. Sind auswärtige Sammler oder Kuratoren etwa für Deichtorhalleneröffnungen in der Stadt, reicht ihre Zeit oft nur noch für einen Besuch auf der Fleetinsel, wo sich an der Admiralitätsstraße einige der etabliertesten Galerien Hamburgs konzentrieren.

Sollte aber die Bewerbung um den Welterbe-Status für das Kontorhausviertel und die Speicherstadt durchkommen, dann hat das Areal einen neuen Trumpf: Es wäre dann Deutschlands einziges Galerienviertel, das sich in einem UNESCO-Kulturerbe-Ensemble befindet.

Nächste gemeinsame Eröffnung der Kontorhausviertel-Galerien im September:
www.galerienimkontorhausviertel.de


Text: Karin Schulze, Fotos: Thomas Hampel
Quartier 22, Juni–August 2013 , Rubrik:    
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